Leitsatz (amtlich)

Geht ein am letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist "um ca. 23.55 Uhr" in das Telefaxgerät eingelegter 19-seitiger Schriftsatz vollständig erst am folgenden Tag um 00.25 Uhr bei dem Berufungsgericht ein, so kann dem Berufungskläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 27.11.2012; Aktenzeichen 14 O 328/11)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Saarbrücken vom 27.11.2012 - 14 O 328/11 - wird als unzulässig verworfen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 32.801,99 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Berufung war nach § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist des § 520 Abs. 2 S. 1 ZPO begründet worden ist.

I. Das am 27.11.2012 verkündete Urteil des LG Saarbrücken wurde den Prozessbevollmächtigten der Beklagten ausweislich deren Empfangsbekenntnisses am 3.12.2012 zugestellt. Durch Fax-Schreiben vom 19.12.2012 an das Saarländische OLG legte die Beklagte rechtzeitig Berufung ein.

Durch Fax-Schreiben vom 23.1.2013 beantragten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten, die Berufungsbegründungsfrist bis zum 4.3.2013 zu verlängern. Dies wurde antragsgemäß bewilligt. Die Berufungsbegründung ging als vollständig unterschriebenes Fax (Fax-Nr. XXXXXX) jedoch erst am 5.3.2013 um 00:25 Uhr beim Berufungsgericht ein (Bl. 200 d.A.). Vorher, am 4.3.2013 ging ein unvollständiges Fax (Fax-Nr. XXXXXX) ohne Unterschrift um 23:56 beim Berufungsgericht ein, außerdem am 5.3.2013 um 00:03 Uhr und um 00:15 Uhr jeweils erneut unvollständige, nicht unterschriebene Fax-Schreiben (Fax-Nr. XXXXXX). Außerdem gingen nach 00:25 Uhr zwei weitere unvollständige Fax-Schreiben (Fax-Nr. XXXXXX) beim Berufungsgericht ein.

Auf entsprechenden Hinweis vom 6.3.2013 (Bl. 220 d.A.), den Beklagtenvertretern am 13.3.2013 zugegangen, beantragten diese mit Schriftsatz vom 25.3.2013, am selben Tag bei Gericht eingegangen, die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand (Bl. 276 d.A.) und behaupteten, die Berufungsbegründung sei "um ca. 23:55 Uhr" in das Telefaxgerät eingelegt worden. Ihre zuverlässige Büroangestellte, die eine entsprechende eidesstattliche Versicherung unterzeichnet hat (Bl. 279 d.A.), habe sich davon überzeugt, dass alle 19 Seiten eingelesen seien und im Display "senden" erschienen sei. In der eidesstattlichen Versicherung ist weiter ausgeführt, dass die Büroangestellte kurz vor 0:00 Uhr zum Faxgerät gegangen sei, welches sich auf Wahlpause befunden habe, und den kompletten Schriftsatz nochmals in das zweite Faxgerät gelegt und übersandt habe. Um welche Uhrzeit dies geschehen sei, wird nicht angegeben. Später seien zwei Protokolle mit den Vermerken "Übertragungsfehler" und "keine Verbindung" ausgedruckt worden. Diese seien nicht aufbewahrt worden.

Auf gerichtliche Aufforderung an die Beklagtenvertreter nachzuweisen, dass ihre Telefaxgeräte in der Lage seien, einen 19seitigen Schriftsatz bei Einlage um 23:55 Uhr bis 24:00 Uhr bei regulärem Betrieb vollständig zu übermitteln (Bl. 290 d.A.) übersandten die Beklagtenvertreter einen Sendebericht, der angibt, dass die Übersendung des 19seitigen Schriftsatzes von einem Faxgerät der Kanzlei auf das andere Faxgerät der Kanzlei 2:21 Minuten gedauert habe (Bl. 298 d.A.). Den Beklagtenvertretern ist außerdem Gelegenheit zur Stellungnahme zum Fax-Empfangsprotokoll des Saarländischen OLG vom 5.3.2013 (Bl. 321 d.A.) gegeben worden.

II. Die Berufungsbegründungsfrist beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils (§ 520 Abs. 2 S. 1 ZPO). Durch Verfügung vom 24.1.2013 war sie bis zum 4.3.2013 verlängert worden. Bis zu diesem Tag war beim Saarländischen OLG keine unterschriebene Berufungsbegründung eingegangen. Diese ging vielmehr erst am 5.3.2013 um 00:25 Uhr ein (Bl. 200 d.A.). Das war verspätet, denn die Frist ist nur gewahrt, wenn die gesendeten Signale vom Telefaxgerät noch vor Ablauf des letzten Tages der Frist vollständig empfangen werden (BFH, Beschl. v. 15.11.2012 - BFH/NV 2013, 401) und die Begründungsschrift unterzeichnet ist (BGH, Beschl. v. 15.6.2004 - VI ZB 9/04, MDR 2004, 1252).

Eine Wiedereinsetzung kommt nicht in Betracht. Sie ist auf Antrag zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden an der Einhaltung einer gesetzlichen Frist verhindert war (§ 233 ZPO). Dies setzt in formeller Hinsicht voraus, dass innerhalb einer Frist von einem Monat (§ 234 Abs. 1 ZPO bei der Berufungsbegründung) nach Wegfall des Hindernisses die versäumte Rechtshandlung nachgeholt und diejenigen Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, aus denen sich die schuldlose Verhinderung ergeben soll. Die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen können, sind innerhalb dieser Frist vollständig, substantiiert und in sich schlüssig darzulegen (BFH, Beschl. v. 15.11.2012 - BFH/NV 2013, 401).

Jedes Verschulden - auch einfache Fahrlässigkeit - schließt die Wied...

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