Leitsatz (amtlich)
1. Das Vorstandsmitglied, das für sich einen neuen Anstellungsvertrag mit der durch den Aufsichtsrat vertretenen Aktiengesellschaft abschließt, haftet für eine hierbei etwa vorkommende Verletzung seiner Treupflicht (§ 70 Abs. 1 AktG.) in gleicher Weise wie für Handlungen eigener Geschäftsführung nach § 84 AktG. Auch die Bestimmungen des § 122 AktG. über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen den Vorstand aus dessen Geschäftsführung finden insoweit entsprechende Anwendung.
2. Eine Bestimmung des Anstellungsvertrages, durch die dem Vorstande versprochen wird, daß Gewinnbeträge, die zur Bildung freier Rücklagen verwandt werden, bei der Berechnung seiner nach dem Jahresgewinn bemessenen Gewinnbeteiligung nicht abgesetzt werden sollen und daß der Aufsichtsrat bei Bildung freier Rücklagen entsprechend beschließen werde, ist mit § 77 Abs. 2 AktG. unvereinbar und deshalb nichtig.
3. Die Zusage einer Gewinnbeteiligung an den Vorstand in der Form eines „veränderlichen Teils des festen Gehalts” ist nichts anderes als die Zusage einer gewöhnlichen Tantieme und unterliegt deshalb den Beschränkungen des § 77 AktG. ebenso wie etwaige Satzungsbestimmungen über die Beteiligung des Vorstandes am Reingewinn. Grundsätzlich zulässig und von den Beschränkungen des § 77 AktG. unabhängig ist jedoch die Vereinbarung einer garantierten Tantieme, d.h. einer, zusätzlichen festen Mindestvergütung.
Normenkette
AktG §§ 70, 77, 84
Gründe
Der Bekl. zu 1 ist seit dem 1. Okt. 1931 der alleinige Vorstand der klagenden Aktiengesellschaft; die Bekl. zu 2 ist die Witwe und Erbin des im Jahre 1939 verstorbenen Fabrikdirektors W., der in den letzten Jahren vor seinem Tode Vorsitzer des Aufsichtsrats der Kl. war. Die Kl. ist Eigentümerin eines Häuserblocks, in dem sich Mietwohnungen und Geschäftsräume befinden sowie eine Anzahl verpachteter großer Gast- und Vergnügungsstätten, Theater und Lichtspieltheater betrieben werden; der Geschäftsbetrieb der Kl. ist im wesentlichen auf die Verwaltung dieses Grundbesitzes gerichtet. Ihr Grundkapital beträgt 3.000.000 RM. Ihr Geschäftsjahr beginnt am 1. Sept. Der § 10 ihrer Satzung bestimmt über die Verteilung des Reingewinns folgendes:
„Von dem Reingewinn, der sich nach der durch die Hauptversammlung genehmigten Bilanz ergibt, erhalten
- 5 % die gesetzliche Rücklage, so lange bis dieselbe, den zehnten Teil des Grundkapitals nicht überschreitet,
die Aktionäre bis zu 4 % des Nennwertes ihrer Aktien.
Vom Reste erhalten:
- die Direktion und die Beamten den ihnen nach den Anstellungsverträgen gewährten Anteil am Reingewinn,
der Aufsichtsrat 10 %.
Vom Reste erhalten:
- die Aktionäre bis zu 1 % des Nennwertes ihrer Aktien,
- der alsdann verbleibende Rest wird zu zwei Dritteln an die Aktionäre und zu einem Drittel an die Inhaber der Genußscheine verteilt, soweit nicht die Hauptversammlung beschließt, denselben auf neue Rechnung vorzutragen.”
Nach dem ursprünglichen Anstellungsvertrag v. 1. Okt. 1931 stand dem Bekl. zu 1 ein festes Gehalt von monatlich 1.100 RM sowie eine Gewinnbeteiligung in Höhe von 10 % der in einem Geschäftsjahr über 5 % des Grundkapitals hinaus gezahlten Dividende zu. Nach Vorverhandlungen, die bereits im Sept. 1936 begonnen hatten, hat der Aufsichtsrat der Kl., u.a. also auch der verstorbene Ehemann der Bekl. zu 2 am 16. Aug. 1938 mit dem Bekl. zu 1 einen neuen Anstellungsvertrag geschlossen, in dessen § 5 über seine Bezüge folgendes bestimmt war:
„Für seine gesamte Tätigkeit, die Herr Sch. (Bekl. zu 1) für die Aktiengesellschaft, für Bauten oder die Unternehmungen, die dieser wirtschaftlich gehören, ausübt, erhält er folgende Bezüge:
I. Fester Teil des festen Gehalts pro Monat 1.250 RM;
II. variabler Teil des festen Gehalts 10 % von dem Reingewinn über 60.000 RM ohne Rücksicht auf den an die Aktionäre zur Auszahlung gelangenden Reingewinn; III. Tantieme.
1. Nach § 10 Abs. c der Satzungen von dem Reingewinn über 120.000 RM 5 % ebenfalls ohne Rücksicht auf den an die Aktionäre zur Auszahlung gelangenden Reingewinn;
2. außer den vorgenannten 5 % 15 % von dem Betrage, der über 150.000 RM an die Aktionäre bzw. Genußscheininhaber zur Auszahlung gelangt.
Für die Errechnung der variablen Bezüge und der Tantieme wird vereinbart, daß sich der Gewinnanteil des Vorstandes nach dem Reingewinn errechnet unter Abzug des Gewinnbetrages, der durch Auflösung von Rücklagen entstanden ist. Demgegenüber wird weiter vereinbart, daß Gewinnbeträge, die zur Bildung freier Rücklagen verwandt werden, bei der Berechnung des Gewinnanteiles des Vorstandes berücksichtigt werden. Der Aufsichtsrat wird entsprechend beschließen, sobald freie Rücklagen gebildet werden.
… Sollten einzelne Bestandteile der Bezüge des Vorstandes mit den jetzt bestehenden gesetzlichen Vorschriften oder mit den jetzigen Satzungen in Widerspruch stehen, so müssen Herrn Sch. trotzdem Bezüge in der Gesamthöhe gewährt werden, die sich nach obiger Gliederung ergeben.”
Gleichzeitig mit dem Abschluß des neuen Anstellungsvertrages hat der Aufsichtsrat bes...