Leitsatz (amtlich)
1. Neu hinzutretende Umstände können der Vollstreckung eines Umgangstitels nur dann zur Wahrung des Kindeswohls entgegenstehen, wenn darauf auch ein zulässiger Antrag auf Abänderung des Ausgangstitels und auf Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 93 Abs. 1 Nr. 4 FamFG gestützt ist (Anschluss an BGH FamRZ 2012, 533).
2. Bis zur Grenze des § 1684 Abs. 4 BGB ist auf die Auflösung eines Loyalitätskonflikts nicht ohne, sondern durch Umgang mit dem anderen Elternteil hinzuarbeiten.
3. Der betreuende Elternteil handelt dem Umgangstitel zuwider, wenn es dem Kind im Ergebnis freistellt, ob es den Umgang mit dem anderen Elternteil wahrnimmt oder nicht.
4. § 89 Abs. 4 erlegt dem Verpflichteten die Darlegungs- und Feststellungslast hinsichtlich der Gründe auf, aus denen er die Zuwiderhandlung gegen den Umgangstitel nicht zu vertreten haben will. Beruft sich daher ein Elternteil bei Zuwiderhandlung gegen einen Umgangstitel auf den entgegenstehenden Willen des Kindes, wird ein fehlendes Vertretenmüssen nur dann anzunehmen sein, wenn er im Einzelfall gehaltvoll darlegt, wie er auf das Kind hingewirkt hat, um es zum Umgang zu bewegen. Dass erzieherisch überzeugendes Auftreten des betreuenden Elternteils eines Kindes im Alter von sechs bis acht Jahren nicht zur Herstellung des Umgangs führen würde, kann vorbehaltlich besonderer Einzelfallumstände nicht angenommen werden.
5. Zu den Kriterien für die Höhe des Ordnungsgeldes und der ersatzweise festgesetzten Ordnungshaft.
Verfahrensgang
AG Saarlouis (Beschluss vom 24.11.2011; Aktenzeichen 20 F 248/10 OV2) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird gegen die Antragsgegnerin unter Abänderung des Beschlusses des AG - Familiengericht - in Saarlouis vom 24.11.2011 - 20 F 248/10 OV2 - ein Ordnungsgeld von 300 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft angeordnet, wobei je 50 EUR einem Tag Ordnungshaft entsprechen.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten beider Instanzen.
3. Dem Antragsteller wird mit Wirkung vom 13.12.2011, der Antragsgegnerin mit Wirkung vom 9.1.2012 für das Beschwerdeverfahren jeweils ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt, dem Antragsteller unter gleichzeitiger Beiordnung von Rechtsanwalt, Völklingen-Ludweiler, der Antragsgegnerin unter gleichzeitiger Beiordnung von Rechtsanwalt, Saarlouis.
Gründe
I. Aus der am 26.9.2002 geschlossenen, seit Beschluss des AG -Familiengericht - in Saarlouis vom 26.5.2011 - 20 F 20/11 S - rechtskräftig geschiedenen Ehe des Antragstellers (Vater) und der Antragsgegnerin (Mutter), die beide Deutsche sind, ging am 17.3.2004 das verfahrensbetroffene Kind C. hervor. Während ihres Zusammenlebens nahmen die Eltern außerdem die am 29.10.2007 geborene Pflegetochter M. in ihren Haushalt auf. Seit der Trennung der Eltern im Januar 2010 leben beide Kinder bei der Mutter.
Nach der Trennung kam zunächst nur - durch die Mutter begleiteter Umgang - des Vaters mit beiden Kindern auf einem Sportplatz zustande. Durch Vermittlung des Jugendamtes wurde dem Vater in der Nachfolge ein regelmäßiges unbegleitetes Umgangsrecht mit M. eingeräumt, das er seitdem und bis heute alle 14 Tage ausübt.
Da der Vater sich letztmals mit C. allein Mitte Juni 2010 auf einem Sportfest unterhalten konnte und kurze Zeit später auch der Telefonkontakt zu C. erstarb, leitete er beim erkennenden Familiengericht das Umgangseilverfahren 20 F 248/10 EAUG ein. Nachdem die Mutter unter Berufung auf eine nicht näher von ihr beschriebene "psychische Erkrankung" des Vaters und einen entgegenstehenden Willen C. s, der seit August 2010 in psychotherapeutischer Behandlung bei dem Dipl.-Psychologen G. in Saarlouis ist, nur begleiteten Umgang gewähren wollte, schlossen die Eltern am 2.9.2010 mit Billigung des Gerichts einen Vergleich, in dem dem Vater ein Umgang mit C. am Sonntag, dem 12.9.2010 von 10 bis 18 Uhr und drei weiteren, jeweils 14 Tage später liegenden Sonntagen zur selben Zeit und ab dem Wochenende vom 20./21.11.2010 ein solcher alle 14 Tage von samstags 10 Uhr bis sonntags 18 Uhr eingeräumt wurde. Der Vater wurde zu pünktlichem Abholen und Zurückbringen C. s und die Mutter dazu verpflichtet, dem Vater das Kind ausgehbereit zu übergeben. In der Nachfolge wurde der Vater sowohl am 12. als auch am 26.9.2010 pünktlich bei der Mutter vorstellig, um C. und M. abzuholen. Während M. - wie stets - mit dem Vater mitging, lehnte es der damals sechsjährige C. ab, den Vater zu begleiten.
Nachdem auch in der Folgezeit C. dem Vater bei Abholung jeweils gesagt hatte, nicht mit ihm mitgehen zu wollen, dem geschlossenen Vergleich indes kein Hinweis auf die Folgen der Zuwiderhandlung eines Elternteils gegen den Vergleich beigegeben worden war, erwirkte der Vater diese Folgenankündigung im Verfahren 20 F 99/11 UG. Dort wies das Familiengericht mit Beschl. v. 14.4.2011 - unter erneuter Billigung der Umgangsregelung vom 2.9.2010 - darauf hin, dass bei Zuwiderhandlung gegen diesen gerichtlich gebilligten Vergleich das Gericht g...