Leitsatz (amtlich)
Ein Vertrag über eine Rechtsschutzversicherung für Wohnungseigentum ist nicht schon deshalb sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB), weil er vom Versicherungsnehmer in der Absicht geschlossen worden ist, mit der Wahrnehmung individueller Rechte in Wohnungseigentumssachen faktisch auch für die Wahrnehmung der Rechte anderer, mit ihm verbundener Wohnungseigentümer zu sorgen.
Normenkette
BGB § 1381 Abs. 1
Verfahrensgang
KG Berlin (Urteil vom 22.04.1994) |
LG Berlin |
Tenor
Die Revision der Beklagten und die Anschlußrevision der Klägerin gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Kammergerichts Berlin vom 22. April 1994 werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Beklagte 5/8; die Klägerin trägt 3/8.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist – zu einem Miteigentumsanteil von 27/1000 am Grundstück – Wohnungseigentümerin in einer Eigentumswohnanlage in Berlin. Sie unterhält bei der Beklagten mit Wirkung vom 1. Februar 1988 eine auf das Wohnungseigentum bezogene Rechtsschutzversicherung, der die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB) zugrunde liegen. Die Parteien streiten darum, ob und in welchem Umfang die Beklagte der Klägerin in einer Wohnungseigentumssache (im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit) Versicherungsschutz zu gewähren hat.
Die Eigentümerversammlung der Wohnanlage beschloß am 23. Januar 1991 unter anderem, acht Wohnungseigentümern wegen rückständiger Zahlungen auf Wohngeld und Sonderumlagen das Wohnungseigentum zu entziehen (Tagesordnungspunkte 1 bis 8). Durch einen weiteren Beschluß wurde die Verwalterin angewiesen, eine rechtshängige Forderung gegen die Eigentümergemeinschaft wegen Hausreinigungskosten durch Zahlung vom Gemeinschaftskonto auszugleichen (Tagesordnungspunkt 11). In einer weiteren Eigentümerversammlung am 7. Februar 1991 wurden die Beschlüsse über die Entziehung des Wohnungseigentums in sieben Fällen erneut gefaßt (Tagesordnungspunkte 1 bis 7) und der Klägerin Klagebefugnis für die Entziehungsverfahren erteilt (Tagesordnungspunkt 8). Wegen der zu erwartenden Prozeßkosten und wegen des Ausgleichs der Forderung gemäß Tagesordnungspunkt 11 vom 23. Januar 1991 wurde schließlich die Erhebung einer Sonderumlage beschlossen (Tagesordnungspunkt 9).
Auf Antrag von drei von Entziehungsbeschlüssen betroffenen Wohnungseigentümern erklärte das Amtsgericht mit Beschluß vom 20. August 1991 die genannten Beschlüsse der Eigentümer Versammlungen – bis auf einen am 23. Januar 1991 gefaßten Entziehungsbeschluß gegen einen Wohnungseigentümer (Tagesordnungspunkt 5) – für ungültig. Die Klägerin legte – als in der Wohnungseigentumssache Beteiligte – gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde ein.
Den Antrag der Klägerin, ihr für das Beschwerdeverfahren Versicherungsschutz zu gewähren, lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, es handele sich um einen vorvertraglichen Versicherungsfall.
Auf die von der Klägerin daraufhin erhobene Feststellungsklage auf Gewährung von Versicherungsschutz hat die Beklagte zudem geltend gemacht, der Versicherungsvertrag sei wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Die Klägerin sei einer Gruppe von Unternehmen zuzurechnen, die vom Geschäftsführer der Klägerin beherrscht würden. Unternehmen der Gruppe und unter dem Einfluß des Geschäftsführers der Klägerin stehende – teilweise mit diesem verwandte – Einzelpersonen hielten die Mehrheitsanteile an der Wohnungseigentumsanlage. Die Klägerin habe schon bei Abschluß des Versicherungsvertrages in der Absicht gehandelt, mit ihrem geringen Miteigentumsanteil und zu einer deshalb niedrigen Versicherungsprämie Versicherungsschutz auch mit Wirkung für die vom Geschäftsführer der Klägerin beherrschte Mehrheitsgruppe der Wohnungseigentümer zu erlangen. Damit werde das dem Versicherungswesen zugrundeliegende Zufallsprinzip unterlaufen; es handele sich um eine Manipulation zu Lasten der Versichertengemeinschaft. Die Beklagte hat schließlich Versicherungsschutz mangels Erfolgsaussicht insoweit abgelehnt, als das Beschwerdeverfahren vier Beschlüsse auf Entziehung von Wohnungseigentum betreffe; die jeweiligen Eigentümer hätten ihre Wohnungen schon vor dem Zeitpunkt der Beschlußfassung verkauft.
Das Landgericht hat festgestellt, daß die Beklagte zur Gewährung von Versicherungsschutz für das Beschwerdeverfahren verpflichtet sei, soweit die Rechtsverfolgung der Klägerin nicht die Beschlüsse der Eigentümerversammlungen zur Entziehung des Wohnungseigentums der Eigentümer B. und Bu. (Tagesordnungspunkte 6 und 7 vom 23. Januar 1991 bzw. Tagesordnungspunkte 5 und 6 vom 7. Februar 1991), den Beschluß zu Tagesordnungspunkt 11 vom 23. Januar 1991 und den Beschluß zu Tagesordnungspunkt 9 vom 7. Februar 1991 betreffe. Die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil ist erfolglos geblieben. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht festgestellt, daß die Beklagte der Klägerin auch insoweit Versicherungsschutz zu gewähren habe, als die Rechtsverfolgung den Entziehungsbeschluß gegen den Eigentümer Bu. betreffe (Tagesordnungspunkt 7 vom 23. Januar 1991 bzw. 6 vom 7. Februar 1991); im übrigen blieb auch das Rechtsmittel der Klägerin ohne Erfolg.
Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte das Ziel der (vollständigen) Abweisung der Klage weiter; mit der Anschlußrevision begehrt die Klägerin weiterhin umfassenden Versicherungsschutz für das Beschwerdeverfahren.
Entscheidungsgründe
I.
Die Revision der Beklagten bleibt ohne Erfolg.
1. Sie wendet sich zunächst gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag sei nicht wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB) nichtig.
a) Das Berufungsgericht führt dazu aus: Das von der Beklagten befürchtete Vorschieben des versicherten Wohnungseigentümers mit einem nur geringen Miteigentumsanteil zum Nutzen einer Gruppe nicht versicherter Wohnungseigentümer komme dann nicht in Betracht, wenn der versicherte Wohnungseigentümer aufgrund einer Ermächtigung der anderen Wohnungseigentümer den Eigentümern in Gemeinschaftsgebundenheit zustehende (Verwaltungs-)Rechte geltend mache, zum Beispiel Ansprüche gegen einen der Wohnungseigentümer auf rückständiges Wohngeld oder das Recht auf Entziehung des Wohnungseigentums gemäß § 18 WEG. Denn der Versicherungsnehmer mache insoweit fremde, nur den Wohnungseigentümern gemeinsam zustehende Rechte geltend. Dabei könne offenbleiben, ob die durch Gemeinschaftsbeschluß erteilte Ermächtigung schon als Abtretung der Rechte der anderen anzusehen sei oder ob sie nur die Klagebefugnis im Sinne einer Prozeßstandschaft begründe. Versicherungsschutz komme in diesem Falle wegen der Ausschlußtatbestände in § 4 Abs. 2 Buchst. b, c ARB nicht in Betracht. Wenn der Versicherungsnehmer dagegen ein ihm individuell zustehendes Recht geltend mache und diese Rechtsausübung sich nur im Ergebnis zugunsten anderer oder aller Wohnungseigentümer auswirke, bestehe Versicherungsschutz, weil sich diese Auswirkung aus der gesetzlichen Gestaltung des Wohnungseigentums ergebe. Ein solcher Fall liege auch hier vor, weil die Klägerin sich gegen die Anfechtung von Beschlüssen der Wohnungseigentümergemeinschaft durch andere Wohnungseigentümer zur Wehr setze und damit ein ihr gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG individuell zustehendes Recht wahrnehme.
b) Die Revision greift zwar diese Erwägungen nicht im einzelnen an, meint jedoch, die Verneinung der Sittenwidrigkeit des Versicherungsvertrages beruhe auf einer isolierten Würdigung des zugrundeliegenden Versicherungsverhältnisses. Sie lasse den Vortrag der Beklagten zum wirtschaftlichen Hintergrund des Vertragsschlusses, zu den von der Klägerin dabei verfolgten Zielen ebenso außer Betracht wie den Zweck, dem das Rechtsgeschäft im Rahmen der Geschäftsstrategie der vom Geschäftsführer der Klägerin beherrschten Unternehmensgruppe diene.
Dieser Angriff bleibt ohne Erfolg.
c) Ein Rechtsgeschäft ist nur dann nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist (BGHZ 86, 82, 88; 107, 92, 97). Demgemäß sind nicht nur der objektive Inhalt des Rechtsgeschäfts zu berücksichtigen, sondern ebenso alle Umstände, die zum Abschluß des Rechtsgeschäfts geführt haben, die Absichten und Beweggründe, die die Parteien verfolgt haben, und die objektiven Verhältnisse, unter denen der Vertrag geschlossen worden ist (BGH. Urteil vom 1. Februar 1956 – IV ZR 249/55 – LM BGB § 138 (Cb) Nr. 6). Nach diesem Maßstab hat das Berufungsgericht die Sittenwidrigkeit des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages über eine Rechtsschutzversicherung zutreffend verneint.
d) Der Inhalt des zu den Bedingungen der Beklagten geschlossenen Versicherungsvertrages bietet für sich keinen Anhaltspunkt für die Annahme der Sittenwidrigkeit. Allerdings können auch solche Rechtsgeschäfte dann sittenwidrig sein, wenn durch sie Dritte gefährdet oder geschädigt werden oder sie in krassem Widerspruch zum Gemeinwohl stehen. Unter diesen Gesichtspunkten ist § 138 Abs. 1 BGB grundsätzlich jedoch nur dann anwendbar, wenn alle an dem Rechtsgeschäft Beteiligten sittenwidrig handeln (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 1989 – VIII ZR 310/88 – NJW 1990, 567 unter B I, 1, a, bb). Auch an dieser Voraussetzung fehlt es. Deshalb kommt es in diesem Zusammenhang auf das von der Beklagten behauptete Fernziel der Klägerin und der von ihrem Geschäftsführer beherrschten Unternehmen nicht an, andere gruppenfremde Wohnungseigentümer auch unter Inanspruchnahme der Rechtsschutzversicherung aus den Wohnungen zu drängen.
e) Ein Verstoß gegen die guten Sitten kann sich deshalb im vorliegenden Falle allenfalls aus den von der Klägerin bei Abschluß des Vertrages verfolgten Absichten, dem mit Abschluß der Rechtsschutzversicherung verfolgten Zweck ergeben. Absichten und von einer Partei verfolgter Zweck können aber als Grund für die Annahme der Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts nur dann Bedeutung erlangen, wenn gerade das Rechtsgeschäft der einen Partei auch das Mittel in die Hand gibt, die zu mißbilligenden Absichten und Zwecke gegenüber der anderen, insoweit schutzlosen Partei durchzusetzen. Deshalb kommt es auf die konkrete Ausgestaltung des Rechtsgeschäfts und insbesondere darauf an, ob nicht bereits die mit ihm vereinbarten Regelungen einer Durchsetzung zu mißbilligender Absichten und Zwecke entgegenwirken, dem Vertragspartner also Schutz bieten. Ist das der Fall, fehlt ein Grund, unter Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB der autonomen Rechtsgestaltung beim Abschluß von Verträgen Grenzen zu setzen. Demgemäß hat das Berufungsgericht zutreffend berücksichtigt, inwieweit bereits die dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden, von der Beklagten gestellten Bedingungen einer Inanspruchnahme von Versicherungsschutz unter zu mißbilligenden Absichten und Zwecken entgegenwirken.
aa) Nach der Behauptung der Beklagten hat die vom Geschäftsführer der Klägerin beherrschte Unternehmensgruppe beim Abschluß von Rechtsschutzversicherungen für Wohnungseigentum, also auch beim Vertragsschluß durch die Klägerin, in der Absicht jeweils eine Wohnung mit geringem Miteigentumsanteil und zu deshalb niedriger Prämie versichert, um über den Versicherungsnehmer die im Gruppeninteresse liegenden Rechtsstreitigkeiten unter Versicherungsschutz durchführen zu können. Erkennt man darin eine zu mißbilligende Absicht, wirken jedenfalls die dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden Bedingungen einer solchen Inanspruchnahme des Versicherers entgegen, mit der fremde rechtliche Interessen wahrgenommen werden sollen. Das Berufungsgericht weist zu Recht darauf hin, daß auch im Rahmen einer Rechtsschutzversicherung für Wohnungseigentum gemäß § 29 ARB die Ausschlußklauseln des § 4 Abs. 2 Buchst. b, c ARB Bedeutung erlangen können, wenn es entweder um die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem Versicherungsnehmer nach Eintritt des Versicherungsfalls übertragenen Ansprüchen oder aus Ansprüchen Dritter geht, die vom Versicherungsnehmer im eigenen Namen geltend gemacht werden. Diese Ausschlußklauseln hindern jedenfalls eine beliebige Wahrnehmung der rechtlichen Interessen anderer Wohnungseigentümer, ohne daß es hier darauf ankommt, die Reichweite der Ausschlußklauseln bezüglich der einzelnen Ansprüche aus dem Wohnungseigentum näher zu bestimmen. Zwar kann auch die Ausübung eigener Rechte des versicherten Wohnungseigentümers – wie das Berufungsgericht zutreffend aufzeigt – Auswirkungen zugleich auch zugunsten anderer, nicht versicherter Wohnungseigentümer haben. Diese in der Ausgestaltung des Wohnungseigentumsrechts und des Verfahrens in Wohnungseigentumssachen wurzelnde Möglichkeit, mit der Wahrnehmung des individuellen Rechts faktisch auch für die Wahrnehmung des Rechts eines anderen zu sorgen, hat die Beklagte mit § 29 Abs. 2 ARB hingenommen. Die bei Abschluß des Versicherungsvertrages bestehende Absicht, von dieser Möglichkeit auch im Interesse einer Gruppe Gebrauch zu machen, genügt deshalb nicht, um dem Vertrag den Charakter der Sittenwidrigkeit beizumessen. Das gilt insbesondere auch deshalb, weil noch weitere Klauseln des dem Vertrag zugrundeliegenden Bedingungswerks eine mißbräuchliche Inanspruchnahme des Versicherers verhindern können.
bb) Die Beklagte behauptet, die Strategie der Unternehmensgruppe ziele darauf ab, die Rechtsposition der in der Minderheit befindlichen Wohnungseigentümer zu schwächen und auf den Entzug des Wohnungseigentums hinzuwirken. Es liege auf der Hand, daß dies auch derart geschehen könne, daß die Mehrheitsgruppe der Wohnungseigentümer Beschlüsse ohne Rücksicht auf die Rechtslage fasse, die dann von den anderen Wohnungseigentümern angegriffen werden müßten. Dagegen könne sich das versicherte Gruppenmitglied ohne Kostenrisiko zur Wehr setzen und so versuchen, eine mit der Rechtslage nicht in Einklang stehende Geschäftspolitik durchzusetzen.
Diese Erwägungen lassen außer Betracht, daß gemäß § 1 Abs. 1 ARB der Versicherer für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers nur zu sorgen hat, soweit sie notwendig ist, das heißt, soweit sie hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. September 1987 – IVa ZR 76/86 – VersR 1987, 1186). Die Klausel kann also einer Inanspruchnahme des Versicherers jedenfalls in Fällen entgegenwirken, in denen „Beschlüsse ohne Rücksicht auf die Rechtslage” gefaßt werden und der versicherte Wohnungseigentümer Versicherungsschutz für deren rechtliche Verteidigung begehrt. In diesem Zusammenhang bleibt letztlich auch zu berücksichtigen, daß gemäß § 4 Abs. 2 Buchst. a ARB vom Versicherungsschutz zudem die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aufgrund von Versicherungsfällen ausgeschlossen ist, die der Versicherungsnehmer selbst vorsätzlich und rechtswidrig verursacht hat.
Vor dem Hintergrund dieser Ausgestaltung des Versicherungsvertrages kommt die Annahme seiner Sittenwidrigkeit selbst dann nicht in Betracht, wenn die Klägerin bei seinem Abschluß die von der Beklagten behaupteten Zwecke verfolgt haben sollte.
Die von der Revision in der mündlichen Verhandlung angesprochene rechtsmißbräuchliche Inanspruchnahme von Versicherungsschutz kommt hier ebenfalls nicht in Betracht.
2. Ohne Erfolg bekämpft die Revision auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, Versicherungsschutz sei – in dem der Klägerin zugesprochenen Umfang – auch nicht wegen Vorvertraglichkeit des Versicherungsfalls (§ 14 Abs. 3 ARB) ausgeschlossen.
a) Der Versicherungsfall gilt gemäß § 14 Abs. 3 ARB als eingetreten, sobald der Versicherungsnehmer, der Gegner oder ein Dritter begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen. Bei einer Reihe von sich wiederholenden Verstößen hat bereits der erste – behauptete – Verstoß, aus dem später – adäquat ursächlich – die Notwendigkeit kostenverursachenden Rechtsschutzes folgt, als der Versicherungsfall im Sinne des § 14 Abs. 3 ARB zu gelten. Mit der Regelung des § 14 Abs. 3 ARB soll erkennbar vermieden werden, daß die Rechtsschutzversicherung mit Kosten solcher Rechtskonflikte belastet wird, die bei Abschluß des Versicherungsvertrages bereits die erste Stufe der Gefahrverwirklichung erreicht haben, also gewissermaßen „vorprogrammiert” sind (Senatsurteile vom 20. Oktober 1982 – IVa ZR 48/81 – VersR 1983, 125 unter III; vom 14. März 1984 – IVa ZR 24/82 – VersR 1984, 530 unter I, 3).
b) Das Verfahren in der Wohnungseigentumssache, für dessen zweite Instanz die Klägerin Versicherungsschutz begehrt, betrifft – soweit hier relevant – die Frage der Gültigkeit von Beschlüssen der Wohnungseigentümer über die Entziehung von Wohnungseigentum gemäß § 18 WEG, die jeweils mit Wohngeld- und Sonderumlagenrückständen begründet worden sind. Deshalb vertritt die Revision die Auffassung, ein für den späteren Rechtskonflikt ursächlicher Verstoß im Sinne des § 14 Abs. 3 ARB sei schon in der Nichtzahlung von Wohngeld und Sonderumlage durch den später von einem Entziehungsbeschluß betroffenen Eigentümer zu sehen. Im vorliegenden Falle kann es jedoch auf sich beruhen, ob und unter welchen Umständen frühere Rückstände beim Wohngeld oder bei Zahlungen auf eine Sonderumlage für den Streit um die Gültigkeit eines Entziehungsbeschlusses der Eigentümerversammlung als Verstoß im Sinne des § 14 Abs. 3 ARB anzusehen sind. Denn selbst wenn man davon ausgeht, daß die Verletzung der Pflicht zur Tragung von Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 16 Abs. 2 WEG) durch den einzelnen Wohnungseigentümer den im Sinne des § 14 Abs. 3 ARB maßgeblichen Verstoß darstellt, ist dieser hier in versicherter Zeit erfolgt, der Versicherungsfall also in versicherter Zeit eingetreten.
Nach allgemeinem Grundsatz, der die Erhebung von Sonderumlagen einbezieht, werden Verbindlichkeiten jedes einzelnen Wohnungseigentümers im Rahmen der allgemeinen Beitragspflicht (§ 16 Abs. 2 WEG) gegenüber den anderen Wohnungseigentümern erst durch einen Beschluß der Gemeinschaft begründet (BGHZ 104, 197, 202 f.; 108, 44, 46; BGH, Beschluß vom 24. Februar 1994 – V ZB 43/93 – ZMR 1994, 271). Demgemäß setzt ein Verstoß des einzelnen Eigentümers gegen die Beitragspflicht aus § 16 Abs. 2 WEG einen solchen Beschluß der Gemeinschaft voraus. Dafür kommen hier aber nach dem Vortrag der Parteien nur die auf der Eigentümerversammlung vom 12. Oktober 1990 gefaßten Beschlüsse in Betracht, soweit diese Beitragspflichten der Eigentümer begründet haben. Nur auf rückständige Zahlungen auf die durch diese Beschlüsse konkretisierten Verpflichtungen der einzelnen Wohnungseigentümer gründen sich auch die später gefaßten Beschlüsse auf Entziehung des Wohnungseigentums. Ein Verstoß im Sinne des § 14 Abs. 3 ARB durch Nichtzahlung von Sonderumlagen und/oder Wohngeld kann daher erst nach der Beschlußfassung am 12. Oktober 1990, also in versicherter Zeit erfolgt sein.
II.
Auch die Anschlußrevision der Klägerin bleibt ohne Erfolg.
1. Das Berufungsgericht nimmt an, die Beklagte sei nicht verpflichtet, der Klägerin Versicherungsschutz zu gewähren, soweit diese mit der Beschwerde die Aufrechterhaltung der gegenüber dem Wohnungseigentümer B. gefaßten Entziehungsbeschlüsse (Tagesordnungspunkt 6 vom 23. Januar 1991 bzw. 5 vom 7. Februar 1991) erstrebe. Es erachtet die beabsichtigte Rechtsverfolgung für mutwillig (§ 1 Abs. 1 Satz 2 ARB), weil B. bei Begründung der Beschwerde nicht mehr Wohnungseigentümer gewesen sei. Die Anschlußrevision rügt, dies trage die Annahme der Mutwilligkeit schon deshalb nicht, weil die Eigentumsumschreibung erst nach Einlegung der Beschwerde erfolgt und eine spätere Rücknahme der Beschwerde weder erforderlich noch vernünftig gewesen sei.
Diese Rüge greift nicht durch.
Umfang und Ziel der im Beschwerdeverfahren beabsichtigten Rechtsverfolgung hat die Klägerin im vorliegenden Falle nicht bei Einlegung der Beschwerde, sondern erst mit dem Schriftsatz zu ihrer Begründung vom 25. März 1992 eingegrenzt und konkretisiert. Demgemäß konnte und war auch die Notwendigkeit der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen im Sinne des § 1 Abs. 1 ARB nach Maßgabe der Beschwerdebegründung zu beurteilen. Dementsprechend hat die Klägerin ihr Begehren auf Versicherungsschutz gegenüber der Beklagten auch auf die der Beklagten gleichzeitig vorgelegte Beschwerdebegründung gestützt. Kommt es aber für die Beurteilung der Notwendigkeit der Wahrnehmung rechtlicher Interessen darauf an, was die Klägerin zur Begründung der Beschwerde geltend gemacht hat, so hat diese Prüfung auch unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände zu erfolgen, die im Zeitpunkt der Begründung der Beschwerde gegeben waren. Deshalb hat das Berufungsgericht bei der Prüfung, ob sich die beabsichtigte Rechtsverfolgung als mutwillig darstellt, zu Recht berücksichtigt, daß B. bereits vor Begründung der Beschwerde nach Übertragung des Wohnungseigentums auf einen Dritten nicht mehr Wohnungseigentümer war. Daß die Klägerin auch bei Begründung der Beschwerde davon keine Kenntnis hatte, behauptet sie nicht.
Vor diesem Hintergrund konnte das Berufungsgericht eine Wahrnehmung von rechtlichen Interessen rechtsfehlerfrei für mutwillig erachten, die darauf abzielte, einen Beschluß gemäß § 18 WEG gegen einen Wohnungseigentümer aufrechtzuerhalten, der sein Wohnungseigentum bereits auf einen Dritten übertragen hatte, einen Beschluß also, der inzwischen gegenstandslos geworden war.
2. Das Berufungsgericht hat schließlich die beabsichtigte Rechtsverfolgung durch die Klägerin auch insoweit für mutwillig erachtet, als diese mit der Beschwerde die Aufrechterhaltung des Beschlusses vom 23. Januar 1991 zu Tagesordnungspunkt 11 und des damit verknüpften Beschlusses vom 7. Februar 1991 zu Tagesordnungspunkt 9 erstrebt hat. Auch insoweit enthält das Urteil keine Rechtsfehler.
Unterschriften
Dr. Schmitz, Dr. Zopfs, Dr. Ritter, Römer, Terno
Fundstellen
Haufe-Index 875193 |
BB 1995, 2288 |
NJW 1995, 2284 |
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