Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Normenkette
§ 14 Nr. 4 WEG, § 43 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1 WEG, § 45 Abs. 2 WEG, § 242 BGB, § 27 S. 2 FGG, § 550 ZPO, § 551 Nr. 5 ZPO
Kommentar
1. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Wohnungseigentümer verpflichtet sein kann, die in seinem Bad eingezogene Zwischendecke teilweise zu entfernen und dem Eigentümer der darüberliegenden Wohnung Reparaturarbeiten an dem Geruchsverschluss (Siphon) im Abflusssystem dessen Badewanne zu gestatten, der sich an der Decke seines (des darunterliegenden) Bades befindet, bedarf neuerlicher tatsächlicher Feststellungen durch das Erstbeschwerdegericht (deshalb Zurückverweisung des Streits an das Landgericht). § 14 WEG konkretisiert nur die aus der Gemeinschaft entspringenden Schutz- und Treuepflichten der Wohnungseigentümer untereinander, die ihre allgemeine Grundlage wiederum in § 242 BGB (Treu und Glauben) haben. Aber auch aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Eigentümer können sich Ansprüche untereinander ergeben, d. h. also auch, soweit das Gesetz keine ausdrückliche Anspruchsgrundlage geschaffen hat. Grundlage für solche Ansprüche ist wiederum § 242 BGB (im Fall anzunehmender gegenseitiger Treupflicht; vgl. zuletzt auch KG Berlin, NJW - RR 1989, 696/697).
Der Unterliegereigentümer dürfte zur teilweisen Entfernung der Zwischendecke in seinem Bad nur dann verpflichtet sein, wenn dies zur Behebung einer noch bestehenden Verstopfung des Badewannenabflusses erforderlich ist und diesem bei Abwägung aller Umstände und möglicher technischer Lösungen der Eingriff in sein Sondereigentumzugemutet werden kann. Ergibt allerdings neuerliche technisch Begutachtung, dass zur richtigen und dauerhaften Behebung eines Abflussmangels ein Siphon aus der Decke herausgebrochen werden muss, was auch von oben geschehen könne, dürfte ein Eingriff in anderes Sondereigentum nicht gestattet sein. Ob sich die Sanierung dauerhaft von oben verwirklichen lässt, muss durch neuerliche Anhörung des Sachverständigen geklärt werden. Auch wirtschaftliche Überlegungen einer geringeren Belastung anderen Eigentums sind neuerlich zu klären. Kostenbeteiligungen eines Unterliegers würden sich nur dann rechtfertigen lassen, wenn dieser Unterliegereigentümer in Kenntnis der baulichen Verhältnisse und der sich daraus u. U. ergebenden Folgen seine Zwischendecke im eigenen Bad einziehen ließ und so den Zugang zu dem Siphon erst einmal erschwerte.
2. An einem Verfahren, das die Rechte und Pflichten zweier Wohnungseigentümer untereinander zum Gegenstand hat, sind grundsätzlich auch alle übrigen Wohnungseigentümer zu beteiligen. Dies ist hier im vorliegenden Fall nicht geschehen. Offen bleibt insoweit, ob etwas anderes gilt, wenn die übrigen Eigentümer von dem Verfahrensgegenstand (z. B. bei einer typisch nachbarrechtlichen Streitigkeit) überhaupt nicht berührt werden. Im vorliegenden Fall ergibt sich die Notwendigkeit der Beteiligung auch der anderen Eigentümer aus § 45 Abs. 2 S. 2 WEG, wonach eine gerichtliche Entscheidung für und gegen alle Wohnungseigentümer wirkt. Die Beteiligung ist außerdem ein Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs und der Sachaufklärung nach § 12 FGG (BayObLG, WuM 1988, 191 und 1989, 37). Erforderlich wäre in diesem Verfahren mindestens gewesen, dass den restlichen Eigentümern über den Verwalter als Zustellungsvertreter die Beschwerdeschrift und die Ladung zur mündlichen Verhandlung mitgeteilt sowie die abschließende Entscheidung zugestellt worden wäre. Formlose Informationen entsprechen bei dieser Sachlage nicht den formellen Mindestanforderungen an die Beteiligung der übrigen Wohnungseigentümer. Im vorliegenden Fall sind auch die Interessen aller Eigentümer dadurch betroffen, dass Reparaturen oder Renovierungsarbeiten der hier in Rede stehenden Art möglicherweise Eingriffe in das gemeinschaftliche Eigentum, nämlich in die Trenndecke zwischen den Wohnungen, erfordern. Ausnahmen bei eindeutigen, klar abzugrenzenden Fallgruppen sind nach wie vor möglich; ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor, weshalb schon aus diesem Grund die landgerichtliche Entscheidung aufzuheben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung zurückzuweisen war.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 09.11.1989, BReg 2 Z 51/89)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer