Leitsatz
Das FamG hatte der Kindesmutter im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihren Sohn vorläufig entzogen und seine Entscheidung damit begründet, dass im Hinblick auf die psychische Erkrankung der Kindesmutter ein dringendes Regelungsbedürfnis für eine vorläufige Maßnahme im Rahmen einer einstweiligen Anordnung bestehe, da derzeit anders einer drohenden Kindeswohlgefährdung nicht begegnet werden könne.
Die hiergegen von der Kindesmutter eingelegte Beschwerde blieb ohne Erfolg.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG folgte der Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts, das zu Recht der Antragsgegnerin gemäß §§ 1666, 1666a BGB, 151 Nr. 1, 156 Abs. 3, 57 S. 2 Nr. 1 FamFG im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihren Sohn vorläufig entzogen habe. Das Gericht habe im Rahmen der getroffenen einstweiligen Anordnung die durch Art. 6 GG gesetzten Grenzen nicht überschritten.
Auch das OLG vertrat die Auffassung, dass ein dringendes Regelungsbedürfnis für eine vorläufige Maßnahme im Rahmen einer einstweiligen Anordnung bestehe. Nach dem derzeitigen Verfahrensstand könne eine Kindeswohlgefährdung nicht ausgeschlossen werden. Dabei sei die Vorgeschichte zu berücksichtigen, die zur Einleitung dieses Verfahrens geführt habe. Die Kindesmutter werde seit mehreren Jahren durch die Abteilung Jugend und Familie des Jugendamtes betreut. Die ambulante Betreuung der bei Beginn noch minderjährigen Kindesmutter habe Ende 2005 begonnen. Sie stamme aus einem problematischen Elternhaus, in dem sie selbst Opfer häuslicher Gewalt geworden sei. Aufgrund dessen sei die Kindesmutter mehrmals auf eigenen Wunsch in Obhut genommen worden. Von zu Hause habe sie sich mehrfach absentiert. Anfang Februar 2008 sei die Antragsgegnerin aufgrund von wiederholten Suizidandrohungen und anschließendem Weglaufen aus der Heimunterbringung mit Beschluss des Gerichts geschlossen für drei Wochen untergebracht worden. Kurz darauf sei eine geschlossene Unterbringung erfolgt. Sie habe seinerzeit unter einer akuten Belastungssituation gelitten. Diagnostiziert worden sei zudem eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung impulsiven Typs. Im März 2008 sei die Antragsgegnerin erneut nach richterlichem Beschluss zu ihrem eigenen Wohle nach erneuten Suizidabsichten für einen Monat geschlossen untergebracht worden. Die Einrichtung habe die Empfehlung ausgesprochen, die Kindesmutter in eine Intensivwohngruppe mit therapeutischer Anbindung unterzubringen, da sie während der Unterbringung ein auffälliges psychiatrisches Verhalten mit zunehmender Steigerung gezeigt habe.
Im Hinblick auf die psychische Auffälligkeit der Kindesmutter sei mehrmals vergeblich versucht worden, Kontakt mit der zuständigen Therapeutin der Kinder- und Jugendpsychiatrie aufzunehmen, um eine fachliche Stellungnahme zu erhalten, inwiefern sich die psychische Erkrankung der Kindesmutter mit ihrer Erziehungsfähigkeit vereinbaren lasse. Eine solche Stellungnahme liege bis heute nicht vor.
Die vorliegende Entwicklung zeige jedoch, dass die Kindesmutter derzeit mit ihrer Situation als junge Mutter völlig überfordert erscheine. Außerhalb der Mutter-Kind-Einrichtung sei eine gefahrfreie Betreuung des Kindes in keiner Weise gewährleistet. Insbesondere könne die Kindesmutter wegen der eigenen ambivalenten Mutter-Tochter-Beziehung nicht ins Elternhaus zurückkehren. So habe die Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass es hier zu heftigen Auseinandersetzungen komme und solche weiter zu befürchten seien.
Die derzeitige psychische Situation der Kindesmutter könne auch nicht als so stabil angesehen werden, dass sie einsehe, dass derzeit eine kindeswohldienliche Betreuung durch sie nur in einer Mutter-Kind-Einrichtung möglich sei. Mit der gefundenen vorläufigen Regelung werde in ausreichendem Maße das aus Art. 6 GG geschützte Elternrecht berücksichtigt. Es solle gerade eine Trennung des Kindes von der Kindesmutter verhindert werden. So erfordere es, die strikte Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit möglichst eine Trennung des Kindes von der Familie zu vermeiden. Es gehöre nicht zum staatlichen Wächteramt, für eine den Fähigkeiten des Kindes bestmögliche Förderung zu sorgen. Vielmehr seien die Eltern und deren sozioökonomischen Verhältnisse grundsätzlich Teil des Schicksals und Lebensrisikos eines Kindes.
Aufgrund der gesamten Persönlichkeitsstruktur der Kindesmutter sei derzeit eine eher negative Gefährdungsprognose aufzustellen. Eine Nichttrennung des Kindes von der Kindesmutter könne von daher nur befürwortet werden, wenn dem Jugendamt die Möglichkeit belassen werde, bei Bestehen einer Kindeswohlgefährdung das Kind woanders unterbringen zu können.
Link zur Entscheidung
OLG Köln, Beschluss vom 01.04.2010, 4 UF 59/10