Das Wichtigste in Kürze:

1. Für die Verteidigung des Betroffenen kann die Frage entscheidend sein, ob es sich bei dem seinem Mandanten zur Last gelegten Verkehrsverhalten überhaupt um einen Rotlichtverstoß i.S.d. § 37 StVO handelt oder ob ein sog. Grenzfall vorliegt.
2. Ein Rotlichtverstoß ist nicht gegeben, wenn der Betroffene die Lichtzeichenanlage zwar bei Rotlicht passiert hat, er aber noch vor dem eigentlichen Schutzbereich, z.B. der Kreuzung, anhält.
3. Nach Auffassung des BGH handelt es sich beim sog. Spurwechsel bereits dann um einen, wenn der Kraftfahrer auch nur ein kurzes Stück auf der durch Rotlicht gesperrten Spur fährt.
4. Für das Umfahren der LZA ist nach der Rechtsprechung der Obergerichte entscheidend, ob der Verkehrsteilnehmer, den durch die LZA geschützten Kreuzungsbereich berührt oder nicht.
5. Auch das sog. Räumen der Kreuzung kann nach der obergerichtlichen Rechtsprechung einen (qualifizierten) Rotlichtverstoß darstellen.
 

Rdn 3334

 

Literaturhinweise:

S. die Hinw. bei → Rotlichtverstoß, Allgemeines, Rdn 3322.

 

Rdn 3335

1. Für die Verteidigung des Betroffenen kann die Frage entscheidend sein, ob es sich bei dem seinem Mandanten zur Last gelegten Verkehrsverhalten überhaupt um einen Rotlichtverstoß i.S.d. § 37 StVO handelt oder ob ein sog. Grenzfall vorliegt, bei dem ein Rotlichtverstoß zu verneinen wäre (zum Wirkungsbereich einer roten Ampel Lorenz NZV 2015, 575). Dazu ist auf folgende Fallgruppen hinzuweisen:

 

Rdn 3336

2. Ein Rotlichtverstoß liegt nach den §§ 49 Abs. 3 Nr. 2, 37 Abs. 2 Nr. 1 bzw. 2 StVO nur dann vor, wenn der Kraftfahrer das Rotlicht einer LZA, das nach der StVO "Halt" bedeutet, missachtet hat (u.a. KG, Beschl. v. 24.1.2022 – 3 Ws (B) 354/21, DAR 2022, 352). Ein Rotlichtverstoß ist hingegen nicht gegeben, wenn der Betroffene die LZA zwar bei Rotlicht passiert hat, er aber noch vor dem eigentlichen Schutzbereich, z.B. der Kreuzung, anhält (BGHSt 43, 285 = NJW 1998, 617; BayObLG NZV 1994, 200; KG VRS 117, 168; OLG Bremen DAR 2002, 225; OLG Celle zfs 1997, 355; OLG Hamm VRS 85, 464; OLG Köln NZV 1994, 330). Dann handelt es sich nur um einen Verstoß gegen §§ 41 Abs. 3 Nr. 2 (Zeichen 294), 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO (a. Lorenz NZV 2015, 575).

 

☆ In diesem Zusammenhang kann das von dem Rotlichtverstoß gefertigte Foto von Bedeutung sein. Fertigt eine ggf. eingesetzte Rotlichtüberwachungskamera nämlich nur ein Foto von dem Rotlichtverstoß an, wird i.d.R. das Überfahren der Haltelinie fotografisch festgehalten. Der Tatrichter kann dann die Einlassung des Betroffenen, er habe vor dem eigentlichen Schutzbereich angehalten, nur schwer widerlegen.Rotlichtüberwachungskamera nämlich nur ein Foto von dem Rotlichtverstoß an, wird i.d.R. das Überfahren der Haltelinie fotografisch festgehalten. Der Tatrichter kann dann die Einlassung des Betroffenen, er habe vor dem eigentlichen Schutzbereich angehalten, nur schwer widerlegen.

 

Rdn 3337

3. Ob es sich beim sog. Spurwechsel um einen Rotlichtverstoß handelt, war lange Zeit unter den OLG umstritten. Diese vertraten teilweise die Auffassung, dass bei einer Ampelanlage mit unterschiedlichen Lichtzeichen für Geradeaus- und Abbiegeverkehr ein Rotlichtverstoß dann nicht vorliegt, wenn der Betroffene zwar in der durch Rot gesperrten Spur die LZA passierte, dann aber auf eine durch Grün frei geschaltete andere Spur wechselte und dort weiterfuhr (dazu u.a. der Vorlagebeschluss des OLG Hamm in NZV 1997, 86 [Ls.] = VRS 93, 210 m.w.N.; a.A. u.a. OLG Köln VRS 56, 472). Der BGH vertritt die andere Ansicht. Nach seiner Auffassung liegt ein Rotlichtverstoß bereits dann vor, wenn der Kraftfahrer auch nur ein kurzes Stück auf der durch Rotlicht gesperrten Spur fährt (BGHSt 43, 285 = NJW 1998, 617; s. auch BayObLG DAR 2002, 77; 2002, 173; KG VRS 117, 168; OLG Rostock, Beschl. v. 24.1.2024 – 21 ORbs 6/24). Entsprechendes gilt dann, wenn der Betroffene auf einer mit einem Linksabbiegerpfeil versehenen Fahrspur bei Grün in eine Kreuzung eingefahren ist, diese dann aber geradeaus fahrend passiert hat, obwohl das für Geradeausfahrer geltende Lichtzeichen beim Erreichen der Haltelinie Rotlicht zeigte (OLG Hamm NZV 1998, 255 = DAR 1998, 244 = VRS 95, 134; VRR 2005, 391; Beschl. v. 15.8.2013 – 3 RBs 74/13; OLG Köln VRR 11/2015, 12 = NStZ-RR 2015, 253 = NZV 2016, 192 = zfs 2015, 229; ähnl. OLG Zweibrücken NZV 1997, 324). Entsprechendes gilt für das Überfahren der Haltelinie auf einer mit rote, Licht gesperrten Abbiegespur, wenn danach nicht abgebogen wird, sondern in den Kreuzungsbereich ein – und geradeaus weitergefahren wird (OLG Brandenburg, Beschl. v. 14.4.2022 – 2 OLG 53 Ss-OWi 462/1, NZV 2022, 537). Auch der Fahrzeugführer, der auf einer Rechtsabbiegerspur bei Rotlicht (schwarzer Pfeil nach rechts) in den Kreuzungs- bzw. den Einmündungsbereich einfährt, begeht einen Rotlichtverstoß, wenn er nicht nach rechts abbiegen will, sondern die Rechtsabbiegerspur nur zum Überholen eines auf der Geradeausspur, für die der Verkehr freigegeben ist, fahrenden Fahrzeugs benutzt und anschlie...

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