Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Voraussetzungen der Eintrittspflicht aus einer "Schulunfähigkeitsversicherung", die Leistungen für den Fall verspricht, dass die versicherte Person während der Versicherungsdauer zu mindestens 50 Prozent schulunfähig bzw. erwerbsunfähig wird und damit Versicherungsschutz für zwei selbständige, an unterschiedliche - insbes. persönliche - Voraussetzungen geknüpfte Versicherungsfälle bietet. ≫2. Kommt der Versicherungsnehmer (Versicherte, §§ 156, 176 VVG) einer ihm im Rahmen der Leistungsprüfung angebotenen Begutachtung ohne ausreichenden Grund nicht nach, so hat dies ohne Rücksicht auf die Eintrittspflicht des Versicherers wegen vormaliger "Schulunfähigkeit" nach dem planmäßigen Ende des Leistungsbezuges zur Folge, dass der Versicherer seine Ermittlungen zu einer dann in Betracht kommenden Erwerbsunfähigkeit nicht abschließen kann und diesbezügliche Ansprüche nicht fällig werden.

 

Normenkette

VVG §§ 14, 156, 172, 176

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Beschluss vom 31.07.2023; Aktenzeichen 14 O 429/22)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 31. Juli 2023 - 14 O 429/22 - wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin beabsichtigt, die Antragsgegnerin auf Versicherungsleistungen wegen Schul- bzw. Erwerbsunfähigkeit ihres Sohnes in Anspruch zu nehmen. Sie unterhält bei der Antragsgegnerin einen Versicherungsvertrag über eine "Schulunfähigkeitsversicherung" (Versicherungsschein-Nr. ... = Anlage K1), versicherte Person und lebzeitig Begünstigter ist ihr am 11. April 1999 geborener Sohn, Versicherungsbeginn war der 1. März 2006, Ablauf der Versicherung, der Beitragszahlung und der Rentenzahlung im Versicherungsfall ist jeweils der 1. März 2064. Bestandteil des Vertrages sind u.a. die Tarifbedingungen für die Schulunfähigkeitsversicherung nach Tarif IBU2200S (im Folgenden: AVB/TB, Anlage K2 = BI. 11 f. Anlagenband K) und die Allgemeinen Bedingungen für die Schulunfähigkeitsversicherung im Rahmen der ... Investment Berufsunfähigkeitsversicherung nach Tarif IBU2200S (im Folgenden; AVB, BI. 13 ff. Anlagenband K). Für den Versicherungsfall - insbes. die mindestens 50-prozentige Schulunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit, § 1 Abs. 1 AVB/TB, §§ 2, 3 AVB - ist neben der Beitragsbefreiung die Zahlung einer monatlich in Raten von 472,08 Euro zu zahlenden Jahresrente von 5.665,- Euro vereinbart.

Unter dem 1. Februar 2017 stellte die Antragstellerin einen Antrag auf Leistungen wegen Schulunfähigkeit (Anlage B3 = Bl. 23 Anlagenband B), den sie mit einer seit August 2016 bestehenden "Internetspielsucht am Laptop, Computerspielsucht" ihres versicherten Sohnes begründete; dieser spiele 12 bis 13 Stunden täglich, dadurch bestünden Schlafstörungen und eine Verschiebung des Tag-Nacht-Rhythmus um 12 Stunden, soziale Zurückgezogenheit und Essstörungen, ein Schulbesuch der - seit 29. August 2016 von ihm besuchten - 11. Klasse sei nicht möglich (Bl. 25, 28 Anlagenband B). Die Antragsgegnerin erklärte auf Grundlage ihr überlassener Unterlagen mit Schreiben vom 10. Juli 2017, dass eine leistungsauslösende Schulunfähigkeit derzeit nicht nachgewiesen, sie aber bereit sei, den Sachverhalt erneut zu überprüfen; mit weiterem Schreiben vom 29. August 2017 erneuerte sie ihre Einschätzung, erklärte sich aber "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, unabhängig von den geltenden Versicherungsbedingungen, rein auf dem Kulanzwege und ohne bedingungsgemäße Anerkennung einer Schulunfähigkeit" vom 1. September 2016 an dazu bereit, bis zum 31. Dezember 2017 Versicherungsleistungen zu erbringen. Nach Ablauf dieses Zeitraumes beantragte die Antragstellerin erneut Leistungen wegen Schulunfähigkeit. Die Antragsgegnerin bat wiederholt um Vorlage von Unterlagen zur gesundheitlichen und schulischen Situation der versicherten Person, entsprechender Nachweise hierüber sowie aktueller medizinischer Berichte und Unterlagen (Schreiben vom 16. Januar 2018 und 21. Februar 2018, Bl. 46, 47 Anlagenband B), später auch um Übersendung eines vom behandelnden Facharzt auszufüllenden Blanko-Berichts (Schreiben vom 3. Juli 2018, Bl. 51 Anlagenband B); nach dessen Erhalt teilte sie am 18. Oktober 2018 mit, dass zur Entscheidung über den Leistungsantrag eine fachärztliche Untersuchung des Versicherten erforderlich sei, wobei der Versicherungsnehmerin die Wahl zwischen dem IVM - Institut für Versicherungsmedizin, Frankfurt und dem IMB - Interdisziplinäre Medizinische Begutachtung, Frankfurt, offenstehe. Der genannte Arzt bzw. das genannte Institut werde sich im Nachgang mit ihr in Verbindung setzen und einen Untersuchungstermin vereinbaren; die anfallenden Kosten übernehme die Antragsgegnerin in voller Höhe (Bl. 60 Anlagenband B). Der in dem Schreiben geäußerten Bitte um Mitteilung, wo die Untersuchung erfolgen solle, kam die Antragstellerin nicht nach. In einem Schreiben der behandelnden Ärztin vom 12. November 2018 heißt es unter Hinweis auf den ...

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