Nach Art. 10 ROM-III-Verordnung ist die lex fori anzuwenden, wenn das nach Art. 5 oder Art. 8 ROM-III-Verordnung zur Anwendung berufene Sachrecht eine Ehescheidung nicht vorsieht (Art. 10 Alt. 1) oder einem der Ehegatten aufgrund seiner Geschlechtszugehörigkeit keinen gleichberechtigten Zugang zur Ehescheidung oder Trennung ohne Auflösung des Ehebandes gewährt (Art. 10 Alt. 2).
4.4.1.1 Art. 10 Alt. 1 ROM-III-Verordnung
Die erste Alternative entspricht Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EGBGB a.F. Sie setzt voraus, dass das gewählte oder objektiv ermittelte Recht eine Scheidung nicht zulässt, daher eine Scheidung grundsätzlich nicht kennt. Nachdem Malta im Jahr 2011 die Scheidung eingeführt hat, ist die Bedeutung der Vorschrift auf Drittstaaten beschränkt, die absolute Scheidungsverbote haben. Das sind die Philippinen und der Vatikanstaat sowie kanonische Rechte.
Auf das Institut der Trennung ohne Auflösung des Ehebandes ist die erste Alternative des Art. 10 ROM-III-Verordnung nicht anwendbar.
Für die Anwendung des Art. 10 ROM-III-Verordnung reicht es nicht aus, dass die Scheidung nach dem zur Anwendung berufenen Recht wesentlich erschwert ist im Vergleich zum Recht der lex fori.
Das irische Recht setzt für eine Scheidung voraus, dass die Ehegatten zum Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens in den letzten fünf Jahren durchgehend oder insgesamt mindestens vier Jahre voneinander getrennt leben. Auch wenn das deutsche Recht lediglich eine einjährige Trennungszeit für eine einvernehmliche Scheidung vorsieht, genügt das für eine Ersatzanknüpfung an die lex fori nach Art. 10 Alt. 1 ROM-III-Verordnung nicht.
In Einzelfällen kann jedoch die Anwendung des ordre public-Vorbehaltes nach Art. 12 ROM-III-Verordnung in Betracht kommen, z.B. wenn die Scheidungsvoraussetzungen in zumutbarer Weise (aus der Sicht der lex fori) nicht erfüllt werden können.
4.4.1.2 Art. 10 Alt. 2 ROM-III-Verordnung
Die Vorschrift betrifft die Fälle, in denen die Scheidungsvoraussetzungen davon abhängig sind, ob die Scheidung durch den Ehemann oder die Ehefrau beantragt wird. Insbesondere soll die Anwendung des Frauen benachteiligenden islamischen Scheidungsrechts, welches dem Ehemann ein einseitiges Scheidungsrecht gewährt (talaq), verhindert werden. In der Sache kommt es zu einer Inhaltskontrolle des materiellen Trennungs- und Scheidungsrechts auf eine mögliche Diskriminierung hin.
Ausweislich des Wortlauts und des Erwägungsgrundes Nr. 16 soll es allein auf die generelle Diskriminierung auf Grund des Geschlechts ankommen und nicht ob sich diese im konkreten Ergebnis auch auswirkt. Danach wäre die Anwendung islamischen oder jüdischen Scheidungsrechts generell ausgeschlossen, ohne dass es hierfür auf das Ergebnis des konkreten Einzelfalles ankäme. Die Vorschrift ist aus diesem Grund heftig umstritten.
Aus diesem Grund wird in der Literatur für eine teleologische Reduktion der Vorschrift plädiert, da die Vorschrift eindeutig über ihren eigentlichen Regelungszweck der Diskriminierung hinausgeht, und sich zudem dem Vorwurf der religiösen Diskriminierung aussetzt. Danach besteht kein Bedarf für die Anwendung der lex fori, wenn z.B. die Ehefrau mit der vom Ehemann initiierten Scheidung einverstanden ist, oder wenn das betreffende Recht im Einzelfall gar nicht diskriminiert, so z.B. wenn auch der andere Ehegatte die Scheidung einreichen könnte.