Das Wichtigste in Kürze:

1. Soweit die Rechtsbeschwerde das statthafte Rechtsmittel darstellt, ist sie ohne besondere Zulassung grds., nur in den enumerativ in § 79 Abs. 1 S. 1 aufgezählten Fällen zulässig.
2. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, wenn eine Geldbuße von mehr als 250,00 EUR festgesetzt worden ist.
3. Sind Nebenfolgen verhängt worden, ist für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde zwischen Nebenfolgen nicht vermögensrechtlicher und vermögensrechtlicher Art zu unterscheiden.
4. Bei Nichtverurteilung des Betroffenen (Freispruch, Wegfall/Nichtanordnung eines Fahrverbots, Einstellung wegen Verfahrenshindernisses) steht das Recht zur Rechtsbeschwerde nur der StA zu.
5. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, wenn das AG den Einspruch des Betroffenen durch Urteil als unzulässig verworfen hat.
6. Bei Unzulässigkeit des schriftlichen Verfahrens nach § 72 ist die Rechtsbeschwerde eröffnet.
7. Die Rechtsbeschwerde ist auch dann zulässig, wenn der Amtsrichter unzulässige Rechtsfolgen, die das Gesetz nicht vorsieht, verhängt hat.
8. Die Rechtsbeschwerde kann bei weniger bedeutsamen OWi nach § 79 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 80 zugelassen werden.
9. § 79 Abs. 2 enthält eine Sonderregelung für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde bei mehreren Taten.
 

Rdn 3117

 

Literaturhinweise:

Burhoff, Rechtsbeschwerde im Ordnungswidrigkeitenverfahren, ZAP F. 21, S. 263

Burmann, Höhere Geldbußen – ein geeignetes Steuerungsmittel, DAR 2007, 187

Krenberger, Das Verfahrenshindernis der entgegenstehenden Rechtskraft im Bußgeld- und Strafrecht, DAR 2017, 192

Küper, Zur Auslegung des § 329 I 2 StPO, NJW 1977, 1275

ders., Anm. zu BGH, Beschl. v. 10.8.1977 – 3 StR 240/77, JZ 1978, 205

Meurer, Die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde gegen Beschlußentscheidungen in Bußgeldsachen, NStZ 1984, 8

s. auch die Hinw. bei → Rechtsbeschwerde, Allgemeines, Rdn 2932 und → Rechtsmittel, Allgemeines, Rdn 3221.

1. Soweit die Rechtsbeschwerde das statthafte Rechtsmittel darstellt (vgl. hierzu → Rechtsbeschwerde, Statthaftigkeit, Rdn 3073), ist sie ohne besondere Zulassung grds. (vgl. hierzu → Rechtsbeschwerde, Zulassung, Rdn 3155) nur in den enumerativ in § 79 Abs. 1 S. 1 aufgezählten Fällen zulässig. Die Aufzählung ist abschließend, eine Ausdehnung der Zulässigkeitsvoraussetzungen auf andere Fallgestaltungen ist ausgeschlossen. Die dort aufgestellten Wertgrenzen gelten auch bei einem Verwerfungsurteil nach § 74 (Göhler/Seitz/Bauer, § 74 Rn 48; vgl. auch OLG Düsseldorf NZV 2002, 99 f.; OLG Hamm, Beschl. v. 8.4.2009 – 3 Ss OWi 258/09).

Im Einzelnen gilt Folgendes:

 

Rdn 3118

2. Gem. § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde zulässig, wenn gegen den Betroffenen eine Geldbuße von mehr als 250,00 EUR festgesetzt worden ist. Durch eine Gesetzesinitiative aus Hessen und NRW sind hier ggf. Änderungen zu erwarten, die eine Erhöhung der Wertgrenze und damit eine weitere Einschränkung der Rechtsbeschwerde zur Folge hätten (BR-Drucks 107/20).

 

Rdn 3119

a) Die Wertgrenze von 250,00 EUR gilt sowohl für die Rechtsbeschwerde des Betroffenen als auch für die Rechtsbeschwerde der StA. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, die keine Beschränkung der Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde für bestimmte Verfahrensbeteiligte vorsieht (s.a. BGHSt 37, 316 = NJW 1991, 1367). Bei der Berechnung der Wertgrenze bleiben Verfahrenskosten und Auslagen der Staatskasse außer Ansatz.

 

☆ Die relativ hohe Wertgrenze des § 79 Abs 1 S. 1 Nr. 1 von 250,00 EUR führt dazu, dass – soweit nicht ein Fahrverbot verhängt ist und deshalb § 79 Abs 1 S. 1 Nr. 2 gilt – bei Verkehrsordnungswidrigkeiten der weitaus größte Teil der Rechtsbeschwerden der Zulassung gem. § 80 bedarf.Verkehrsordnungswidrigkeiten der weitaus größte Teil der Rechtsbeschwerden der Zulassung gem. § 80 bedarf.

 

Rdn 3120

b) Die Wertgrenze bereitet keine Schwierigkeiten, wenn der Tatrichter für eine Tat im prozessualen Sinn (§ 264 StPO entsprechend) eine einzige Geldbuße verhängt hat (→ Konkurrenzen, Rdn 2654; → Tatbegriff im Bußgeldverfahren, Rdn 3481). Diese muss über 250,00 EUR liegen. Liegen im Rahmen einer prozessualen Tat jedoch mehrere Handlungen des Betroffenen vor, die mit Einzelgeldbußen geahndet werden, z.B. mehrere Verkehrsverstöße bei einer Fahrt mit dem Pkw, so gilt folgende

 

Rdn 3121

 

Übersicht Einzelgeldbußen/mehrere Handlungen:

Bei unbeschränkt eingelegter Rechtsbeschwerde muss die Summe der Einzelgeldbußen über 250,00 EUR liegen (vgl. z.B. BayObLG, Beschl. v. 24.10.2022 – 202 Ob OWi 1150/22; OLG Düsseldorf VRS 71, 375; NZV 2001, 273; OLG Hamburg MDR 1978, 955; OLG Hamm DAR 1974, 22; VRS 48, 229; OLG Koblenz DAR 1976, 138; OLG Köln VRS 77, 278; BayObLGSt NStZ-RR 1997, 248; 1994, 16). Die Rechtsbeschwerde ist somit auch dann zulässig, wenn einzelne Geldbußen unterhalb von 250,00 EUR verhängt wurden, solange sie in der Summe über 250,00 EUR liegen (BayObLG NStZ-RR 1997, 248; OLG Koblenz VRS 75, 71, 72, jew. zur früher gültigen Wertgrenze von 200,00 DM). Sofern der Tatrichter also für materiell-rechtlich in Tatmehrheit stehe...

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