1 Leitsatz

Streiten die Parteien um das Bestehen eines "Sondernutzungsrechts" (= Sondernutzungsrechtsvereinbarung), so bemisst sich die Beschwer des Klägers, dessen Klage auf Feststellung des Bestehens bzw. auf Abschluss einer Sondernutzungsrechtsvereinbarung abgewiesen worden ist, nach der Wertsteigerung, die sein Wohnungseigentum bei Stattgabe der Klage erfährt. Gleiches gilt, wenn die Parteien zugleich um den Umfang des räumlichen Bereichs des Sondereigentums streiten.

2 Normenkette

§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO

3 Das Problem

Die Parteien streiten um das Bestehen und den Umfang einer Sondernutzungsrechtsvereinbarung an einer Terrasse. Fraglich ist, wie der Rechtsmittelstreitwert zu ermitteln ist.

4 Die Entscheidung

Streiten die Parteien um das Bestehen einer Sondernutzungsrechtsvereinbarung, bemesse sich die Beschwer des Klägers, dessen Klage auf Feststellung des Bestehens bzw. auf Abschluss einer Sondernutzungsrechtsvereinbarung abgewiesen worden sei, nach der Wertsteigerung, die sein Wohnungseigentum bei Stattgabe der Klage erfahre. Gleiches gelte, wenn die Parteien zugleich um den Umfang des räumlichen Bereichs des Sondereigentums stritten. Im Fall habe der Kläger mit einem im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vorgelegten Sachverständigengutachten glaubhaft gemacht, dass sein Wohnungseigentum bei Zuerkennung des Nutzungsrechts an der Terrasse einen Wertzuwachs in Höhe von 257.000 EUR habe. Der Kläger könne sich auf diese Beschwer berufen, obwohl sowohl AG als auch LG den Streitwert auf nur 10.000 EUR festgesetzt hätten. Zwar sei es einer Partei verwehrt, sich im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren auf der Grundlage neuen Vorbringens auf einen höheren, die erforderliche Rechtsmittelbeschwer erreichenden Streitwert der Klage zu berufen. Dies gelte aber nur dann, wenn die Partei die Streitwertfestsetzung in den Vorinstanzen nicht beanstandet und auch nicht glaubhaft gemacht habe, dass bereits in den Vorinstanzen vorgebrachte Umstände, die die Festsetzung eines höheren Streitwerts – und einer damit einhergehenden entsprechenden Beschwer – rechtfertigten, nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Dies habe der Kläger hier jedoch getan. Denn er habe bereits in der Klageschrift angegeben, dass sich der Wert seines Wohnungseigentums ohne das alleinige Nutzungsrecht an der Terrasse um 120.000 EUR verringern würde, und er habe diese Ansicht auch in der Berufungsbegründung weiter vertreten. Darüber hinaus habe sein Prozessbevollmächtigter gegen die vorinstanzlichen Streitwertfestsetzungen Beschwerde eingelegt. In der Sache sei die Nichtzulassungsbeschwerde allerdings unbegründet.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall streiten 2 Wohnungseigentümer, ob es eine Sondernutzungsrechtsvereinbarung gibt. Wenn ja, ist außerdem streitig, welchen Inhalt diese Vereinbarung hat. Die Verwaltungen können einen solchen Streit nicht entscheiden. Sie können zwar eine Meinung abgeben, wie die Gemeinschaftsordnung zu verstehen ist. Sie können aber keine verbindliche Klärung herbeiführen. Diese kann nur einem Gericht gelingen. Außerdem können die Streithähne einen Vergleich schließen. Dieser bindet aber nicht die anderen Wohnungseigentümer. Dass das Wohnungseigentum mit einer Terrasse um 250.000 EUR wertvoller ist, mag man im Übrigen kaum glauben.

Beschwer des Beklagten

Die Beschwer des Beklagten, der sich gegen die gerichtliche Feststellung des Bestehens einer Sondernutzungsrechtsvereinbarung wendet, richtet sich nach der Wertminderung, die sein Wohnungseigentum erfährt, wenn es bei dem Urteil bliebe.

Gebührenstreitwert

Der Gebührenstreitwert war gem. § 3 ZPO, §§ 47 Abs. 2, 48 Abs. 1 Satz 1, 71 Abs. 1 Satz 2 GKG i. V. m. § 49a GKG a. F. zu bemessen. Das einfache wirtschaftliche Interesse des Klägers an dem Erfolg der Klage war mit 257.000 EUR zu bewerten, das hälftiges Gesamtinteresse mit 133.500 EUR.

Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?

Kommt es bei der Verwaltung auf das Verständnis einer Vereinbarung an, ist die Vereinbarung aber unklar, kann sich die Verwaltung anweisen lassen, nach welcher Deutung sie verfahren soll. Eine Kompetenz, die Vereinbarung durch Beschluss auszulegen, soll es aber nicht geben.

6 Entscheidung

BGH, Beschluss v. 15.6.2023, V ZR 227/22

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