Leitsatz
Allein der Umstand, dass ein Erbvertrag mit vertragsmäßiger Erbeneinsetzung und ein Überlassungsvertrag mit einer Unterhaltsverpflichtung des Bedachten am selben Tag und vor demselben Notar geschossen wurden, besagt für sich genommen nicht, dass beide Verträge "mit Rücksicht" aufeinander abgeschlossen wurden.
Die Aufhebung der Gegenverpflichtung muss zumindest einen Beweggrund für den Rücktritt nach § 2295 BGB darstellen; folglich kommt ein Rücktritt hiernach nicht in Betracht, wenn der Erblasser die Aufhebung bestreitet.
Sachverhalt
Die Erblasserin und ihr 1985 vorverstorbener Ehemann setzten sich 1970 in einen Erbvertrag gegenseitig zu Alleinerben und den Sohn des Mannes, den Beteiligten zu 2), zum Schlusserben ein. Am gleichen Tage übertrug der Ehemann dem Beteiligten zu 2) seinen Anteil an der gemeinsamen Praxis. Im Gegenzug hierzu verpflichtete sich der Beteiligte zu 2), u.a. der Erblasserin nach dem Tod des Ehemannes eine monatliche Rente i.H.v. 600 DM zu zahlen und unterwarf sich diesbzgl. der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen. Mit Geschäftsaufgabe 1999 stellte der Beteiligte zu 2) die Zahlungen ein. 2002 erteilte die Erblasserin dem Beteiligten zu 2) Vorsorgevollmacht, die sie 2006 widerrief. Zudem erteilte die Erblasserin Vollstreckungsauftrag, der jedoch auf eine Vollstreckungsabwehrklage hin eingestellt wurde. Auch erklärte sie den Rücktritt vom Erbvertrag wegen einer Verfehlung des Beteiligten zu 2) nach § 2294 BGB, da er ihr Vermögen veruntreut habe und setzte die Beteiligte zu 1), ihre Nichte, testamentarisch zur Alleinerbin ein. 2007 erklärte die Erblasserin die Anfechtung des Erbvertrages aus allen erdenklichen Gründen, u.a. weil sie gerade erfahren hatte, dass ihr Ehemann den Beteiligten zu 2) nur adoptiert hatte.
Der von der Erblasserin begonnene Prozess auf Feststellung, dass der Beteiligte zu 2) nicht Erbe sei, wurde zunächst durch ihren Tod unterbrochen. Das Nachlassgericht erteilte der Beteiligten zu 1) 2008 den Alleinerbschein. Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 2) schlussendlich mit einer weiteren Beschwerde; diese ist erfolgreich.
Entscheidung
Bei einem mehrseitigen Erbvertrag erlischt nur das vertragliche, nicht aber das gesetzliche Rücktrittsrecht mit dem Tode eines Vertragspartners. Gem. § 2295 BGB ist ein Rücktritt möglich, wenn die Verfügung mit Rücksicht auf eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung des Bedachten, dem Erblasser für dessen Lebenszeit wiederkehrende Leistungen zu gewähren, getroffen ist und die Verpflichtung vor dem Tode des Erblassers aufgehoben wird. Die Vertragsteile müssen sich lediglich über die Zweckgebundenheit einig sein; hierbei reicht es aus, dass der Bedachte den Zusammenhang kennt, ausdrücklich zustimmen muss er ihm nicht. Da vorliegend zulässigerweise zwei gesonderte Verträge abgeschlossen wurden und der Erbvertrag keine ausdrückliche Aussage über die Zweckgebundenheit trifft, ist diese durch Auslegung zu ermitteln. Obwohl beide Verträge am selben Tag vor demselben Notar geschlossen wurden, ist in keinem ein Hinweis auf den anderen enthalten; die gesamten Umstände sprechen damit eher dafür, dass kein Zusammenhang gewollt war.
Auch die übrigen Voraussetzungen des § 2295 BGB liegen nicht vor. Eine zunächst bestehende Pflicht hätte beendet sein müssen; Nicht-, Spät- oder Schlechtleistung sind dem nicht gleichzusetzen. Fraglich war daher, wie der jahrelange Verzicht auf Anmahnung der Unterhaltszahungen zu bewerten ist. Bei Annahme der vom Beteiligten zu 2) vorgetragenen einvernehmlichen Zahlungseinstellung wäre diese nicht zwangsläufig als Aufhebung der Verpflichtung zu werten, sondern könnte ebenso ein Stillhalteabkommen oder den Verzicht auf die Einleitung der Zwangsvollstreckung darstellen. Zudem hätten beide Vertragsparteien sich im Rahmen einer einvernehmlichen Aufhebung ebenso darüber einig sein müssen, dass die hiermit im Zusammenhang stehende erbrechtliche Verfügung wegfällt; dies war hier nicht gegeben. Weiterhin hätte die Aufhebung der Leistungspflicht ein Beweggrund für den Rücktritt darstellen müssen, eine solche Aufhebung gab es jedoch vorliegend nicht. Auch kann der Rücktritt vom Erbvertrag im Jahr 2006 angesichts der eingeleiteten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nicht als Rücktritt von der schuldrechtlichen Verpflichtung oder als Kündigung derselben gewertet werden.
Ein Rücktrittsgrund ergibt sich auch nicht aus § 2294 2. HS BGB i.V.m. § 2333 BGB. Ebenso die 2007 erklärte Anfechtung greift nicht durch. Die Feststellungslast für die anfechtungsbegündenden Tatsachen trägt der Anfechtende. Hier konnte jedoch nicht substantiiert dargelegt werden, dass die Abstammung des Beteiligten zu ). gem. § 2078 II BGB bewegender Grund für den letzten Willen war. Die alleinige Behauptung der Erblasserin reicht hierfür nicht aus. Auch wäre die Frist des § 2082 BGB bereits verstrichen gewesen.
Die letzwillige Verfügung der Erblasserin zugunsten der Beteiligten zu 1) war daher unwirksam gem. § 2289 I 2 BGB.
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OLG M...