Leitsatz
Die Flexibilisierung der Altersgrenzen hat dazu geführt, dass immer mehr Versorgungen den vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand ermöglichen und für die damit verbundene Verlängerung der Rentendauer einen Rentenabschlag berechnen. Der Gesetzgeber hat in § 1587a Abs. 2 Nr. 2 BGB angeordnet, dass dieser Abschlag bei der gesetzlichen Rente unberücksichtigt bleibt. Der BGH hat diese Vorschrift verfassungskonform dahingehend eingeschränkt, dass nur die auf die Zeit nach Ehezeitende entfallende Kürzung unberücksichtigt bleibe. Bislang gab es keine Entscheidung des BGH zur Anwendung dieser Rechtsprechung auf andere Anrechte. Erstmalig in dieser Entscheidung hat der BGH sich mit dieser Frage auseinandersetzen müssen.
Sachverhalt
Die am 18.2.1966 geschlossene Ehe der Parteien wurde aufgrund eines am 16.9.1996 zugestellten Antrages durch Urteil des FamG vom 14.3.1997 geschieden. Im Rahmen des Versorgungsausgleichs wurden beiderseitige gesetzliche Rentenanwartschaften der Parteien sowie eine Anwartschaft des Ehemannes aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, umgewertet in eine volldynamische Versorgung von monatlich 129,52 DM, ausgeglichen. Der Ehemann war zum 31.8.1996 aus dem öffentlichen Dienst ausgeschieden und seitdem beitragsfrei versichert. Mit der Strukturreform der Zusatzversorgung wurde seine Versorgungsanwartschaft zum 1.1.02 als sog. Startgutschrift auf das neue Recht übergeleitet.
Seit März 2002 erhielt der Ehemann mit Vollendung des 60. Lebensjahres vorgezogene Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, die jeweils im Hinblick auf den vorgezogenen Rentenbeginn um einen prozentualen Abschlag gekürzt wurden. Auf Antrag der VBL - den Zusatzversorgungsträger - wurde die Entscheidung über den Versorgungsausgleich nach § 10a VAHRG abgeändert. Dabei ging das OLG von der fiktiven Rente aus, die der Ehemann im Zeitpunkt der Abänderungsentscheidung ohne den auf vorzeitiger Inanspruchnahme beruhenden Abschlag erhalten hätte und rechnete diesen Betrag im Verhältnis des bei Ehezeitende und des im Zeitpunkt der Entscheidung geltenden aktuellen Rentenwerts der gesetzlichen Rentenversicherung auf das Ehezeitende zurück. Damit errechnete das OLG einen ehezeitlichen Wert des Anrechts von monatlich 197,23 EUR. Das Anrecht wurde im Abänderungsverfahren als volldynamisch behandelt.
Gegen die Entscheidung des OLG richtete sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der VBL, mit der sie sich gegen die Bewertung des bei ihr bestehenden Anrechts im Abänderungsverfahren als insgesamt volldynamisch wandte.
Das Rechtsmittel hatte in der Sache Erfolg.
Entscheidung
Der BGH hat seine für die gesetzliche Rentenversicherung gefundene Lösung auf alle Versorgungen anwendbar erklärt. Danach wird der Abschlag wegen vorzeitiger Inanspruchnahme aufgeteilt in einen Teil, der der Ehezeit anzulasten ist, und einen anderen Teil, der auf die Zeit danach entfällt. Obgleich insoweit eine fiktive Berechnung erfolgt, bleibt die tatsächlich gezahlte Rente Ausgangspunkt für die Bewertung des Anrechts, das auf das Ehezeitende zurückzurechnen ist.
Hat sich das Anrecht bis zum Zeitpunkt der Abänderung volldynamisch entwickelt, wird es mit den zwischenzeitlichen Anpassungen zurückgerechnet und ohne Umrechnung in die Bilanz eingesetzt. Anderenfalls wird der tatsächliche Wert mit Hilfe der BarwertVO in einen dynamischen Wert bei Ehezeitende zurückgerechnet.
Hinweis
Die Entscheidung des BGH ist noch zu dem bis zum 1.9.2009 geltenden Recht ergangen. Dieses Recht bleibt weiterhin anwendbar, wenn das Verfahren über den VA bzw. das Scheidungsverfahren, in dessen Verbund über den Versorgungsausgleich entschieden wird, vor dem 1.9.2009 eingeleitet worden ist. Eine Überleitung in das neue Recht findet nur statt für Verfahren, die aus dem Verbund abgetrennt oder ausgesetzt worden sind oder ruhen. Erst mit dem 1.9.2010 ist in allen dann noch anhängigen VA-Verfahren neues Recht anzuwenden gemäß § 48 Abs. 3 VersAusglG.
Das VersAusglG schweigt zu der Frage, wie sich der Versorgungsabschlag wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Versorgung auf den Ausgleich auswirkt.
Link zur Entscheidung
BGH, Beschluss vom 29.04.2009, XII ZB 182/07