Leitsatz
1. Der Erlass einer Räumungsverfügung scheidet aus, wenn der Berechtigte seinen Anspruch ohne Rechtsnachteil auch im regulären Verfahren durchsetzen kann. Als Nachteil sind nur solche Umstände zu berücksichtigen, die einen Bezug zur Durchsetzung des Herausgabeanspruchs haben. Sonstige Vermögensnachteile, wie der Verlust von Mieteinnahmen und dergleichen, genügen nicht.
2. Dies gilt auch dann, wenn der Eigentümer infolge einer besonderen wirtschaftlichen Notlage auf die sofortige Herausgabe der Räume angewiesen ist.
3. Ausnahmsweise ist eine Räumungsverfügung ohne Verfügungsgrund zulässig, wenn der Besitzer den Besitz durch verbotene Eigenmacht erlangt hat. Hierzu reicht es nicht aus, wenn der Mieter die Mietsache ohne Erlaubnis des Vermieters untervermietet hat.
(Leitsätze der Redaktion)
Normenkette
BGB § 861; ZPO §§ 935, 940
Kommentar
Die Eigentümerin schloss im Jahr 2004 mit einer X-GmbH einen auf fünf Jahre befristeten Mietvertrag über Räume zum Betrieb eines Einzelhandelsgeschäfts zu einer monatlichen Miete von ca. 9.000 EUR. Die Mieterin hat die Mietzahlungen ab September 2008 eingestellt. Die gemieteten Räume hat sie ohne Erlaubnis der Eigentümerin untervermietet. Mit Schreiben vom 17.12.2008 hat die Eigentümerin das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs fristlos gekündigt. Weiterhin hat die Eigentümerin die Untermieterin zur Räumung aufgefordert. Diese weigert sich, die Mietsache herauszugeben. Aus diesem Grund beantragt die Eigentümerin, die Untermieterin durch einstweilige Verfügung zur Herausgabe zu verpflichten.
Der Antrag hatte keinen Erfolg: Der Erlass einer sog. "Räumungsverfügung" setzt einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund voraus. Der Verfügungsanspruch war vorliegend unproblematisch: Durch die fristlose Kündigung wurde das Hauptmietverhältnis beendet. Aus diesem Grund ist auch der Untermieter zur Herausgabe verpflichtet (§ 546 Abs. 2 BGB).
1. Eine sog. "Sicherungsverfügung" nach § 935 BGB kommt in Betracht, "wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte". Der Erlass einer Sicherungsverfügung scheidet aus, wenn der Berechtigte seinen Anspruch ohne Rechtsnachteil auch im regulären Verfahren durchsetzen kann. Geht es um den Erlass einer Räumungsverfügung, so sind nur solche Nachteile zu berücksichtigen, die einen Bezug zur Durchsetzung des Herausgabeanspruchs haben. Sonstige Vermögensnachteile wie der Verlust von Mieteinnahmen und dergleichen genügen nicht.
2. Eine Regelungsverfügung nach § 940 ZPO kann zum Zwecke der "Regelung eines einstweiligen Zustands" erlassen werden. Voraussetzung ist, dass die Verfügung "zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint". Hier gilt der Grundsatz, dass durch den Erlass einer einstweiligen Verfügung kein endgültiger Zustand geschaffen werden darf. Deshalb scheidet eine Räumungsverfügung regelmäßig aus. Es sind aber Ausnahmen denkbar. So soll eine Regelungsverfügung möglich sein, wenn der Mieter oder Untermieter von der Mietsache einen vom Vertrag nicht gedeckten Gebrauch macht und die Sache aus diesem Grund gefährdet ist. Ein solcher Fall lag nicht vor.
In der Rechtsprechung ist streitig, ob es für eine Räumungsverfügung genügt, dass der Eigentümer infolge einer besonderen wirtschaftlichen Notlage auf die sofortige Herausgabe der Räume angewiesen ist. Die Eigentümerin hatte hierzu geltend gemacht, dass sie aus den Mieteinnahmen ihren Lebensunterhalt bestreite und deshalb auf die sofortige Herausgabe angewiesen sei. In der Rechtsprechung wird der Erlass einer Räumungsverfügung in einem solchen Fall teilweise bejaht (OLG Rostock, Urteil v. 3.5.2001, 1 U 233/00, NJ 2002, 210), teilweise verneint (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.6.2004, 24 W 36/04, NZM 2005, 180). Der Senat vertritt die letztgenannte Ansicht. Die einstweilige Verfügung diene nicht dem Vermögensschutz im Allgemeinen, sondern dem Schutz konkreter Ansprüche, hier des Herausgabeanspruchs.
3. Ausnahmsweise ist eine Räumungsverfügung ohne Verfügungsgrund zulässig, wenn der Besitzer den Besitz durch verbotene Eigenmacht erlangt hat (OLG Stuttgart, Urteil v. 19.1.1996, 2 U 164/95, NJW-RR 1996, 1516). Hierzu reicht es aber nicht aus, wenn der Mieter die Mietsache ohne Erlaubnis des Vermieters untervermietet, weil verbotene Eigenmacht nur gegen den unmittelbaren Besitzer verübt werden kann (BGH, Urteil v. 6.7.1977, VIII ZR 277/75, NJW 1977, 1818). Im Verhältnis zum Mieter oder Untermieter ist der Vermieter aber nur mittelbarer Besitzer.
Link zur Entscheidung
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26.02.2009, I-10 W 14/09OLG Düsseldorf, Beschluss v. 26.2.2009, I-10 W 14/09, ZMR 2009, 444 m. Anm. Theesfeld, jurisPR-MietR 14/2009 Anm. 6