Rz. 4
Das russische Recht unterscheidet nicht zwischen Aufhebbarkeit und Nichtigkeit einer Ehe. Eine Ehe ist, ebenso wie ggf. der Ehevertrag, entsprechend dem numerus clausus des Art. 27 Abs. 1 FGB aus folgenden Gründen von Anfang an nichtig:
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Fehlen einer der materiellen Ehevoraussetzungen (beiderseitiger Ehewille und Ehefähigkeitsalter bzw. Gestattung der vorzeitigen Eheschließung); |
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Verstoß gegen ein Eheverbot i.S.d. Art. 14 FGB (Verwandtschaft, Doppelehe, gerichtliche Erklärung der Geschäftsunfähigkeit); |
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Verheimlichung einer Geschlechtskrankheit oder Aids-Infektion durch eine Partei (Art. 15 Abs. 3 FGB); |
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beiderseitige oder einseitige Scheinehe. |
Rz. 5
Die Feststellung der Ehenichtigkeit erfolgt auf Antrag einer der Parteien (Art. 28 Abs. 1 FGB). Bei Verstoß gegen ein Eheverbot i.S.d. Art. 14 FGB kann die Nichtigkeit von jedermann, dessen Interessen durch die Eheschließung verletzt sind, im Klageverfahren geltend gemacht werden. In einigen Fällen – nicht genehmigte Ehe eines Minderjährigen, Zwang, Täuschung, Unzurechnungsfähigkeit, Eheverbot i.S.d. Art. 14 FGB oder Scheinehe – ist der Staatsanwalt antragsberechtigt. Die Vormundschafts- und Pflegschaftsbehörde hat außerdem das Klagerecht in den Fällen nicht genehmigter Ehen von Minderjährigen oder von Verstößen gegen ein Eheverbot i.S.d. Art. 14 FGB. Die Eltern Minderjähriger, deren Eheschließung nicht genehmigt wurde, und der Vormund eines gerichtlich für geschäftsunfähig Erklärten haben ebenfalls ein eigenes Klagerecht. Ehenichtigkeitsklagen verjähren wie alle familienrechtlichen Klagen grundsätzlich nicht (Art. 9 Abs. 1 FGB). Einzige Ausnahme ist die Nichtigkeitsklage wegen Verheimlichung einer Geschlechtskrankheit oder Aids-Infektion entsprechend Art. 15 Abs. 3 FGB. Die Klage verjährt mit Ablauf eines Jahres, nachdem der andere Ehegatte von der Verheimlichung Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können (Art. 169 Abs. 4 FGB i.V.m. Art. 181 Abs. 2 ZGB).
Rz. 6
Das befasste Gericht kann die Wirksamkeit der Ehe feststellen, wenn die Nichtigkeitsgründe nachträglich entfallen sind (Art. 29 Abs. 1 FGB). Es kann die Nichtigkeitsfeststellung versagen, wenn die Klage sich gegen einen Minderjährigen richtet, dessen Interessen den weiteren Bestand der Ehe erfordern oder der mit der Feststellung der Ehenichtigkeit nicht einverstanden ist (Art. 29 Abs. 2 FGB). Die Nichtigkeit einer geschiedenen Ehe kann nicht festgestellt werden, es sei denn, es wurde gegen das Verbot der Ehe zwischen Verwandten oder der Doppelehe verstoßen (Art. 29 Abs. 4 FGB). Die Feststellung einer Scheinehe scheidet aus, wenn die Parteien noch vor der Gerichtsverhandlung tatsächlich eine eheliche Gemeinschaft eingegangen sind (Art. 29 Abs. 3 FGB).
Rz. 7
Aus einer nichtigen Ehe erwachsen grundsätzlich keine ehelichen Rechte und Pflichten mit Ausnahme der in Art. 30 FGB ausdrücklich genannten Rechtsfolgen, die denen einer wirksamen Ehe u.U. nahekommen (Art. 30 Abs. 1 FGB). Die aus der Verbindung hervorgegangenen Kinder gelten als ehelich. Der Güterstand ist gemeinsames Bruchteilseigentum (dolevaja sobstvennost’) entsprechend Art. 245–252 ZGB. Der gutgläubige geschädigte Ehegatte hat einen zivilrechtlichen Anspruch auf Schadensersatz, einschließlich Schmerzensgeld. Er kann den gemeinsamen Ehenamen weiterführen. Die Regeln für die Scheidungsfolgen, die Vermögensteilung und den Unterhalt können in seinem Interesse angewandt und dem Ehevertrag kann vollständig oder teilweise Wirksamkeit zuerkannt werden (Art. 30 Abs. 2–5 FGB).