Normenkette
§ 138 BGB, § 43 WoEigG
Kommentar
1. Der Bundesgerichtshof hatte über folgenden Fall zu entscheiden:
Ein Wohnungseigentümer schloss mit Wirkung ab Februar 1988 eine Rechtsschutzversicherung für sein Wohnungseigentum ab. Im Januar und Februar 1991 beschloss seine Eigentümergemeinschaft, mehreren anderen Miteigentümern wegen rückständiger Zahlungen von Wohngeld und Sonderumlagen das Wohnungseigentum zu entziehen und dem rechtsschutzversicherten Wohnungseigentümer Klagebefugnis für die Entziehungsverfahren zu erteilen. Die Rückstände resultierten aus Wohngeld- und Sonderumlagenbeschlüssen, die in einer Eigentümerversammlung im Oktober 1990 gefasst worden waren.
Die Rechtsschutzversicherung lehnte die Erteilung einer Deckungszusage aus zwei Gründen ab:
Einerseits liege ein vorvertraglicher Versicherungsfall vor, weil schon die Nichtzahlung von Wohngeld und Sonderumlagen den Rechtsschutzfall auslöse und dieser Pflichtenversstoß der von der Entziehung bedrohten Wohnungseigentümer vor dem Februar 1988 gelegen habe. Andererseits sei der Rechtsschutz-Versicherungsvertrag aber auch sittenwidrig. Der Wohnungseigentümer habe schon bei Abschluss des Versicherungsvertrages in der Absicht gehandelt, mit seinem geringen Miteigentumsanteil und der daraus folgenden geringen Versicherungsprämie auch Versicherungsschutz für andere Wohnungseigentümer (die vom Wohnungseigentümer beherrschten Unternehmungen) zu erlangen.
2.a) Das Sittenwidrigkeits-Argument ist etwas Neues im erfinderischen Abwehrverhalten von Rechtsschutzversicherern. Der BGH führt hierzu aus, der Versicherungsvertrag biete keinerlei Anhaltspunkt für eine Sittenwidrigkeit. Eine Sittenwidrigkeit wegen der Absichten, die mit dem Abschluss des Vertrages verfolgt würden, komme vorliegend nicht in Betracht. "Absichten und von einer Partei verfolgter Zweck" könnten nur dann als Sittenwidrigkeitsgründe Bedeutung haben, "wenn gerade das Rechtsgeschäft der einen Partei auch das Mittel in die Hand gibt, die zu missbilligendne Absichten und Zwecke gegenüber der anderen, insoweit schutzlosen Partei durchzusetzen". Dem würden hier aber schon die dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden Bedingungen (ARB) entgegenwirken. Durch eine Vorschrift in der ARB (die die Versicherungsmöglichkeit von Wohnungseigentum vorsieht) sei schon von den Versicherern in Kauf genommen worden, dass ein einzelner Wohnungseigentümer faktisch auch Rechte anderer Wohnungseigentümer wahrnehmen könne. Diese Wahrnehmung beruhe auf "der Ausgestaltung des Wohnungseigentumsrechts und des Verfahrens in Wohnungseigentumssachen". Der Rechtsschutzversicherer sei auch nicht schutzlos dem Willen des Wohnungseigentümers ausgeliefert, wenn dieser zusammen mit den von ihm beherrschten Unternehmen "Beschlüsse ohne Rücksicht auf die Rechtslage fasse". Nach den ARB sei der Versicherer nur zur Deckung verpflichtet, wenn die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen notwendig ist, d.h., wenn sie "hinreichende Aussicht auf Erfolg (bietet) und nicht mutwillig erscheint", ansonsten könne der Rechtsschutzversicherer die Deckung aus diesem Grunde ablehnen.
2.b) Zum Einwand der Vorvertraglichkeit: Dieser Einwand ist gerade in Wohnungseigentumssachen beliebt, wenn auch - wie hier - in vielen Fällen unberechtigt.
Ein Rechtsschutzfall tritt ein, sobald der Versicherungsnehmer der Gegner oder ein Dritter begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen. Im vorliegenden Fall hat der BGH deutlich und zu Recht darauf hingewiesen, dass keine Vorvertraglichkeit voliegen könne, weil der Beschluss über die Wohngelder und Sonderumlagen erst im Oktober 1990 gefasst worden sei. Erst durch diesen Beschluss seien die Ansprüche der Gemeinschaft gegen die Wohnungseigentümer begründet worden. Ein Verstoß, der zum Rechtsschutzfall führt, könne deshalb erst nach dem Oktober 1990 vorgelegen haben, also lange nach dem Wirksamkeitszeitpunkt des Versicherungsvertrages (Februar 1988). Von der Rechtsschutzversicherung musste also Deckung erteilt werden.
3. Fazit: Mit der Entscheidung des BGH ist klargestellt, dass es bei Wohnungseigentumssachen regelmäßig auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung ankommt. Werden z. B. in einer Eigentümerversammlung im Januar 1995 die Jahresabrechnungen der Jahre 1985 bis 1994 beschlossen, so muss die Rechtschutzversicherung für ein Beschlussanfechtungsverfahren Deckung erteilen, wenn der Wohnungseigentümer vor dem Januar 1995 (und vor der so genannten "Wartefrist" von drei Monaten) einen Versicherungsvertrag abgeschlossen hat. Es ist nicht notwendig, dass der Versicherungsvertrag vor 1985 abgeschlossen wurde, denn vor der Beschlussfassung über die Jahre 1985 bis 1994 im Januar 1995 kann noch kein Verstoß gegen Rechtspflichten der übrigen Wohnungseigentümer vorgelegen haben. Erst in der Eigentümerversammlung können die Wohnungseigentümer gegen ihre Rechtspflicht verstoßen, wenn sie Jahresabrechnungen beschließen, die nicht "ordnungsgemäßer Verwaltung...