1 Leitsatz

Die hilfsweise Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts führt nicht zu einer Erhöhung der Beschwer um den Wert des geltend gemachten Zurückbehaltungsrechts.

2 Normenkette

§ 544 ZPO

3 Das Problem

Der Bauträger B errichtet eine Wohnungseigentumsanlage und veräußert sämtliche Wohnungseigentumsrechte. Nach Fertigstellung der Wohnungseigentumsanlage wird das gemeinschaftliche Eigentum am 15.11.2011 unter Vorbehalt verschiedener Mängel abgenommen. Am 18.10.2012 beschließen die Wohnungseigentümer, gegen B Gewährleistungsansprüche geltend zu machen. Ferner bestimmen sie, Rechtsanwalt X solle B zur Beseitigung der Mängel auffordern. Für den Fall, dass die Frist fruchtlos verstreicht, werden die Verwaltungsbeiräte gemeinsam mit dem Verwalter ermächtigt, mit X das weitere Vorgehen abzustimmen und gegebenenfalls namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K eine Klage auf Mängelbeseitigung bzw. Schadensersatz einzureichen.

So geschieht es. Mit der Klage verlangt K von B Ersatz für die Beseitigung des Mangels an einer feuchten, im Sondereigentum stehenden Kellerwand in Höhe von 10.545,58 EUR sowie einen Vorschuss zur Mängelbeseitigung in Höhe von 41.120 EUR. B erklärt hilfsweise die Aufrechnung mit einer Restkaufpreisforderung gegen 4 Wohnungseigentümer in Höhe von 12.610 EUR – zunächst gegen den Vorschussanspruch und nachrangig gegen den geltend gemachten Schadensersatzanspruch.

Das LG verurteilt B zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 10.545,58 EUR sowie zur Zahlung eines Vorschusses wegen verschiedener Mängel in Höhe von 15.990 EUR. Im Übrigen weist es die Klage ab. Die Hilfsaufrechnung sieht es wegen fehlender Gegenseitigkeit der Forderungen als unbeachtlich an. Auf die Berufung des B ändert das OLG das Urteil ab und verurteilt B unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen lediglich zur Zahlung eines Vorschusses in Höhe von 15.890 EUR wegen verschiedener Mängel. Die von B auch in zweiter Instanz geltend gemachte Hilfsaufrechnung lässt es ebenfalls nicht durchgreifen. Hiergegen wendet sich B mit der Nichtzulassungsbeschwerde, mit der er weiterhin die vollständige Abweisung der Klage, hilfsweise die Verurteilung Zug um Zug gegen Zahlung der Restkaufpreise in Höhe von 12.610 EUR erreichen möchte.

4 Die Entscheidung

Der BGH hält die Nichtzulassungsbeschwerde für unzulässig! Die Beschwer betrage nur 15.890 EUR. Die Hilfsaufrechnung in Höhe von 12.610 EUR, die eine Erhöhung des Streitwerts zur Folge hätte (Hinweis auf §§ 47, 45 Abs. 3 GKG), weil eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über sie ergangen sei (Hinweis u. a. auf OLG Düsseldorf, Beschluss v. 12.8.1996, 6 U 8/95, MDR 1996 S. 1299 und OLG Celle, Beschluss v. 1.11.1983, 5 W 28/83, AnwBl. 1984 S. 311), werde von B mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht weiterverfolgt.

Die Zurückweisung der Hilfsaufrechnung durch das Berufungsgericht mangels Gegenseitigkeit greife B in der Sache nicht an. Er berufe sich im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren hilfsweise vielmehr nur noch auf das geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht wegen des zugleich auch hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Gegenanspruchs gerichtet auf Zahlung der Restkaufpreise in Höhe von 12.610 EUR. Die hilfsweise Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts führe aber – anders als eine Hilfsaufrechnung (Hinweis auf § 322 Abs. 2 ZPO) – nicht zu einer Erhöhung der Beschwer um den Wert des geltend gemachten Zurückbehaltungsrechts (Hinweis auf BGH, Beschluss v. 16.4.1996, XI ZR 302/95, MDR 1996 S. 960, juris Rn. 5).

5 Hinweis

Problemüberblick

Macht der Beklagte hilfsweise die Aufrechnung mit einer bestrittenen Gegenforderung geltend, erhöht sich nach § 45 Abs. 3 GKG der Gebührenstreitwert um den Wert der Gegenforderung, soweit eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über sie ergeht. Im Fall geht es allerdings nicht um den Gebühren-, sondern um den Rechtsmittelstreitwert. Die zu § 45 Abs. 3 GKG entwickelten Rechtsgrundsätze gelten für die Berechnung des Rechtsmittelstreitwerts indes entsprechend

Zurückbehaltungsrecht

Wendet sich der Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde nur gegen die Erwägungen des Berufungsgerichts, mit denen es die Klageforderung für begründet gehalten hat, akzeptiert er zugleich die Zurückweisung der hilfsweise geltend gemachten Aufrechnung. Wird die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen, tritt dann, wie der BGH klärt, eine Erhöhung des Streitwerts nach § 45 Abs. 3 GKG nicht ein, weil in diesem Fall über die Hilfsaufrechnung keine Entscheidung ergeht. Für den umgekehrten Fall, dass der Beschwerde stattgegeben und in der Folge die Klage abgewiesen wird, entfällt zwar auch die Entscheidung über die Hilfsaufrechnung. Über die Hilfsaufrechnung wird aber auch in diesem Fall in der Revisionsinstanz nicht entschieden, weil diese Folge nur auf einem Reflex zur Entscheidung über die Klageforderung beruht. Die mit dem Rechtsmittel verfolgte Beschwer des Beklagten soll auch in diesem Fall der Höhe nach auf die Klageforderung beschränkt sein.

6 Entscheidung

BGH, Beschluss v. 26.1.2022, VII ZR 635/21

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