Leitsatz (amtlich)
Ein generelles Haustierhaltungsverbot ist einem Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer nicht zugänglich.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Beschluss vom 10.03.2006; Aktenzeichen 5 T 588/05) |
AG St. Ingbert (Beschluss vom 07.10.2005; Aktenzeichen 3-II 5/05) |
Tenor
1. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner wird der Beschluss des LG Saarbrücken vom 10.3.2006 - 5 T 588/05 - abgeändert. Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des AG St. Ingbert vom 7.10.2005 - 3II5/05 wird zurückgewiesen.
2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.750 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien sind Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft S. Straße in St. Ingbert.
Beide Antragsgegner halten in ihrer im obersten Stockwerk gelegenen Wohnung seit mehr als einem Jahr einen Hund der Rasse Dobermann.
Die Wohnungseigentümergemeinschaft hatte vor Anschaffung des Hundes der Antragsgegner durch unangefochtenen Mehrheitsbeschluss eine Hausordnung verabschiedet, deren Ziff. 4 den Wohnungseigentümern und Mietern das Halten der nach der Verabschiedung dieser Hausordnung angeschafften Haustiere verbietet.
Die Antragsteller haben erstinstanzlich beantragt, die Antragsgegner zur Beseitigung einer Terrassentürverkleidung und zur Entfernung des Hundes zu verpflichten.
Mit Beschluss vom 7.10.2005 (Bl. 77 d.A.) hat das AG beide Anträge zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss haben die Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt, die sie in der mündlichen Verhandlung vor dem LG lediglich noch hinsichtlich des Antrags auf Entfernung des Hundes weiterverfolgt haben. Das LG hat die Antragsgegner mit Beschluss 10.3.2006 (Bl. 90 ff.) zur Entfernung des Hundes verpflichtet. Es hat die Auffassung vertreten, der Wohnungseigentümerbeschluss betreffend die Hausordnung sei wirksam, für die Antragsgegner damit verbindlich, so dass sie gem. §§ 1004 BGB i.V.m. § 15 Abs. 3 WEG zur Entfernung des von ihnen gehaltenen Hundes verpflichtet seien. Die Durchsetzung des Verbotes verstoße im konkreten Fall auch nicht gegen Treu und Glauben.
Gegen diesen ihnen am 11.4.2006 zugestellten Beschluss haben die Antragsgegner am 20.4.2006 sofortige weitere Beschwerde eingelegt, mit dem Antrag,
unter Aufhebung des Beschlusses des LG den Antrag der Antragsteller kostenpflichtig zurückzuweisen und ihnen aufzugeben, die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner zu erstatten.
Sie sind der Auffassung, das LG habe verkannt, dass ein grundsätzliches Verbot jedweder Tierhaltung eine unverhältnismäßige Einschränkung des Kernbereichs des Wohnungseigentums darstelle und gegen § 138 BGB verstoße, so dass der die Hausordnung festlegende streitgegenständliche Mehrheitsbeschluss nicht nur anfechtbar sondern nichtig sei. Das Verbot sei nicht verwirkt. Sie behaupten bei der Durch-setzung des Verbotes handele es sich um Schikane, da ein anderer Wohnungseigentümer einen Hasen und einen Hund und ein weiterer Wohnungseigentümer einen Hund halte.
II. Die sofortige weitere Beschwerde ist nach §§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 WEG, 27, 29 FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt.
Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg, da die Entscheidung des LG auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG). Zwar ist der Wohnungseigentümerbeschluss nicht bereits wegen fehlender Beschlusskompetenz unwirksam, seine Nichtigkeit ergibt sich daraus, dass das darin geregelte generelle Haustierhaltungsverbot gegen §§ 13 Abs. 1, 15 Abs. 2 WEG verstößt und daher gem. § 134 BGB nichtig ist.
1. Die Beschlusskompetenz hat das LG in Übereinstimmung mit der Entscheidung des BGH vom 20.9.2000 (BGH v. 20.9.2000 - V ZB 58/99, BGHZ 145, 158 = MDR 2000, 1367 m. Anm. Riecke) ohne Rechtsfehler bejaht. Bei dem streitgegenständlichen Beschluss über die Hausordnung, die ein generelles Haustierhaltungsverbot vorsieht, handelt es sich um eine Regelung des Gebrauchs des Sonder- und Gemeinschaftseigentums. Gesetzliche Regelungen oder Vereinba-rungen der Wohnungseigentümer, die durch Mehrheitsbeschluss nicht abgeändert werden dürfen, bestehen nicht. Vielmehr räumt § 15 Abs. 2 WEG den Wohnungseigentümern ausdrücklich die Möglichkeit einer Mehrheitsentscheidung ein, sofern es um die "Ordnungsmäßigkeit" des Gebrauchs geht. Die Wohnungseigentümerversammlung ist also nicht von vornherein für eine Beschlussfassung absolut unzuständig. Sie darf nur keine Beschlüsse fassen, die über die "Ordnungsmäßigkeit" des Gebrauchs hinausgehen. Da dies aber von den Umständen des Einzelfalls abhängt und die Frage der Abgrenzung vielfach nicht leicht zu entscheiden ist, kann die Beschlusszuständigkeit nicht davon abhängen, ob eine Maßnahme ordnungsmäßig ist. Die "Ordnungsmäßigkeit" ist daher aus Gründen der Rechtssicherheit nicht kompetenzbegründend. Die Überschreitung der Grenzen eines ordnungsgemäßen Gebrauchs begründet lediglich die Anfechtbarkeit einer solchen Beschlussfassu...