Verfahrensgang
AG Saarbrücken (Beschluss vom 19.02.2013; Aktenzeichen 41 F 94/12 S) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - in Saarbrücken vom 19.2.2013 - 41 F 94/12 S - wird zurückgewiesen.
2. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die nach §§ 32 Abs. 2 RVG, 59 Abs. 1 FamGKG zulässige Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin bleibt in der Sache ohne Erfolg, denn das Familiengericht hat zu Recht den Verfahrenswert für die Scheidung auf 2.000 EUR und für den Versorgungsausgleich auf 1.000 EUR festgesetzt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Begründung hierzu in dem Nichtabhilfebeschluss des Familiengerichts vom 27.2.2013 Bezug genommen. Die Beschwerdeeinwände führen zu keiner anderen Beurteilung.
Zu Recht hat das Familiengericht angenommen, dass die von den Beteiligten Eheleuten bezogenen Sozialleistungen nicht als Einkommen i.S.v. § 43 FamGKG anzusehen sind und daher auch nicht in die nach § 43 Abs. 2 FamGKG vorzunehmende Berechnung des in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens einfließen. Ob Sozialleistungen zum "erzielten Nettoeinkommen" eines Beteiligten i.S.d. § 43 Abs. 2 FamGKG gehören, ist in der Rechtsprechung und Literatur umstritten. Zum Teil wird vertreten, staatliche Sozialleistungen seien als Einkommen zu behandeln (z.B. OLG Celle, NJW 2010, 3587; OLG Zweibrücken, FamRZ 2011, 992; OLG Brandenburg FamRZ 2011, 1423; Klüsener, in: Prütting/Helms, FamFG, 2. Aufl. 2011, § 43 FamGKG Rz. 12 f.; Thiel, in: Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 13. Aufl. 2011, Rz. 7144 m.w.N.). Nach der Gegenmeinung (u.a. OLG Bremen FamRZ 2012, 239; OLG Hamm FamRZ 2011, 1422; OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.3.2011 - 18 WF 56/11; s. auch OLG Karlsruhe, FamRZ 2002, 223; Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., Anh. § 3. "Ehesachen", m.w.N.) haben Sozialleistungen unberücksichtigt zu bleiben. Der 9. Zivilsenat des Saarländischen OLG hat sich der letztgenannten Auffassung angeschlossen (OLGReport Saarbrücken 2009, 846) und der Senat sieht keine Veranlassung, hiervon abzuweichen. Denn, wie hier, staatliche Sozialleistungen nach dem SGB II beruhen nicht auf Erwerbstätigkeit und sind daher Ausdruck fehlender eigener Mittel des Empfängers, die sie kompensieren sollen. Sie können kein Maßstab für dessen individuelle Belastbarkeit sein und sind dazu auch nicht bestimmt (OLG Saarbrücken, a.a.O.). Für diese Auslegung spricht letztlich auch der Wortlaut des § 43 Abs. 2 FamGKG, denn einkommensunabhängige Sozialleistungen werden nicht "erzielt", sondern bewilligt. (OLG Bremen, a.a.O., m.w.N.).
Zu einer anderen Beurteilung führt auch nicht die Erwägung, dass bei der Einführung des FamGKG im Jahr 2009 der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen hat, das Nettoerwerbseinkommen zum Maßstab der Berechnung des Gegenstandswerts zu machen und es keinen Grund gebe, bei Bezug von Sozialleistungen einen anderen Verfahrenswert festzulegen als in Fällen, in denen Erwerbseinkünfte lediglich i.H.v. Sozialleistungen erzielt werden (OLG Celle, a.a.O.). Dagegen spricht bereits, dass bei Berücksichtigung von Leistungen nach dem SGB II als Einkommen der Mindestverfahrenswert von 2.000 EUR gem. § 43 Abs. 1 S. 2 FamGKG weitgehend ohne Anwendungsbereich wäre, und es ist die Wertung des Gesetzgebers zu respektieren, wonach er es für angemessen erachtet hat, den schon seit vielen Jahren bestehenden Mindestverfahrenswert bei der Einführung des FamGKG unverändert zu lassen. Nachdem darüber hinaus das BVerfG es ausdrücklich für verfassungsgemäß angesehen hat, wenn Sozialleistungen bei der für den Verfahrenswert einer Ehesache vorzunehmenden Einkommensberechnung nicht berücksichtigt werden (BVerfG, FamRZ 2006, 841), und die von der Beschwerdeführerin zitierte Rechtsprechung Fälle betrifft, die mit dem vorliegenden nicht vergleichbar sind, ist unter den gegebenen Umständen die Handhabung des Familiengerichts nicht zu beanstanden, wonach sich aus den Einkünften der beteiligten Eheleute kein höherer Verfahrenswert als der Mindestwert herleiten lässt.
Wird weiter berücksichtigt, dass nach der Einschätzung des Familiengerichts der Umfang und die Bedeutung der Sache als unterdurchschnittlich anzusehen sind, wogegen keine Bedenken bestehen und auch nicht geltend gemacht werden, so ist die Festsetzung des Mindestwerts durch das Familiengericht nicht zu beanstanden. Dementsprechend ist auch die angegriffene Festsetzung des Wertes für die Folgesache Versorgungsausgleich zutreffend (§ 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG).
Die Beschwerde hat daher keinen Erfolg und ist zurückzuweisen.
Der Kostenausspruch folgt aus §§ 33 Abs. 9 RVG, 59 Abs. 3 FamGKG.
Fundstellen
Haufe-Index 5149606 |
FamRZ 2014, 1227 |
FuR 2013, 666 |
MDR 2013, 1231 |
RVGreport 2013, 444 |