Leitsatz

Der Verlust des Rechts auf Teilnahme an der Vertreterversammlung nach Absendung der Mitteilung des Ausschließungsbeschlusses (§ 68 Abs. 2 Satz 2 GenG) führt nur zum "Ruhen" der Organstellung. Das Vertreteramt lebt wieder auf, wenn die Unwirksamkeit des Ausschlusses rechtskräftig festgestellt wird.

 

Sachverhalt

Der Kläger war Mitglied einer eG und Vertreter in deren Vertreterversammlung. Der Vorstand schloss den Kläger aus der eG aus und teilte ihm dies schriftlich mit. Die Unwirksamkeit des Ausschlusses wurde jedoch rechtskräftig durch Urteil des zuständigen Landgerichts festgestellt. Der Vorstand und der Aufsichtsrat der beklagten eG informierten den Kläger, dass dadurch lediglich die Mitgliedschaft in der eG, nicht aber das Vertreteramt fortbestehe, und luden ihn auch nach Rechtskraft der Feststellung nicht mehr zu den Vertreterversammlungen ein. Der Kläger vertrat dagegen die Ansicht, dass durch die rechtskräftige Feststellung der Unwirksamkeit seines Ausschlusses sein Vertreteramt fortbestehe bzw. wieder aufgelebt sei.

 

Entscheidung

Der BGH hat in seiner Urteilsbegründung ausgeführt, dass die Vorschrift des § 68 Abs. 4 Halbsatz 2 GenG nicht jedes Amt innerhalb der Genossenschaft umfasst, sondern vielmehr nur den Vorstand und den Aufsichtsrat erwähnt. Dies erkläre sich aus den Besonderheiten der beiden Organe, welche im Bereich der Geschäftsführung und Vertretung (Vorstand) sowie der Kontrolle der Geschäftsführung und der Vertretung der eG gegenüber dem Vorstand (Aufsichtsrat) in besonderem Maße Verantwortung für die Genossenschaft tragen und insoweit das Vertrauen der Mitglieder in Anspruch nehmen. Zudem seien die Vorstandsmitglieder i. d. R. aufgrund eines Dienstvertrags und häufig hauptamtlich tätig. Ein nur vorübergehendes Ruhen dieser Ämter während der u. U. jahrelangen Dauer eines Streits um den Ausschließungsbeschluss und die in dieser Zeit bestehende Ungewissheit ist nach Auffassung des BGH mit der Stellung und der Bedeutung der Aufgaben der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder nur schwer zu vereinbaren. Zudem hat das Gericht auf die sich ergebenden erheblichen Probleme hingewiesen, wenn in der Zwischenzeit ein neues Vorstands- bzw. Aufsichtsratsmitglied an Stelle des Ausgeschlossenen bestellt worden ist. Eine parallele Tätigkeit des alten und des neuen Mitglieds im Vorstand oder Aufsichtsrat sei ebenfalls ab diesem Zeitpunkt nicht ohne Weiteres und auch nicht in jedem Fall möglich.

Die Aufgaben und die Stellung des Vertreters einer eG sind nach der Urteilsbegründung auch nicht in einer Weise mit den Ämtern im Vorstand oder im Aufsichtsrat vergleichbar, um eine entsprechende Anwendung des § 68 Abs. 4 Halbs. 2 GenG insoweit zu rechtfertigen. Zwar üben auch die Vertreter innerhalb der Genossenschaft ein Amt aus und sie unterliegen ebenfalls insoweit bestimmten Amtspflichten. So sind sie insbesondere gehalten, ihr Amt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Vertreters einer Genossenschaft zu erfüllen, an den Vertreterversammlungen teilzunehmen und dort mittels ihres Rede-, Auskunfts- und Antragsrechts sachgerecht mitzuarbeiten.

Gleichwohl unterscheidet sich nach Auffassung des Gerichts die Tätigkeit des Vertreters wesentlich von derjenigen der Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder. Das Vertreteramt wird – anders als i.d. R. das Amt eines Vorstandsmitglieds – ehrenamtlich ausgeführt. Es beinhaltet im Gegensatz zur Tätigkeit im Vorstand oder im Aufsichtsrat keine exekutiven Aufgaben, sondern es stellt vielmehr eine besondere Form der Wahrnehmung mitgliedschaftlicher Rechte und Pflichten dar: Die Vertreterversammlung ist lediglich eine besondere, d. h. verkleinerte Form der Generalversammlung. Zweck, Aufgabe und Funktion der Vertreterversammlung bestehen darin, aus Praktikabilitätsgründen an die Stelle der infolge ihrer großen Mitgliederzahl zu schwerfälligen und zu einer Willensbildung nur unter erheblichem Aufwand an Zeit und Geld fähigen Generalversammlung zu treten. Die Tätigkeit der Vertreter besteht dementsprechend darin, in der Vertreterversammlung für sich und die vertretenen Mitglieder diejenigen Rechte und Pflichten wahrzunehmen, die bei kleineren Genossenschaften im Rahmen der Generalversammlung jedes Mitglied selbst und ausschließlich für sich ausübt.

Für den Fall, dass das Vertreteramt mit der Mitteilung über den Ausschließungsbeschluss unabhängig von dessen Wirksamkeit dauerhaft erlischt, besteht nach Meinung des BGH zudem die Gefahr, dass die Vertreter faktisch in die Abhängigkeit des Vorstands geraten. Zur Begründung hat dass Gericht darauf hingewiesen, dass Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder nicht durch bloßen Vorstandsbeschluss, sondern nur durch Beschluss der General- bzw. Vertreterversammlung ausgeschlossen werden können. Dies hält das Gericht im Hinblick auf den mit der Mitteilung des Ausschließungsbeschlusses unabhängig von seiner Wirksamkeit zwingend verbundenen endgültigen Amtsverlust zum Schutz des Betroffenen und insbesondere zur Vermeidung einer Machtverschiebung inne...

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