Rz. 77
Gemäß Art. 1157 ZGB ist ein Erbe berechtigt, die Erbschaft auszuschlagen. Dabei ist eine generelle Ausschlagung, aber auch eine Ausschlagung zugunsten eines anderen Erben möglich, der dann den Vermögensgegenstand oder den Erbteil erhält.
Rz. 78
Gemäß Art. 1158 ZGB ist eine Ausschlagung zugunsten anderer testamentarischer oder gesetzlicher Erben, d.h. Personen, die zu einer der acht Kategorien von Erben gehören, möglich. Weiterhin ist eine Ausschlagung zugunsten eigener Erben möglich. Fraglich ist, ob es erforderlich ist, dass die begünstigten Personen auch ohne die Ausschlagung geerbt hätten. Ursprünglich ging die Gerichtspraxis davon aus, dass eine Erbenstellung nicht erforderlich sein. Das Plenum des Obersten Gerichts der Russischen Föderation hat im Jahr 2012 jedoch entschieden, dass eine Ausschlagung nur zugunsten von Personen möglich ist, die auch ohne die Ausschlagung geerbt hätten. Das Verfassungsgericht ist dieser Auslegung nicht gefolgt, sondern hat entschieden, dass Art. 1158 Ziffer 11 ZGB nicht eindeutig festlegt, zugunsten welcher Personen eine Ausschlagung erfolgen kann und somit verfassungswidrig ist. Unabhängig von dieser Frage ist in folgenden Fällen eine Ausschlagung zugunsten einer bestimmten Person nicht möglich:
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die begünstigte Person ist testamentarisch durch den Erblasser enterbt worden; |
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der Erblasser hat sein ganzes Vermögen testamentarisch verteilt; |
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die Ausschlagung betrifft den Pflichtteil; |
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der Erblasser hat einen Ersatzerben eingesetzt. |
Rz. 79
Im Fall der generellen Ausschlagung der Erbschaft – wie auch bei einer Nichtannahme der Erbschaft oder Erbunwürdigkeit gem. Art. 1117 ZGB – geht gem. Art. 1161 ZGB der betroffene Erbteil anteilig auf die gesetzlichen Erben, bzw. wenn der Erblasser sein ganzes Vermögen testamentarisch verteilt hat, anteilig auf die übrigen testamentarischen Erben über, sofern der Erblasser keine anderweitigen testamentarischen Verfügungen (z.B. Einsetzung eines Ersatzerben) für diesen Fall getroffen hat.
Rz. 80
Eine Ausschlagung ist grundsätzlich auch nach bereits erfolgter Annahme der Erbschaft möglich. Allerdings sind Fristen zu beachten: Für die Ausschlagung gelten die Fristen gem. Art. 1154 ZGB, also grundsätzlich die Sechsmonatsfrist. Eine gerichtliche Wiedereinsetzung ist beim Vorliegen entschuldigender Gründe entsprechend Art. 1155 ZGB ebenfalls möglich, sofern lediglich eine faktische Annahme durch Handlungen, die auf eine Annahme hindeuten, gem. Art. 1153 Abs. 2 ZGB erfolgt ist, nicht jedoch bei einer notariellen Annahmeerklärung. Eine erneute Annahme nach erklärter Ausschlagung ist nicht mehr möglich.
Rz. 81
Eine Ausschlagung eines Teils der Erbschaft ist, wie auch eine teilweise Annahme der Erbschaft, nicht möglich. Möglich sind lediglich die Annahme der Erbschaft aus einem bestimmten Grund (z.B. Annahme eines testamentarisch vererbten Vermögensgegenstands) und die Ausschlagung der Erbschaft hinsichtlich eines anderen Grundes (z.B. des gemäß gesetzlicher Erbfolge zustehenden Erbteils).
Rz. 82
Formell muss eine Ausschlagung beim zuständigen Notar erklärt werden (vgl. Art. 1159 ZGB). Hierfür ist grundsätzlich persönliches Erscheinen beim Notar erforderlich. Wenn dieses nicht möglich ist, muss die Unterschrift auf dem Antrag auf Ausschlagung notariell beglaubigt werden oder ein Vertreter muss eine notariell beglaubigte Vollmacht vorweisen, die ausdrücklich zur Ausschlagung des Erbes ermächtigt. Besonderheiten gelten für die Ausschlagung einer Erbschaft durch Minderjährige. Aufgrund eines möglichen Interessenkonflikts der Eltern des minderjährigen Erbens ist eine Ausschlagung nur mit Zustimmung der Vormundschaftsbehörde möglich.