Leitsatz (amtlich)

1. Für die Rechtzeitigkeit des Eingangs eines per Telefax übermittelten Schriftsatzes kommt es allein darauf an, ob die gesendeten Signale noch vor Ablauf des letzten Tages der Frist, d.h. spätestens um 23 Uhr 59 Minuten und 59 Sekunden des letzten Tages der Frist, vom Telefaxgerät des Gerichts vollständig empfangen (gespeichert) worden sind.

2. Das Gericht ist nicht verpflichtet, ein Telefaxgerät zu verwenden, dessen Systemzeit der (gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EinhZeitG von der physikalisch-technischen Bundesanstalt per Funk übermittelten) exakten physikalischen Zeit entspricht. Verwendet das Gericht ein Telefaxgerät, dessen Systemzeit manuell eingestellt wird, besteht auch keine Verpflichtung zur physikalisch exakten Dokumentierung der betreffenden Zeitangabe. Eine mögliche Ungenauigkeit der Zeiterfassung bei manueller Einstellung ist dem Absender nicht zugute zu halten.

3. Die Fristversäumnis ist nur dann unverschuldet, wenn der Absender des Telefax mit der Übermittlung so rechtzeitig begonnen hat, dass er unter gewöhnlichen Umständen mit dem Abschluss des Übermittlungsvorgangs noch vor Fristablauf rechnen konnte.

 

Normenkette

ZPO § 520 Abs. 2, § 522 Abs. 1, § 233; EinhZeitG §§ 4, 6 Abs. 2 S. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Regensburg (Urteil vom 18.10.2011; Aktenzeichen 4 O 1391/10 (3))

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Schlussurteil des LG Regensburg vom 18.10.2011, Aktenzeichen 4 O 1391/10 (3), wird verworfen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 43.979,71 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Gegenstand des zunächst im Urkundenprozess geführten Rechtsstreits sind im Wege der Klage und der Widerklage geltend gemachte gegenseitige Forderungen im Zusammenhang mit der Vermietung der Immobilie H ... in L ... durch den Kläger an den Beklagten, insbesondere auf Zahlung von Mietzins und Nebenkosten, auf Ersatz für am Mietobjekt vorgenommene Verbesserungsmaßnahmen und auf Ausgleich hierdurch geschaffener Wertsteigerung des Objekts. Hinsichtlich eines erstinstanzlich weiter geltend gemachten Räumungs- und Herausgabebegehrens wurde der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des LG Regensburg vom 18.10.2011 Bezug genommen.

Das LG Regensburg hat aufgrund mündlicher Verhandlung vom 14.9.2010 unter dem 12.10.2010 folgendes Teil-Vorbehaltsurteil und Teil-Endurteil erlassen:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.650 EUR nebst Zinsen ... zu zahlen.

2. Dem Beklagten bleibt die Ausführung seiner Rechte vorbehalten.

3. Hinsichtlich der darüber hinausgehenden geltend gemachten Zinsen ... wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Im Nachverfahren hat das LG Regensburg unter dem 18.10.2011 folgendes Schlussurteil erlassen:

1. Das Teil-Vorbehaltsurteil und Teil-Endurteil vom 14.9.2010 wird aufgehoben, soweit nicht gem. Ziff. 3 des Urteils Teilklageabweisung erfolgte.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.990 EUR nebst Zinsen ... zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Der Kläger wird verurteilt, an den Beklagten 37.379,71 EUR nebst Zinsen ... zu zahlen. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

5. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 75 % und der Beklagte 25 % zu tragen.

6. Das Urteil ist jeweils gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die vom Kläger hiergegen eingelegte Berufung.

Das angefochtene Schlussurteil ist dem Klägervertreter am 14.11.2008 zugestellt worden (EB nach Bl. 196 d.A.). Am 13.12.2011 ist eine Berufungsschrift des Klägervertreters vom selben Tag beim OLG Nürnberg eingegangen (Bl. 210 ff. d.A.). Die Frist zur Berufungsbegründung wurde auf Antrag des Klägervertreters vom 12.1.2012 bis 14.2.2012 verlängert (Bl. 217 d.A.).

Die 8 Seiten umfassende Berufungsbegründung mit Schriftsatz des Klägervertreters vom 14.2.2012 (Bl. 219 ff. d.A.) wurde dem OLG Nürnberg lediglich per Telefax übermittelt; als Zeitpunkt des Faxeingangs bei Gericht trägt jede Seite der Berufungsbegründung jeweils die Angabe "15/02 2012 MI 00:00". Damit ist die Übermittlung der Berufungsbegründung an das OLG mit am 15.2.2012 um 00.00 Uhr beginnender Faxsendung erfolgt; die Dauer der Übermittlung betrug insgesamt 2 Minuten und 10 Sekunden.

Die letzte Seite des Schriftsatzes des Berufungsklägervertreters vom 14.2.2012 (Bl. 228 d.A.) wurde nachfolgend per Telefax nochmals an das OLG übermittelt. Nach dem in der Fußzeile befindlichen Empfangsvermerk des Faxgeräts des Gerichts "15/02 2012 MI 00.06" ist die Übermittlung dieser Seite an das OLG mit am 15.2.2012 um 00.06 Uhr beginnender Faxsendung erfolgt; die Dauer der Übermittlung betrug insgesamt 28 Sekunden.

Der Kläger hat im Berufungsverfahren mit dem genannten Schrifts...

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