Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 5 Abs. 4 WEG, § 10 Abs. 1 WEG, § 13 WEG, § 14 Nr. 1 WEG, § 15 Abs. 1 WEG
Kommentar
1. In einer Mehrfamilienhaus-Eigentumswohnanlage hatte ein Eigentümer seine Wohnung im 1. OG an seine Frau zum Betrieb einer psychologischen Praxis vermietet. Die restlichen Eigentümer opponierten dagegen unter Hinweis darauf, dass dieser Praxisbetrieb nicht mehr mit der Zweckbestimmung der Einheit (Nutzung zu Wohnzwecken) vereinbar sei.
2. Der Beschrieb in der Teilungserklärung "Wohnung" ist eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter mit der Folge, dass das Wohnungseigentum grundsätzlich nur als Wohnung genutzt werden darf; allerdings ist nach obergerichtlicher Rechtsprechung auch eine Nutzung zu anderen als zu Wohnzwecken zulässig, sofern dadurch andere Wohnungseigentümer nicht mehr beeinträchtigt werden, als durch eine der Zweckbestimmung entsprechende Nutzung als Wohnung (vgl. z.B. auch BayObLG, NJW-RR 96, 1358 und FG-Prax 97, 220). Damit ist auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes des § 13 Abs. 1 WEGnicht von einem generellen Verbot der Nutzung einer Eigentumswohnung zu Zwecken einer psychologischen und psychotherapeutischen Praxis auszugehen.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Wohnung auch als Arzt- oder Zahnarztpraxis, als Architekturbüro oder Steuerberaterkanzlei oder als Krankengymnastikpraxis genutzt werden kann und diese Nutzung keine schwerwiegenden Beeinträchtigungen anderer Eigentümer darstellen muss (vgl. OLG Karlsruhe, OLGZ 76, 145; BayObLG, RPfl. 73, 139; KG Berlin, NJW-RR 95, 333; BayObLG, WM 85, 231). Dem steht auch der Senatsbeschluss vom 20. 9. 1995 (NJW-RR 96, 267) nicht entgegen, wonach die in einer Teilungserklärung getroffene Zweckbestimmung "Büroräume" mit der Nutzung als Kinderarztpraxis als nicht vereinbar angesehen wurde; denn dort waren für das entsprechende Praxisverbot die im Vergleich zur büromäßigen Nutzung erhöhte Besucherfrequenz und der mit einer Kinderarztpraxis verbundene deutlich höhere Geräuschpegel im Hause ausschlaggebend.
Übermäßige und unzumutbare Beeinträchtigungen der anderen Eigentümer sind allerdings im vorliegenden Fall nicht festgestellt worden. Aus der Praxis waren hier keine Geräusche zu vernehmen. Unwidersprochen erklärte vorliegend die Dipl.-Psychologin auch, dass sie nur neurotische Patienten mit Verhaltenstherapie behandle, dagegen keine psychiatrischen Patienten und auch keine Gruppentherapie durchführe. Unter den durchschnittlich vier bis sechs Patienten pro Woche seien auch Kinder, mit denen sie in einer sog. "Sandkastentherapie" Spiele zur Aufarbeitung von Verhaltensstörungen betreibe. Soweit die übrigen Eigentümer auf ein erhöhtes Aggressionspotential der psychisch kranken Patienten hingewiesen und diesbezügliche Befürchtungen geäußert hätten, fehlt es insoweit nach der Schilderung des Patientenkreises durch die Psychologin an tatsächlichen Anhaltspunkten. Ein normaler Patientenverkehr gehört jedoch zu den Erscheinungen, die bei einem geordneten Zusammenleben der Wohnungseigentümer unvermeidlich und damit hinzunehmen sind, zumal hier auch in unmittelbarer Nähe der Anlage gewerbliche Tätigkeit stattfindet.
Die Nutzung der Eigentumswohnung als psychologische Praxis hält sich deshalb im Rahmen des nach der Verkehrsanschauung Üblichen und Zumutbaren (vgl. auch KG Berlin, NJW-RR 95, 334).
3. Allerdings verstößt eine zeitliche Begrenzung dieses Praxisbetriebs (hier: montags bis freitags zwischen 8.30 Uhr und 18.30 Uhr) weder gegen Art. 14 noch gegen Art. 12 GG. Auch das BayObLG hatte seinerzeit eine Zahnarztpraxis an 4 1/2 Tagen in der Woche bis 18 Uhr abends in einer Eigentumswohnung für zulässig erachtet (RPfl. 73, 139, 140) und auch den Betrieb einer Krankengymnastikpraxis "zu den üblichen Arbeitszeiten" gebilligt (WM 85, 231, 332). Nach insofern maßgeblicher Verkehrsanschauung und der sozialen Adäquanz brauchen die restlichen Eigentümer einen freiberuflichen Praxisbetrieb über die üblichen Arbeitszeiten hinaus, d.h. nach 18.30 Uhr abends und am Wochenende, nicht zu dulden. Dies gilt unabhängig davon, ob mit dem Praxisbetrieb eher größere oder eher geringere Beeinträchtigungen verbunden sind. Eine Gemeinschaft kann redlicherweise erwarten, dass abends nicht regelmäßig fremde Personen als Patienten oder Klienten einer freiberuflichen Praxis noch in das Haus kommen und dieses - entsprechend dem Begehren der Praxisinhaberin - erst nach 21 Uhr wieder verlassen. Durch diese Einschränkungen ist der Praxisinhaberin die grundsätzliche Berufsausübung nicht verwehrt; sie muss insofern lediglich die berechtigten Belange der anderen Miteigentümer respektieren.
4. Keine außergerichtliche Kostenerstattung bei Beschwerdewert von DM 10.000.
Link zur Entscheidung
( OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.01.1998, 3 Wx 500/97)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Dass im "Wohnungseigentum" nunmehr auch sehr weitgehend Praxisbetriebe in selbständiger Berufsausübung gegen den Wortlaut einer vereinbarten Zweckbestimmung - wenn auch im Rahmen vert...