Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
- Abberufungsbeschluss eines Verwalters setzt faires Verfahren voraus (rechtliches Gehör !)
- Verwalter muss sich vor Beschlussfassung verteidigen können
- Allerdings: Kein Anspruch auf Entlastung
- Mehrheitliche Verweigerung der Entlastung des Verwalters als nicht anfechtbarer Nichtbeschluss
Normenkette
§ 26 WEG, § 28 WEG, § 43 Abs.1 Nr.4 WEG, § 256 ZPO
Kommentar
1. Ein hier verwalterseits angefochtener Abberufungsbeschluss wurde für ungültig erklärt, ohne die Frage eines hinreichenden Grundes für eine fristlose Beendigung der Verwaltertätigkeit überprüfen zu müssen. Entscheidend war, dass der Beschluss bereits aus formalen Gründen keinen Bestand haben konnte. Der Verwaltung als Antragstellerin wurde nämlich keine Gelegenheit gegeben, an der dem Beschluss über ihre Abberufung vorausgehenden Diskussion der Versammlung teilzunehmen oder sich wenigstens im unmittelbaren Anschluss an die in ihrer Abwesenheit geführte Diskussion noch vor einer Beschlussfassung Eigentümern gegenüber äußern zu können.
2. Das Amt des Verwalters ist mit originären Rechten ausgestattet, in die nicht willkürlich eingegriffen werden kann. Dies bedeutet, dass ein Abberufungsbeschluss ein faires Verfahren voraussetzt, welches auch die schutzwürdigen Interessen des Verwalters hinreichend berücksichtigt. Die für den (prozessualen) Grundsatz des rechtlichen Gehörs zu beachtenden Maßstäbe sind dabei entsprechend heranzuziehen. Eine Beschlussfassung - wie hier - , ohne dabei der betroffenen Verwaltung die Möglichkeit zu eröffnen, ihre eigene Rechtsposition in der Versammlung darzustellen, widerspricht elementaren Voraussetzungen eines gebotenen fairen Verfahrens. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Verwaltung berechtigt war, die von ihr gehaltenen Vollmachtsstimmen in die Abstimmung einzubringen und ob diese Stimmen Einfluss auf das Abstimmungsergebnis gehabt hätten. Freiwillig hatte hier die Verwaltung nicht auf ihre Teilnahme an der Diskussion und auf die Darstellung der eigenen Rechtsposition verzichtet, was auch gegnerseits nicht behauptet wurde. In dem Verhalten der Vertreter der Verwaltung (Antragstellerin), die dem Wunsch des Beirats, vor der Diskussion des entsprechenden Tagesordnungspunktes den Versammlungsraum zu verlassen, offenbar widerspruchslos Folge leisteten, kann auch ein solches Einverständnis nicht gesehen werden.
3. Die Anfechtung einer verweigerten Verwalterentlastung ist als entsprechender Feststellungsantrag nach § 256 ZPO auszulegen; für einen solchen Anspruch auf Entlastung ergibt sich allerdings kein rechtliches Interesse, da sich der Anspruch weder aus dem Gesetz noch aus sonstigen Rechtsgründen (etwa dem Verwaltervertrag) ergibt. Die Verwalterstellung als solche zieht keinen Entlastungsanspruch nach sich (h.R.M.). Dieser Auffassung ist schon deshalb der Vorzug zu geben, weil die rechtlichen Auswirkungen der Entlastung im Einzelnen streitig und auch bei vertraglicher Absicherung häufig nur durch Auslegung zu definieren sind.
4. Ein abgelehnter Antrag als sog. Nichtbeschluss hat auch auf das Rechtsverhältnis zwischen Verwaltung und Wohnungseigentümergemeinschaft keinen Einfluss. Eine Verwaltung ist deshalb darauf zu verweisen, sich, ggf. durch Feststellungsantrag gegen konkrete Behauptungen der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Wehr zu setzen. Auch die Entscheidung des BayObLG (WE 99, 144) steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Im vorliegenden Fall geht es nicht darum, dass der Verwaltung lediglich aus formalen Gründen die Entlastung verweigert worden ist, obgleich die von ihr vorgelegten Abrechnungen und Pläne genehmigt worden sind; Tatsache ist vielmehr, dass ihr von der Gemeinschaft, wie es sich aus dem Vorbringen während des Rechtsstreits ergibt, in vielfältiger Weise Pflichtverletzungen vorgeworfen werden.
5. Die in Antragsgegnerschaft stehenden Eigentümer wurden in die Gerichtskosten verurteilt. Ein außergerichtlicher Kostenerstattungsanspruch wurde nicht verfügt.
Link zur Entscheidung
( AG Böblingen, Beschluss vom 17.12.1999, 22 WEG 64/99, mitgeteilt von GVG siwog GmbH & Co.KG, Sindelfingen)
Zu Gruppe 4
1. Ein hier verwalterseits angefochtener Abberufungsbeschluss wurde für ungültig erklärt, ohne die Frage eines hinreichenden Grundes für eine fristlose Beendigung der Verwaltertätigkeit überprüfen zu müssen. Entscheidend war, dass der Beschluss bereits aus formalen Gründen keinen Bestand haben konnte. Der Verwaltung als Antragstellerin wurde nämlich keine Gelegenheit gegeben, an der dem Beschluss über ihre Abberufung vorausgehenden Diskussion der Versammlung teilzunehmen oder sich wenigstens im unmittelbaren Anschluss an die in ihrer Abwesenheit geführte Diskussion noch vor einer Beschlussfassung Eigentümern gegenüber äußern zu können.