Leitsatz
- Der Beginn der Verjährung für die Ansprüche des Vermieters wegen Veränderungen und Verschlechterungen der Mietsache setzt eine Änderung der Besitzverhältnisse voraus.
- Durch die Weigerung des Vermieters zur Entgegennahme der Schlüssel kommt dieser jedenfalls dann nicht in Annahmeverzug, wenn das Mietverhältnis zu diesem Zeitpunkt noch nicht beendet ist. Dabei kann offenbleiben, ob der Mieter die Mietsache vor Beendigung des Mietvertrags zurückgeben darf. Jedenfalls ist der Vermieter nicht verpflichtet, die Mietsache jederzeit – sozusagen "auf Zuruf" – zurückzunehmen.
(Leitsätze der Redaktion)
Normenkette
BGB § 548 Abs. 1 Satz 2
Kommentar
Zwischen den Parteien bestand seit dem Jahr 1977 ein Mietverhältnis über eine Wohnung in einem von der Vermieterin selbst bewohnten Zweifamilienhaus. Nachdem es im Jahr 2007 zu Differenzen zwischen den Vertragsparteien gekommen war, räumte der Mieter – ohne vorherige Kündigung – Ende Juni die Wohnung. Am 30. Juni versuchte er, der Vermieterin die Schlüssel zu übergeben; diese hat die Entgegennahme der Schlüssel allerdings abgelehnt. Daraufhin warf der Mieter die Schlüssel in seinen Briefkasten. Mit Anwaltschreiben vom 2. Juli 2007 kündigte der Mieter das Mietverhältnis fristlos, hilfsweise zum 30. September 2007. Im Anschluss an den Zugang der Kündigung einigten sich die Parteien dahingehend, dass die "offizielle" Abnahme der Wohnung am 1. Oktober 2007 erfolgen sollte. Dieser Termin wurde von beiden Parteien wahrgenommen. Am 19. März 2008 reichte die Vermieterin einen Mahnbescheid ein, mit dem sie einen Schadensersatzanspruch wegen Verschlechterung der Mietsache geltend macht. Die Instanzgerichte haben die Ansicht vertreten, dass der Anspruch verjährt sei.
Der BGH ist anderer Meinung: Die Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache verjähren in 6 Monaten. Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem er die Mietsache zurückerhält (§ 548 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dies gilt auch dann, wenn der Mietvertrag erst später endet (BGH, Urteil v. 15.3.2006, VIII ZR 123/05, NJW 2006 S. 1588).
Hier kam es deshalb darauf an, ob in dem Angebot der Schlüsselübergabe am 30. Juni 2007 eine Rückgabe zu sehen ist. In diesem Fall würde die Verjährung am 1. Juli 2007 beginnen und Ende Dezember 2008 enden. Der am 19. März 2008 eingereichte Mahnbescheid wäre dann verspätet. Anders ist es, wenn man den "offiziellen" Abnahmetermin am 1. Oktober 2007 als Tag der Rücknahme ansetzt. Dann endete die Verjährung erst Ende März 2008. Durch den am 19. März 2008 eingereichten Mahnbescheid wurde die Verjährung gehemmt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH setzt die Rückgabe im Sinne dieser Vorschrift eine Änderung der Besitzverhältnisse voraus (BGH, Urteil v. 10.7.1991, XII ZR 105/90, NJW 1991 S. 2416); diese ist erst am 1. Oktober 2007 erfolgt. Durch den Einwurf der Schlüssel in den Briefkasten kommt zwar zum Ausdruck, dass der Mieter den Besitz an der Wohnung endgültig aufgeben wollte. Die bloße Besitzaufgabe durch den Mieter ist aber grundsätzlich nicht als Rückgabe anzusehen (BGH, RE v. 22.11.1995, VIII ARZ 4/95, NJW 1996 S. 15).
Die Instanzgerichte haben die Ansicht vertreten, dass die Vermieterin durch die Weigerung zur Entgegennahme der Schlüssel Ende Juni 2007 in Annahmeverzug geraten sei. An dieser Ansicht trifft zu, dass in einem solchen Fall die Verjährung mit dem Eintritt des Verzugs zu laufen beginnt (Emmerich, in Staudinger, (2011) § 548 BGB Rdn. 29). Fraglich ist jedoch, ob der Mieter berechtigt ist, die Mietsache vor dem Vertragsende zurückzugeben. Der BGH lässt diese Frage offen. Jedenfalls sei ein Vermieter nicht verpflichtet, "die Mietsache jederzeit – sozusagen "auf Zuruf" – zurückzunehmen".
In dem Entscheidungsfall kam hinzu, dass die Parteien einen "offiziellen" Abnahmetermin, nämlich den 1. Oktober 2007, vereinbart haben. Bei dieser Sachlage sei die Vermieterin nicht verpflichtet gewesen, die Wohnung zu einem früheren Zeitpunkt zurückzunehmen.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 12.10.2011, VIII ZR 8/11, NJW 2012 S. 144