Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Beschluss vom 02.04.2015; Aktenzeichen 1 O 104/14) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Saarbrücken vom 2.4.2015 - 1 O 104/14 - aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das LG zurückverwiesen.
Beschwerdewert: bis 500 Euro.
Gründe
I. Die Klägerin hat von der Beklagten die Rückzahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 7.848,17 Euro für drei widerrufene Immobiliendarlehen verlangt. Außerdem hat sie die Beklagte auf Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von insgesamt 837,76 Euro (1,5 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG zzgl. Post- und Telekommunikationspauschale und Mehrwertsteuer) in Anspruch genommen, wobei ein Betrag von 735,76 Euro an ihren Rechtsschutzversicherer gezahlt werden sollte. Das LG hat die Beklagte mit Urteil vom 9.1.2015 in der Hauptsache zur Zahlung von 7.604,32 Euro verurteilt, die weiter gehende Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits zu 3 % der Klägerin und zu 97 % der Beklagten auferlegt. Einen Anspruch der Klägerin auf Ersatz der außergerichtlichen Anwaltskosten hat es verneint. Das Urteil ist rechtskräftig, nachdem die Beklagte ihre Berufung in der mündlichen Berufungsverhandlung zurückgenommen hat. Im Kostenfestsetzungsverfahren hat die Klägerin unter anderem eine ungekürzte 1,3 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG zum Kostenausgleich angemeldet. Die Rechtspflegerin des LG hat auf die Verfahrensgebühr eine 0,75 Geschäftsgebühr angerechnet und mit Beschluss vom 2.4.2015 die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 207,39 Euro festgesetzt. Mit ihrer sofortigen Beschwerde macht die Klägerin das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für eine Anrechnung der Geschäftsgebühr gemäß § 15a Abs. 2 RVG geltend. Die
Rechtspflegerin hat dem Rechtsmittel, dessen Zurückweisung die Beklagte beantragt, nicht abgeholfen und die Sache dem Saarländischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die gemäß § 104 Abs. 3 Satz 1, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Der Beschwerdewert (§ 567 Abs. 2 ZPO) richtet sich in dem hier gegebenen Fall, dass die Prozesskosten nach Quoten verteilt sind, nach dem Anteil der im Streit stehenden Kostenposition, welcher nach der Kostengrundentscheidung dem Beschwerdeführer zusteht (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 31. Aufl., § 106 Rn. 6 mwN), und übersteigt den Mindestbetrag von 200 Euro.
Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Die Klägerin beanstandet zu Recht, dass die Rechtspflegerin auf die im Kostenfestsetzungsverfahren angemeldete 1,3 Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) eine 0,75 Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV RVG) angerechnet hat. Die Anrechnungsvorschrift in Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV RVG, nach der auf die Verfahrensgebühr des Rechtsanwalts eine wegen desselben Gegenstands für die außergerichtliche Tätigkeit entstandene Geschäftsgebühr zur Hälfte, höchstens aber mit einem Gebührensatz von 0,75 angerechnet wird, betrifft nur das Innenverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten. Im Verhältnis zu Dritten und damit auch zu dem erstattungspflichtigen Prozessgegner wirkt sich die Anrechnung grundsätzlich nicht aus (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 16/12717, S. 58). Gemäß § 15a Abs. 2 RVG kann sich der erstattungspflichtige Prozessgegner auf die Anrechnung nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden.
Die Voraussetzungen für eine im Streitfall allein in Betracht kommende Anrechnung nach § 15a Abs. 2 Alt. 3 RVG liegen nicht vor. Ob dasselbe Verfahren gegeben ist, wenn die Geschäftsgebühr - wie hier - im Erkenntnisverfahren eingeklagt worden ist und die Verfahrensgebühr in dem anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht wird, ist umstritten (bejahend Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl., § 15a RVG Rn. 9; aA OLG München, MDR 2009, 1417; OLG Stuttgart, JurBüro 2010, 136; Ahlmann in Riedel/Süßbauer, RVG, 10. Aufl., § 15a Rn. 15; NKGKiThiel, § 15a RVG Rn. 43). Die Frage muss allerdings im Streitfall nicht beantwortet werden. Eine Anrechnung gemäß § 15a Abs. 2 Alt. 3 RVG ist mit Blick auf den Sinn und Zweck der Regelung jedenfalls daran gebunden, dass die Geschäftsgebühr im Hauptsacheverfahren erfolgreich geltend gemacht worden ist (BGH, Beschluss vom 7.12.2010 - VI ZB 45/10, NJW 2011, 861, 862). Daran fehlt es hier, weil der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Ersatz der bei der Klägerin außergerichtlich angefallenen Anwaltskosten rechtskräftig aberkannt ist, die Klägerin die Geschäftsgebühr also endgültig nicht von der Beklagten erstattet verlangen kann.
In einem solchen Fall ist die Anrechnung der Geschäftsgebühr nach dem Normzweck des § 15a Abs. 2 RVG nicht ge...