Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur - wie hier bejahten - Nichtigkeit eines notariellen Ehevertrages betreffend den Ausschluss des Versorgungsausgleiches
Leitsatz (amtlich)
Der Globalverzicht auf nachehelichen Unterhalt und Versorgungsausgleich verstößt gegen die guten Sitten, wenn nach dem Zuschnitt der Ehe nur ein Ehepartner als Alleinverdiener das Eheeinkommen erzielen und Rentenanwartschaften erwerben sollte, während der andere Ehepartner ohne abgeschlossene Berufsausbildung war und aufgrund Kindererziehunng bis auf Weiteres keiner Erwerbstätigkeit nachkommen konnte. Diese Wertung hat auch dann Bestand, wenn der Alleinverdiener die Ehe nur unter dem Druck "Heirat gegen gemeinsame elterliche Sorge" geschlossen haben mag.
Normenkette
ZPO §§ 629a, 621, 621e, 517, 520
Verfahrensgang
AG Völklingen (Urteil vom 01.06.2006; Aktenzeichen 8 F 336/05) |
Tenor
Die Beschwerde gegen Ziff. 2) des am 1.6.2006 verkündeten Urteils des AG - FamG - in Völklingen - 8 F 336/05 S - wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Beschwerdewert wird auf 1.000 EUR festgesetzt.
Dem Antragsteller wird die nachgesuchte Prozesskostenhilfe für die Beschwerde verweigert.
Der Antragsgegnerin wird mit Wirkung ab Antragstellung ratenfreie Prozesskostenhilfe für die Beschwerdeinstanz bewilligt und Rechtsanwältin, ..., beigeordnet.
Gründe
I. Der am Januar 1955 geborene Antragsteller und die am Januar 1965 geborene Antragsgegnerin haben am 16.1.1992 die Ehe geschlossen, aus der zwei Kinder - die am Januar 1992 geborene Ta. und der am November 1998 geborene To. - hervorgegangen sind. Die Antragsgegnerin hat eine am Juli 1985 geborene Tochter mit in die Ehe gebracht. Der Scheidungsantrag des Antragstellers wurde der Antragsgegnerin am 6.8.2005 zugestellt.
In einem am 14.1.1992 geschlossenen notariellen Ehevertrag - UR-Nr. des Notars Dr. R. in - haben die Parteien Gütertrennung vereinbart und für den Fall der Scheidung wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt - auch für den Fall der Not, Berufs- und/oder Erwerbsunfähigkeit - verzichtet sowie den Versorgungsausgleich ausgeschlossen.
Während der Ehezeit vom 1.1.1992 bis 31.7.2005 (§ 1587 Abs. 2 BGB) haben beide Parteien Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung, der Antragsteller bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See i.H.v. 1.041,47 EUR und die Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Saarland i.H.v. 162,87 EUR - jeweils monatlich und bezogen auf den 31.7.2005, erworben.
Durch das angefochtene Urteil, auf das ergänzend Bezug genommen wird, hat das FamG die Ehe der Parteien geschieden (Ziff. 1). Den Versorgungsausgleich hat es dahin geregelt, dass es von dem Versicherungskonto des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See Rentenanwartschaften i.H.v. monatlich 439,30 EUR, bezogen auf den 31.7.2005, auf das Versicherungskonto der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Saarland übertragen und die Umrechnung in Entgeltpunkte angeordnet hat (Ziff. 2).
Mit seinem als Berufung bezeichneten Rechtsmittel, für das er um Bewilligung von Prozesskostenhilfe bittet, wendet sich der Antragsteller gegen den Ausspruch zum Versorgungsausgleich. Er erstrebt die Feststellung, dass zwischen den Parteien ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet.
Die Antragsgegnerin bittet um Zurückweisung der Beschwerde und um Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den zweiten Rechtszug.
II. Das als gem. §§ 629a Abs. 2, 621 Abs. 1 Nr. 6, 621e Abs. 1 und 3, 517, 520 ZPO statthafte Beschwerde gegen den Ausspruch zum Versorgungsausgleich zu behandelnde und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel des Antragstellers bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Dass das FamG den Ausschluss des Versorgungsausgleichs in dem zwei Tage vor der Eheschließung und weitere zehn Tage vor der Geburt des gemeinsamen Kindes geschlossenen notariellen Ehevertrag als sittenwidrig und nichtig (§ 138 BGB) angesehen hat, ist nicht zu beanstanden und hält den Beschwerdeangriffen stand.
Die grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen in vertraglichen Vereinbarungen findet ihre Grenze, wenn dadurch eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung entstünde, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten - bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede - unter verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheint (zum ganzen BGH v. 25.5.2005 - XII ZR 296/01, NotBZ 2005, 332 = BGHReport 2005, 1189 m. Anm. Waldner = MDR 2005, 1353 = FamRZ 2005, 1444; FamRZ 2005, 1452; BGH v. 11.2.2004 - XII ZR 265/02, MDR 2004, 573 = BGHReport 2004, 516 m. Anm. Grziwotz = NotBZ 2004, 152 = FamRZ 2004, 601). Dabei wiegen die Belastungen des einen Ehegatten um so schwerer und bedürfen die Belange des anderen Ehegatten um so genauerer Prüfung, je unmittelbarer die vertragliche Abbedingung gesetzlicher Rege...