Leitsatz (amtlich)
Das im Rahmen der Wertfestsetzung geltende Additionsverbot bei Vorliegen wirtschaftlicher Identität ist - auch ohne ausdrückliche Formulierung einer gesamtschuldnerischen Inanspruchnahme in den Klageanträgen - auch dann zu beachten, wenn die geltend gemachte Rückabwicklung eines Kaufvertrages über ein Kraftfahrzeug gegenüber dem Verkäufer des Fahrzeugs auf kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche und gegenüber dem Hersteller auf deliktische Schadensersatzansprüche gestützt wird.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Aktenzeichen 12 O 254/17) |
Tenor
1. Auf die Beschwerden der Beklagten wird der Gebührenstreitwert für die erste Instanz unter teilweiser Abänderung der Wertfestsetzung in dem Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 2. August 2018 - 12 O 254/17 - auf 32.990 EUR festgesetzt.
2. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die Beschwerden der Beklagten zu 1 und zu 2 mit der sie die Herabsetzung des erstinstanzlichen Streitwerts von einem Betrag von 56.182 EUR auf einen Betrag von 28.990 EUR erstreben, sind gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die erforderliche Beschwer der Beklagte zu 2, die in erster Instanz obsiegt und nach der erstinstanzlichen Kostenentscheidung keine Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, ergibt sich aus dem Umstand, dass sie gegenüber ihrem Prozessbevollmächtigten aus dem Anwaltsvertrag vergütungspflichtig ist, wobei sich die geschuldeten Gebühren nach dem Streitwert richten und der für die Gerichtsgebühren gerichtlich festgesetzte Wert auch für die Gebühren des Rechtsanwalts maßgebend ist (§ 32 Abs. 1 RVG). Dass die Beklagte zu 2 gegenüber der Klägerin nach der erstinstanzlichen Kostenentscheidung einen Kostenerstattungsanspruch hat, beseitigt ihre Beschwer nicht (vgl. dazu OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 22. Januar 2016 - 10 W 53/15, NJW-RR 2016, 763, 764 Rn. 5; Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl., GKG § 68 Rn. 30; BeckOK KostR/Laube, 25. Edition, GKG § 68 Rn. 58; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 14. Aufl., Rn. 252).
Die Beschwerden der Beklagten zu 1 und der Beklagten zu 2 haben auch in der Sache insoweit Erfolg, als hinsichtlich der geltend gemachten Rückabwicklung des Kaufvertrags lediglich der einfache Wert des Rückzahlungsbegehrens der Klägerin anzusetzen war.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat im Rahmen der Wertfestsetzung im vorliegenden Fall eine Addition der Werte der Klageanträge zu 1 und zu 2 insoweit zu unterbleiben, als sich beide Klageanträge auf die Rückzahlung des Kaufpreises beziehen.
Sind Gegenstand eines Rechtsstreits mehrere Ansprüche, so werden nach § 39 Abs. 1 GKG bzw. nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i. V. mit § 5 Hs. 1 ZPO grundsätzlich die Einzelwerte zur Ermittlung des Streitwerts addiert. Dieser Grundsatz wird eingeschränkt durch die in den Wertvorschriften des Gerichtskostengesetzes geregelten - hier von vornherein nicht einschlägigen - Additionsverbote (§§ 43 bis 45, 48 Abs. 3 GKG) sowie das allgemeine Additionsverbot bei Vorliegen wirtschaftlicher Identität (BGH, Beschluss vom 16. Juli 2015 - IX ZR 136/14, BeckRS 2015, 13345 Rn. 3 ff.; BDZ/Dörndorfer, 4. Aufl., GKG, § 39 Rn. 2; Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, GKG § 39 Rn. 11).
Ein Fall wirtschaftlicher Identität der Ansprüche, bei dem eine Addition der Einzelwerte ausnahmsweise unterbleibt, ist in Bezug auf den mit dem Zahlungsantrag gegen die Beklagte zu 1 als Verkäuferin des Fahrzeugs gerichteten Gewährleistungsanspruch und den mit dem Klageantrag zu 2 gegenüber der Beklagten zu 2 als Herstellerin des Fahrzeugs verfolgten Antrag auf Feststellung des Bestehens eines Schadensersatzanspruchs gegeben.
Im Fall einer wie hier vorliegenden subjektiven Klagehäufung auf Beklagtenseite ist nach allgemeiner Auffassung von einer wirtschaftlichen Identität auszugehen, wenn die Beklagten als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 16. Juli 2015, a.a.O. Rn. 5; BGH, Beschluss vom 25. November 2003 - VI ZR 418/02, NJW-RR 2004, 638, 639; OLG Jena, Beschluss vom 18. Februar 2010 - 5 W 341/09, juris Rn. 9; OLG München, Beschluss vom 10. November 1992 - 21 W 2023/92, juris Rn. 6; Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., § 5 Rdnr. 8; BeckOK ZPO/Wendtland, 32. Edition, § 5 Rn. 4; MüKoZPO/Wöstmann, 5. Aufl., ZPO § 5 Rn. 20). Dies liegt darin begründet, dass der Kläger in einem solchen Fall die von den mehreren Beklagten geforderte Leistung bereits aus Gründen des materiellen Rechts insgesamt nur einmal verlangen kann und die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner gemäß §§ 421 f. BGB auch für die übrigen Gesamtschuldner wirkt (BGH, Beschluss vom 16. Juli 2015, a.a.O. Rn. 5; BGH, Beschluss vom 25. November 2003, a.a.O.).
Der Auffassung des Landgerichts, wonach es im vorliegenden Fall an einer gesamtschuldnerischen Inanspruchnahme der Beklagten durch die Klägerin als Voraussetzung eines Additionsverbots fehlt, kann nicht gefolgt werden. Die Klägerin hat sich zur...