Leitsatz
Das OLG Saarbrücken hat sich in dieser Entscheidung mit der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG zu den Voraussetzungen für die Rückführung eines Pflegekindes zu seinen leiblichen Eltern auseinandergesetzt.
Sachverhalt
Den nicht miteinander verheirateten Eltern war durch "vorläufige Anordnung" vom 25.6.2008 die elterliche Sorge für ihren am 25.5.2004 geborenen Sohn entzogen und auf das Jugendamt als Vormund übertragen worden. Hintergrund war die Drogen- und Alkoholproblematik beider Eltern. Das Jugendamt brachte das Kind in einer Pflegefamilie unter. Nach von den Eltern durchgeführten Entgiftungen und stationären psychiatrischen Behandlungen unterzogen sie sich einer stationären Therapie nebst Nachsorge. Sie hatten regelmäßigen betreuten Umgang mit ihrem Sohn.
Das FamG hat am 27.5.2011 den vorläufigen Sorgerechtsentzug aufgehoben und den Erlass einer Verbleibensanordnung abgelehnt. Der Beschluss wurde sowohl von den Pflegeeltern als auch vom Jugendamt angegriffen.
Die Rechtsmittel blieben ohne Erfolg.
Entscheidung
Das OLG wies die Rechtsmittel der Pflegeeltern und des Jugendamtes mit der Maßgabe zurück, dass den Eltern aufgegeben wurde, ab Rückkehr des Kindes in ihren Haushalt Familienhilfe des Jugendamtes in Anspruch zu nehmen und befristet ihre Gespräche bei der Drogenberatungsstelle fortzusetzen.
Im Übrigen hielt es die Beschwerde im Wesentlichen für unbegründet.
Nach §§ 1666, 1666a, 1632 Abs. 4 BGB, deren Auslegung maßgeblich durch die Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 6 Abs. 1 bis Abs. 3 GG geprägt sei, komme ein weiterer Sorgerechtsentzug und eine dauerhafte Verbleibensanordnung nur dann in Betracht, wenn das Kind bei seiner Rückführung in den elterlichen Haushalt mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nachhaltig gefährdet würde. Da es auch bei Dauerpflegekindverhältnissen verfassungsrechtlich geboten sei, die Rückführung des Kindes grundsätzlich offen zu halten, ermögliche § 1632 Abs. 4 BGB lediglich, eine Herausnahme zur Unzeit zu verhindern. Zwar stelle die Trennung des Kindes von seinen Pflegeeltern für dieses regelmäßig eine erhebliche psychische Belastung dar. Diese reiche jedoch entgegen der Auffassung des Jugendamtes und der Pflegeeltern für die Ablehnung der Herausgabe des Kindes nicht aus, weil anderenfalls eine Zusammenführung von Eltern und Kind immer dann ausgeschlossen wäre, wenn das Kind seine "sozialen Eltern" gefunden habe.
Nach den Feststellungen des OLG war zu erwarten, dass die Eltern zukünftig drogen- und straffrei leben würden. Der Umstand, dass der Sohn seine halbe Lebenszeit in der Pflegefamilie verbracht habe, stehe einer Rückführung nicht entgegen, da er eine gute emotionale Beziehung zu seinen Eltern unterhalte und sich auf die Rückkehr zu ihnen freue. Ein Abbruch der Beziehung zu den Pflegeeltern sei angesichts der Befürwortung von Umgangskontakten durch die Eltern und ihrer gesetzlichen Absicherung in § 1685 Abs. 2 BGB nicht zu erwarten.
Auch ein weiterer vorübergehender Verbleib des Kindes in der Pflegefamilie sei nicht geboten, da es seit längerem regelmäßigen positiven Kontakt zu seinen Eltern habe und ein späterer Wechsel mit zunehmender Zeit schwieriger werde.
Hinweis
Die Entscheidung des OLG ist lesenswert. Sie beschäftigt sich ausführlich und eingehend mit der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG zu den Voraussetzungen für die Rückführung eines Pflegekindes zu seinen Eltern.
Link zur Entscheidung
Saarländisches OLG, Beschluss vom 13.10.2011, 6 UF 108/11