Rz. 76

Den Anspruch auf nachehelichen Unterhalt regelt Art. 90 FGB. Voraussetzung für den Unterhaltsanspruch ist die Leistungsfähigkeit des verpflichteten geschiedenen Ehegatten. Anspruch auf nachehelichen Unterhalt hat:

die geschiedene Ehefrau während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von drei Jahren ab der Geburt des gemeinsamen Kindes unabhängig von ihrer Bedürftigkeit;
der bedürftige geschiedene Ehegatte, der ein gemeinsames behindertes Kind pflegt, bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes oder zeitlich unbegrenzt, wenn das Kind seit dem Kindesalter Behinderter der Gruppe I ist;
der erwerbsunfähige bedürftige geschiedene Ehegatte, wenn die Erwerbsunfähigkeit vor oder innerhalb eines Jahres nach der Ehescheidung eingetreten ist;[92]
der bedürftige geschiedene Ehegatte, wenn die Ehe lange Zeit[93] bestanden hat und er das Rentenalter innerhalb von fünf Jahren nach der Ehescheidung erreicht.
 

Rz. 77

Ungeachtet des Vorliegens aller Anspruchsvoraussetzungen kann das Gericht den Unterhaltsanspruch des erwerbsunfähigen bedürftigen geschiedenen Ehegatten (3. Fallgruppe) entsprechend Art. 92 FGB verneinen oder zeitlich begrenzen, wenn

die Erwerbsunfähigkeit infolge von Alkohol- oder Drogenmissbrauch oder einer vorsätzlich begangenen Straftat eingetreten ist,
die Ehe nicht lange bestanden hat oder
das Verhalten des den Unterhalt begehrenden geschiedenen Ehegatten innerhalb der Familie unwürdig war.
 

Rz. 78

Mangels einer vertraglichen Regelung des Unterhaltsanspruchs setzt das Gericht die Höhe der Unterhaltszahlungen unter Berücksichtigung der materiellen und familiären Lebensumstände beider Ehegatten und sonstiger zu beachtender Umstände fest (Art. 91 FGB). Unterhaltsleistungen für geschiedene Ehegatten werden – im Unterschied zum Kindesunterhalt – als monatlich zu zahlender Festbetrag zugesprochen. Der Berechtigte hat Anspruch auf Anpassung des Betrags an die Geldwertentwicklung gem. Art. 117 FGB (sog. Indexierung). Der Unterhaltsanspruch des erwerbsunfähigen bedürftigen geschiedenen Ehegatten erlischt, wenn der Unterhaltsberechtigte eine neue Ehe eingeht (Art. 120 Abs. 2, 4. Fallgruppe FGB).[94]

[92] Als erwerbsunfähig gilt seit dem 1.1.2019, wer das Rentenalter von 65 Jahren (bei Männern) bzw. 60 Jahren (bei Frauen) erreicht hat oder Behinderter der Gruppe I, II oder III ist. Dieses Recht erstreckt sich auch auf Personen, die das bisherige Rentenalter von 55 Jahren (bei Frauen) bzw. 60 Jahren (bei Männern) erreicht haben.
[93] Wann eine Ehe lange Zeit bestanden hat, ist umstritten. Zum Streitstand siehe Burian, ROW 1998, S. 88, 97.
[94] Schmidt, in: Nußberger, Einführung in das russische Recht, S. 195.

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