Leitsatz
Das OLG München hat sich in seiner Entscheidung mit Fragen der Auslegung letztwilliger Verfügungen auseinandergesetzt und sich darüber hinaus mit dem Erfordernis einer kausalen Verknüpfung zwischen der Aufhebung einer rechtsgeschäftlichen Verpflichtung i.S.v. § 2295 BGB und dem Rücktritt des Erblassers von einer vertragsmäßigen Verfügung zugunsten des Bedachten beschäftigt.
Sachverhalt
Dem im Verfahren der weiteren Beschwerde gemäß § 27 FGG ergangenen Beschluss des OLG München lagen zwei Erbscheinsanträge einer Nichte der Erblasserin (Beteiligte zu 1) und des Adoptivsohns des vorverstorbenen Ehemannes der Erblasserin aus erster Ehe (Beteiligter zu 2) zugrunde. Beide Beteiligten hatten jeweils die Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbe beantragt.
Die Erblasserin und ihr vorverstorbener Ehemann hatten im Jahre 1965 einen Erbvertrag errichtet, mit dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben und den Beteiligten zu 2) zum Erben des Letztversterbenden von ihnen eingesetzt hatten. Dieser Erbvertrag wurde am 21.11.1970 durch einen hinsichtlich der Erbfolge inhaltsgleichen weiteren Erbvertrag ersetzt, der nunmehr aber unter Beteiligung des Beteiligten zu 2) abgeschlossen wurde, der hierdurch in Bezug auf seine Schlusserbeneinsetzung zum Vertragspartner der Erblasserin sowie seines Adoptivvaters wurde.
Mit einem ebenfalls am 21.11.1970 abgeschlossenen zweiten Notarvertrag übertrug der vorverstorbene Ehemann der Erblasserin seine Zahnarztpraxis auf den Beteiligten zu 2), der sich seinerseits zur Zahlung einer lebenslangen Unterhaltsrente sowohl an seinen Adoptivvater als auch an die Erblasserin verpflichtete. Nachdem der Ehemann im Jahre 1985 vorverstorben war, stellte der Beteiligte zu 2) seine Zahlungen an die Erblasserin mit Beendigung seiner beruflichen Tätigkeit im September 1999 ein.
Im Jahre 2006 forderte die Erblasserin den Beteiligten zu 2) zur Zahlung der seit dem Jahre 1999 aufgelaufenen rückständigen Unterhaltsrenten auf und erklärte u.a. den Rücktritt von ihren in den Erbverträgen aus den Jahren 1965 und 1970 zugunsten des Beteiligten zu 2) getroffenen Verfügungen, die sie außerdem wegen Irrtums anfocht. Zu ihrer Alleinerbin setzte sie mit notariellem Testament vom 30.6.2006 die Beteiligte zu 1) ein. Zuvor hatte sie die Einstellung der Unterhaltszahlungen durch den Beteiligten zu 2) nicht beanstandet, sondern diesem im Jahre 2002 sogar noch eine notarielle Vorsorgevollmacht erteilt.
Das Nachlassgericht und auch das Beschwerdegericht hatten den von der Erblasserin erklärten Rücktritt im Hinblick auf § 2295 BGB für wirksam gehalten. Die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 2) durch die Erblasserin sei mit Rücksicht auf die von ihm übernommene Unterhaltsverpflichtung erfolgt. Die Schlusserbeneinsetzung des Beteiligten zu 2), die Übertragung der Praxis des vorverstorbenen Ehemannes der Erblasserin und das in diesem Übertragungsvertrag enthaltene Leibrentenversprechen des Beteiligten zu 2) stünden in einem rechtlichen Zusammenhang, da die Parteien, hätten sie im Jahre 1970 lediglich die Übertragung der Zahnarztpraxis des vorverstorbenen Ehemannes der Erblasserin auf den Beteiligten zu 2) regeln wollen, es auch bei dem Erbvertrag aus dem Jahre 1965 hätten belassen können. Ein zufälliges Zusammentreffen der am 21.11.1970 abgeschlossenen Verträge erscheine demgegenüber lebensfremd. Da auch die Einstellung der Unterhaltszahlungen des Beteiligten zu 2) an die Erblasserin einverständlich erfolgt sei, die fast sieben Jahre lang keine Maßnahme ergriffen habe, um die ausstehenden Zahlungen einzufordern, sei das Leibrentenversprechen des Beteiligten zu 2) i.S.v. § 2295 BGB aufgehoben worden.
Das OLG München hat nach der weiteren Beschwerde des Beteiligten zu 2) die Ausführungen des Nachlassgerichts und des Landgerichts als rechtsfehlerhaft zurückgewiesen und sowohl ein Rücktrittsrecht der Erblasserin als auch eine ordnungsgemäße Rücktrittserklärung verneint.
Entscheidung
Das OLG vertrat in seinem Beschluss die Auffassung, das Vorliegen einer "mit Rücksicht" i.S.v. § 2295 BGB auf die von dem Beteiligten zu 2) übernommene Unterhaltsverpflichtung erfolgte Erbeinsetzung des Beteiligten zu 2) könne nur durch Auslegung ermittelt werden, da der Erbvertrag vom 20.11.1970 zu dieser Frage keine Aussage enthalte. Dies habe auch das LG zutreffend erkannt, jedoch nicht berücksichtigt, dass die von dem Beteiligten zu 2) übernommene Unterhaltsverpflichtung Teil eines Austauschvertrages sei und somit nicht ohne weiteres als Gegenleistung für die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 2) angesehen werden könne. Dies gelte umso mehr, als die am 20.11.1970 abgeschlossenen und vor demselben Notar beurkundeten Verträge in keiner Weise aufeinander Bezug nähmen. Dass sich der Adoptivvater des Beteiligten zu 2) und die Erblasserin im Erbvertrag vom 20.11.1970 auch ggü. dem Beteiligten zu 2) an dessen Einsetzung als Schlusserbe gebunden hatten, ohne sich hierfür im Vertrag selbst eine Gegenleistung versprechen zu lassen, sei ebenfalls kein zwingendes Ind...