Entscheidungsstichwort (Thema)
Räumung
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Vorlegungsbeschluss vom 23.03.1992; Aktenzeichen 13 BS 4/92) |
AG Saarbrücken (Aktenzeichen 24 b C 906/91 Z) |
Tenor
Die Anwendung von § 564 b Abs. 4 BGB erfordert bei einem Mietverhältnis über eine Wohnung in einem vom Vermieter selbst bewohnten Wohngebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen nicht, daß der Vermieter und der Mieter im Zusammenhang mit der Benutzung ihrer Wohnungen in dem Wohngebäude eine Gelegenheit zum Zusammentreffen haben; insbesondere ist nicht erforderlich, daß ein gemeinsames Treppenhaus, ein gemeinsamer Hauseingang oder sonstige gemeinschaftlich zu nutzende Räume oder Flächen vorhanden sind.
Tatbestand
I.
Die Kläger sind Eigentümer des in … gelegenen Wohngebäudes, das sie selbst bewohnen und in dem sich neben der von ihnen selbst genutzten Wohnung nur noch eine aus einem Wohn/Schlafzimmer, einer Küche und einem Bad bestehende Einliegerwohnung befindet, die die Beklagte aufgrund eines 1983 mit den Klägern mündlich abgeschlossenen Mietvertrages bewohnt.
Die beiden Wohnungen haben im Hausinnern keine Verbindung; auch fehlt es an einem gemeinsam genutzten Raum. Zu beiden Wohnungen führt von der Straße her je ein getrennter Gartenweg; jede Wohnung hat eine besondere Eingangstür. Der Eingang zu der Wohnung der Kläger liegt auf der von der Straße her gesehen linken Hausseite, während der Eingang zu der Einliegerwohnung auf der rechten Hausseite liegt. Die Fenster der Einliegerwohnung öffnen sich zur seitlichen Gartenfläche und zum Vorgarten des Hauses, nicht aber zu dem rückwärtig gelegenen Garten.
Mit Schreiben ihrer Prozeßbevollmächtigten vom 3.9.1990, das der Beklagten am 5.9.1990 zugegangen ist, haben die Kläger das Mietverhältnis gekündigt und angegeben, daß die Kündigung auf § 564 b Abs. 4 BGB gestützt wird. Die Beklagte hat der Kündigung widersprochen und geltend gemacht, die Voraussetzungen des § 564 b Abs. 4 BGB seien nicht gegeben; es handele sich nicht um ein typisches Zweifamilienhaus, weil die Wohnungen verschiedene Eingänge hätten und die Parteien keine „täglichen Lebenskontakte unter einem Dach” hätten.
Auf die am 12.7.1991 zugestellte Räumungsklage hat das Amtsgericht in Saarlouis durch am 5.12.1991 verkündetes Urteil die Beklagte unter Bewilligung einer Räumungsfrist bis zum 28.2.1992 zur Räumung der Wohnung verurteilt. Es hat ausgeführt, die Kläger seien gemäß § 564 b Abs. 4 BGB, dessen Voraussetzungen erfüllt seien, zur Kündigung berechtigt gewesen; das sich aus § 564 b Abs. 4 BGB ergebende Sonderkündigungsrecht erfordere nicht „eine enge Tuchfühlung und ein besonderes tägliches enges Zusammenleben” zwischen den Parteien; die Vorschrift setze nur ein vom Vermieter selbst bewohntes Wohngebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen voraus; sei diese Situation gegeben, so bestünden, auch wenn getrennte Eingänge vorhanden seien und wenn von einem häufigen Zusammentreffen der Parteien nicht ausgegangen werden könne, doch zahlreiche Berührungspunkte zwischen den Mietvertragsparteien, die zu Störungen führen könnten, was für eine dem Zweck der Bestimmung entsprechende Anwendung ausreiche.
Gegen das Urteil des Amtsgerichts hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese auch ordnungsgemäß begründet. Sie greift die Rechtsausführungen des Amtsgerichts zu § 564 b Abs. 4 BGB an und verfolgt mit ihrer Berufung die Abweisung der Klage.
Das Landgericht hat – wegen grundsätzlicher Bedeutung – dem Oberlandesgericht folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:
„Ist die Anwendung des § 564 b Abs. 4 BGB ausgeschlossen, wenn die Parteien in dem gemeinsam bewohnten Haus keine Gelegenheit zum Zusammentreffen haben; gilt dies insbesondere dann, wenn kein gemeinsames Treppenhaus und kein gemeinsamer Hauseingang vorhanden sind und auch sonstige gemeinschaftlich zu nutzende Einrichtungen (wie z. B. Wäscheraum etc.) fehlen”.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt:
Die Kammer beabsichtige, die Berufung zurückzuweisen. Sie vertrete in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht die Auffassung, daß die Nutzung von gemeinschaftlich betriebenen Anlagen wie z. B. der Heizung, aber auch die im Regelfall nicht so stark ausgeprägte Schallisolierung in einem Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung die Anwendung von § 564 b Abs. 4 BGB rechtfertige, weil auch insoweit Konfliktmöglichkeiten vorgegeben seien, deren Ausschaltung der Gesetzgeber durch ein erleichtertes Kündigungsrecht haben gewähren wollen. Soweit in der Rechtsprechung und der Literatur zu § 564 b Abs. 4 BGB eine enge Auslegung gefordert werde, weil es sich um eine Ausnahmevorschrift zu § 564 b Abs. 1 BGB handele, könne dies nicht überzeugen, weil von eindeutigen Wortlaut der Vorschrift her eine einschränkende Auslegung nicht geboten sei; außerdem ließen sich die Regeln über die Auslegung von Ausnahmevorschriften nicht ohne weiteres anwenden, weil zwar von einer Ausnahmeregelung in Bezug auf § 564 b Abs. 1 und 2 BGB, nicht aber von einer solchen zu Art. 14 Abs. 1 GG gesprochen w...