Leitsatz (amtlich)
Der Besetzungseinwand nach § 222b StPO kann sich nur auf solche Fälle vorschriftswidriger Besetzung in erstinstanzlichen Verfahren vor dem Landgericht und Oberlandesgericht beziehen, die auch von § 338 Nr. 1 StPO erfasst sind.
Normenkette
StPO §§ 222b, 338 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Entscheidung vom 30.07.2021; Aktenzeichen 8 KLs 5/20) |
Tenor
Der Besetzungseinwand wird auf Kosten des Angeklagten als unzulässig
v e r w o r f e n.
Gründe
I.
Gegen den Angeklagten ist Anklage wegen Betruges in Tateinheit mit Untreue und Bestechlichkeit zum Landgericht Saarbrücken - Wirtschaftsstrafkammer - erhoben. Mit Beschluss vom 30.07.2021 hat die 8. Strafkammer des Landgerichts Saarbrücken als Wirtschaftsstrafkammer II die Anklage zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Im ersten Hauptverhandlungstermin vom 29.09.2021 hat der Verteidiger des Angeklagten "die Besetzung der Wirtschaftsstrafkammer II, verbunden mit dem entsprechenden Besetzungseinwand, zu der Beisitzerin Frau Richterin K." gerügt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, dass der frühere Verteidiger des Angeklagten zum Zeitpunkt seiner Mandatierung im vorliegenden Verfahren Sozius der Rechtsanwaltskanzlei H. in Saarbrücken gewesen sei und die Richterin K. zu dieser Zeit als angestellte Rechtsanwältin in dieser Kanzlei tätig gewesen sei, weshalb von einer Vorbefassung der Richterin im Sinne des § 22 Nr. 4 StPO auszugehen sei. Mit Schriftsatz vom 01.10.2021 hat der Verteidiger die Rüge der Besetzung des Gerichts mit der Richterin K. wiederholt und den insoweit erhobenen Besetzungseinwand aufrecht erhalten. Darüber hinaus hat er in diesem Schriftsatz für den Angeklagten einen Befangenheitsantrag gegen die Richterin K. gestellt, den er unter näheren Ausführungen ebenfalls mit der vormaligen Tätigkeit der Richterin als angestellte Rechtsanwältin in der genannten Rechtsanwaltskanzlei begründet hat.
Mit Beschluss vom 20. Oktober 2021 hat die Wirtschaftsstrafkammer die Besetzungsrügen vom 29.09.2021 und 01.10.2021 als unbegründet zurückgewiesen und die Akte dem Saarländischen Oberlandesgericht zur Vorabentscheidung über den Besetzungseinwand vorgelegt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, dass die Richterin K. nicht gemäß § 22 Nr. 4 StPO von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen sei.
II.
1. Der vom Angeklagten erhobene Besetzungseinwand, über den der Senat gemäß § 222b Abs. 3 Satz 1 StPO i.V.m. § 121 Abs. 1 Nr. 4 GVG zur Entscheidung berufen ist, nachdem die Wirtschaftsstrafkammer den Besetzungseinwand für nicht begründet erachtet hat, erweist sich bereits als unzulässig. Mit seinem Vorbringen kann der Angeklagte im Rahmen eines Einwandes der vorschriftswidrigen Besetzung des Gerichts schon dem Grunde nach nicht gehört werden, weshalb der Besetzungseinwand nicht statthaft ist.
Der in § 222b StPO geregelte Einwand, dass das Gericht vorschriftswidrig besetzt sei, kann sich im Hinblick auf die in § 338 Nr. 1 Halbsatz 2 StPO für die Besetzungsrüge normierte Rügepräklusion nach der gesetzlichen Systematik nur auf solche Fälle vorschriftswidriger Besetzung in erstinstanzlichen Verfahren vor dem Landgericht und Oberlandesgericht beziehen, die auch von § 338 Nr. 1 StPO erfasst sind. Insoweit ist - worauf die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend hinweist - jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jede Verletzung der gesetzlichen Vorschriften über die mitwirkenden Richter dazu führt, dass die Besetzung des Gerichts im Sinne des § 338 Nr. 1 Halbsatz 1 StPO vorschriftswidrig ist (vgl. LR-Franke, StPO, 26. Aufl., § 338 Rn. 6). Letzteres gilt insbesondere auch für die Fälle, in denen die Mitwirkung eines kraft Gesetzes ausgeschlossenen Richters geltend gemacht wird (vgl. SK-StPO/Frisch, 5. Aufl., § 338 Rn. 9), da der Gesetzgeber insoweit in § 338 Nr. 2 StPO einen eigenen Revisionsgrund geschaffen hat und diese Vorschrift gegenüber § 338 Nr. 1 StPO vorrangig ist (vgl. LR-Franke, a.a.O., § 338 Rn. 61; SK-StPO/Frisch, a.a.O., § 338 Rn. 71; KK-StPO/Gericke, 8. Aufl., § 338 Rn. 57; MüKo-StPO/Knauer/Kudlich, § 338 Rn. 54; SSW-StPO/Momsen/Momsen-Pflanz, 4. Aufl., § 338 Rn. 24). So liegt der Fall aber hier. Denn der Angeklagte hat mit seinem Einwand ausschließlich geltend gemacht, dass die Richterin K. aufgrund ihrer früheren Tätigkeit als Rechtsanwältin in der Kanzlei, der sein vormaliger Verteidiger angehört hat, kraft Gesetzes von der Mitwirkung an dem Verfahren ausgeschlossen sei. Da dieses Vorbringen somit eine Besetzungsrüge nach § 338 Nr. 1 StPO schon dem Grunde nach nicht zu begründen vermag, kann es auch im Verfahren nach § 222b StPO von vornherein keine Berücksichtigung finden und ist mithin unstatthaft.
2. Der Besetzungseinwand wäre allerdings auch deshalb unzulässig, weil er nicht den an ihn nach § 222b Abs. 1 Satz 2 StPO zu stellenden Anforderungen genügt, wonach die Tatsachen, aus denen sich die vorschriftswidrige Besetzung ergeben soll, anzugeben sind.
a) Der Besetzungseinwand nach § 222b StPO ersetzt seit sein...