Leitsatz (amtlich)
§ 348 Abs. 1 S. 2 ZPO gilt auch für selbständige Beweisverfahren.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Beschluss vom 01.10.2012; Aktenzeichen 3 OH 12/11) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des LG Saarbrücken vom 1.10.2012 - 3 OH 12/11 - aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das LG Saarbrücken zurückverwiesen.
Gründe
I. Die Antragsteller wenden sich gegen die Zurückweisung ihres auf ergänzende Begutachtung durch den Sachverständigen gerichteten Antrags vom 24.8.2012. Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens sind Baumängel bei der Errichtung eines Neubaus.
Mit Beschluss vom 8.3.2011 (Bl. 63 d.A.) hat die zuständige Zivilkammer des LG Saarbrücken durch den Vorsitzenden antragsgemäß die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens angeordnet. Nach Eingang des Gutachtens vom 7.12.2011 wurde ein Ergänzungsgutachten in Auftrag gegeben, welches am 7.5.2012 erstellt wurde. Den Antrag der Antragsteller vom 24.8.2012 auf Ergänzung des Sachverständigengutachtens wies der Vorsitzende der zuständigen Zivilkammer durch Beschluss vom 1.10.2012 zurück.
Der sofortigen Beschwerde vom 16.10.2012 (Bl. 371 d.A.) half der Vorsitzende nicht ab und legte die Sache dem Saarländischen OLG vor.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde hat Erfolg, weil der angefochtene Beschluss vom 1.10.2012 zu Unrecht durch den Einzelrichter erlassen wurde. Deshalb war der Beschluss aufzuheben und die Sache an das LG zur weiteren Bearbeitung durch die zuständige Kammer zurückzuverweisen.
(1.) Über die sofortige Beschwerde hat gem. § 568 Abs. 1 ZPO der zuständige Einzelrichter des Beschwerdegerichts zu entscheiden, weil die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen wurde. Ob dies zu Recht der Fall war oder nicht, ist ohne Bedeutung.
(2.) Für selbständige Beweisverfahren beim LG Saarbrücken, die Streitigkeiten aus Bauverträgen betreffen, ist nach § 348 Abs. 1 S. 2 Nr. 2c ZPO die Kammer zuständig, der diese Rechtsstreitigkeit nach Nr. 4.1.3.2 i.V.m. Nr. 2.2.2.2. 3. Spiegelstrich des Geschäftsverteilungsplans des LG Saarbrücken zugewiesen sind. § 348 ZPO betrifft auch alle Nebenverfahren wie z.B. Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren, selbständige Beweisverfahren, Arrest- und einstweilige Verfügungsverfahren (Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 348 Rz. 2 für den Einzelrichter). Dagegen spricht nicht mit der ausreichenden Deutlichkeit, dass § 348 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ZPO von "der Zuordnung des Rechtsstreits" spricht. Auch wenn selbständige Beweisverfahren oder z.B. Prozesskostenhilfeverfahren keine Streitigkeiten im eigentlichen Sinn sind, gehören sie als Nebenverfahren zu den eigentlichen Rechtsstreitigkeiten. Dass der Gesetzgeber diese Nebenverfahren mit § 348 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ZPO nicht erfassen wollte, ist nicht erkennbar, zumal der Sinn der originären Kammerzuständigkeit, die Nutzbarmachung der besonderen Fachkenntnisse der Kammer (Gesetzesbegründung BT-Drucks. 14/4722, 87), die Nebenverfahren in gleicher Weise betrifft. Im Übrigen zeigt § 348 Abs. 2 ZPO, dass in Zweifelsfällen über das Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1 die Kammer entscheidet.
Deshalb war der Vorsitzende nicht zur Entscheidung über den Antrag vom 24.8.2012 zuständig. Eine Übertragung auf ihn als Einzelrichter gem. § 348a ZPO ist nicht erfolgt.
Dies hat die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und - mit Blick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, § 16 Satz 2 GVG - die Zurückverweisung an das LG gem. § 572 Abs. 3 ZPO zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - zur Folge (vgl. BGH, Beschl. v. 2.6.2005 - IX ZB 287/03, NJW-RR 2005, 1299; OLG Celle MDR 2003, 523; Heßler in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 572 Rz. 27). Denn anders als sonst, verbietet sich eine eigene Entscheidung durch das Beschwerdegericht, weil die Entscheidung des Einzelrichters statt der Kammer Auswirkungen auf die Besetzung des Beschwerdegerichts hat (§ 568 ZPO). Diese kann auch nicht durch Anwendung von § 568 S. 2 ZPO korrigiert werden (so KG KGReport Berlin 2008, 449), denn beide dort genannten Voraussetzungen liegen nicht vor. Auch kann aus § 538 ZPO für das Beschwerdeverfahren nichts abgeleitet werden, weil § 526 ZPO - anders als § 568 ZPO - nicht dazu führt, dass die Besetzung des Berufungsgerichts durch eine fälschlicherweise ergangene Einzelrichterentscheidung verändert wird.
Fundstellen
Haufe-Index 3687928 |
BauR 2013, 828 |