Rz. 58

Die Gerichte sind für die Ehescheidung nur in den folgenden gesetzlich geregelten Fällen zuständig (Art. 21 FGB):

wenn mindestens ein gemeinsames minderjähriges Kind vorhanden ist (mit Ausnahme der Fälle, in denen die Ehe entsprechend Art. 19 Abs. 2 FGB ungeachtet gemeinsamer Kinder standesamtlich geschieden werden kann, nämlich bei Verschollenheit, Geschäftsunfähigkeit oder Verurteilung eines Ehegatten zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren);
wenn sich die Ehegatten zwar über die Scheidung einig sind, eine einvernehmliche Ehescheidung vor dem Standesamt jedoch daran scheitert, dass einer der Ehegatten sich der Abwicklung der Formalitäten entzieht (z.B. keinen Antrag auf Ehescheidung stellen will);[75]
wenn ein Ehegatte nicht in die Ehescheidung einwilligt.
 

Rz. 59

Bei einer einvernehmlichen Scheidung muss dem Gericht kein Scheidungsgrund angegeben werden (Art. 23 Abs. 1 S. 1 FGB). Das Gericht spricht die Scheidung frühestens nach Ablauf eines Monats seit der gemeinsamen Antragstellung aus (Art. 23 Abs. 2 FGB). Haben die Parteien keine Vereinbarung über den Wohnort und den Unterhalt der gemeinsamen minderjährigen Kinder getroffen oder widerspricht die vorgelegte Vereinbarung den Interessen der Kinder, hat das Gericht über Wohnort und Unterhalt der Kinder zu entscheiden (Art. 23 Abs. 1 S. 3 FGB).

 

Rz. 60

Auch bei einer Scheidung auf Antrag nur eines der Ehegatten können die Parteien dem Gericht eine Vereinbarung über die Scheidungsfolgen vorlegen (Art. 24 Abs. 1 FGB). Fehlt eine solche Vereinbarung oder widerspricht sie den Interessen der Kinder oder eines der Ehegatten, entscheidet das Gericht von Amts wegen über den künftigen Wohnort der Kinder und darüber, wer in welcher Höhe Kindesunterhalt zu zahlen hat. Das Gericht nimmt auf Antrag mindestens eines der Ehegatten die Teilung des Vermögens vor, das im Gesamthandseigentum der Ehegatten steht, und entscheidet – auf Antrag des unterhaltsberechtigten Ehegatten – über die Höhe des Ehegattenunterhalts (Art. 24 Abs. 2 FGB). Über die Teilung des ehelichen Gemeinschaftsvermögens kann vom Gericht in einem gesonderten Verfahren entschieden werden, sofern die Interessen Dritter betroffen sind (Art. 24 Abs. 3 FGB). Dies ist z.B. dann der Fall, wenn weitere Miteigentümer eines Bauernhofs oder einer Wohnungseigentümergemeinschaft vorhanden sind. Widerspricht ein Ehegatte der Scheidung, kann das Gericht die Verhandlung um höchstens drei Monate aufschieben und eine Versöhnungsfrist festsetzen, nach deren fruchtlosem Ablauf die Scheidung auszusprechen ist (Art. 22 Abs. 2 FGB).

 

Rz. 61

Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Ehe vom Gericht in Abwesenheit einer Partei geschieden werden (Art. 233 ZPO). Beide Parteien können ihr Einverständnis zur Verhandlung und Entscheidung in ihrer Abwesenheit erklären. Der Kläger kann ein Versäumnisurteil erwirken, wenn der Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung ohne triftigen Grund der Verhandlung fernbleibt. In diesem Fall steht dem Beklagten neben der Appellationsbeschwerde als weiteres Rechtsmittel ein Aufhebungsantrag beim erkennenden Gericht innerhalb von sieben Tagen nach Zugang des Urteils zur Verfügung (Art. 237 Abs. 1 ZPO).

 

Rz. 62

Die Scheidung wird mit Rechtskraft des Scheidungsurteils wirksam (Art. 25 Abs. 1 FGB), d.h. mit Ablauf der Monatsfrist für die Appellationsbeschwerde (Art. 321 Abs. 2 ZPO). Innerhalb von drei Tagen nach Rechtskraft des Urteils hat das Gericht einen Auszug des Urteils an das Standesamt am Ort der staatlichen Registrierung der Eheschließung zwecks Eintragung der Ehescheidung zu übermitteln (Art. 25 Abs. 2 Unterabs. 2 FGB). In der Praxis wird häufig einer der Parteien ein Urteilsauszug ausgehändigt, damit diese beim Standesamt an ihrem Wohnort mündlich oder schriftlich die Eintragung der Scheidung beantragen kann (Art. 35 Abs. 1 Unterabs. 1 PStG). Der Antrag auf staatliche Eintragung der Ehescheidung kann beim Standesamt auch in Form eines elektronischen Dokuments über das Einheitliche Portal der staatlichen und kommunalen Dienstleistungen oder über die entsprechenden regionalen Portale eingereicht werden. Dieser Antrag ist durch eine einfache elektronische Unterschrift jedes Antragstellers zu unterzeichnen (Art. 35 Abs. 1 Unterabs. 2 PStG). Jeder geschiedene Ehegatte hat Anspruch auf Aushändigung einer Ausfertigung der Scheidungsurkunde (Art. 38 Abs. 2 PStG). Trotz wirksamer Scheidung dürfen die geschiedenen Ehegatten erst nach Aushändigung der Scheidungsurkunde eine neue Ehe eingehen (Art. 25 Abs. 2 Unterabs. 3 FGB).

 

Rz. 63

Für Ehescheidungen ist der Friedensrichter zuständig (Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 ZPO), dessen Aufgaben mit denen des Amtsrichters in Deutschland vergleichbar sind. Sofern zwischen den Ehegatten Streit bezüglich von Unterhalt, Wohnsitz oder Umgang mit den Kindern besteht, ist das Kreisgericht (vergleichbar den Landgerichten) zuständig (Art. 24 i.V.m. Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Die örtliche Zuständigkeit richtet sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten (Art. 28 Z...

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