Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitliche Geltung von Unterhaltsurteilen und Vergleichen aus der Zeit der Minderjährigkeit eines Kindes
Leitsatz (amtlich)
Unterhaltsurteile und Vergleiche, die aus der Zeit der Minderjährigkeit des Kindes stammen, gehen über den Zeitpunkt der Vollendung der Volljährigkeit hinaus weiter und können nur im Wege der Abänderungsklage nach Eintritt der Volljährigkeit abgeändert werden.
Normenkette
BGB § 1601; ZPO §§ 323, 727, 798a
Verfahrensgang
AG Merzig (Beschluss vom 21.12.2006; Aktenzeichen 21 F 11/04 UE) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - FamG - in Saarlouis vom 21.12.2006 - 21 F 11/04 UE - aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das AG - FamG - in Saarlouis zurückverwiesen.
2. Der Antragstellerin wird mit Wirkung vom 11.1.2007 für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt" beigeordnet.
3. Dem Antragsgegner wird mit Wirkung vom 2.3.2007 für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin" beigeordnet.
4. Beschwerdewert: bis 6.000 EUR.
Gründe
I. Die Antragstellerin ist die Tochter des Antragsgegners aus dessen geschiedener Ehe mit der Kindesmutter, in deren Haushalt die Antragstellerin lebt.
Durch Urteil des AG - FamG - in Saarlouis vom 5.11.2004 - 21 F 11/04 UE - ist u.a. zugunsten der Antragstellerin beginnend mit Oktober 2004 eine monatliche Unterhaltsrente von 378 EUR tituliert. Klägerin im vorgenannten Verfahren war die Mutter der Antragstellerin, die die Unterhaltsansprüche der damals noch minderjährigen Tochter in Prozessstandschaft (§ 1629 Abs. 3 BGB) geltend gemacht hat.
Mit Antrag vom 6.9.2006 hat die Antragstellerin unter Vorlage einer vollstreckbaren Ausfertigung des vorgenannten Urteils des FamG vom 5.11.2004 die Erteilung der Rechtsnachfolgeklausel gem. § 727 ZPO begehrt.
Der Antragsgegner hat der Erteilung der Rechtsnachfolgeklausel für die Antragstellerin widersprochen.
Durch den angefochtenen Beschluss hat die Rechtspflegerin des FamG den Antrag der Antragstellerin auf Erteilung der Rechtsnachfolgeklausel zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie - ersichtlich - ihren Antrag auf Erteilung der Rechtsnachfolgeklausel weiterverfolgt. Sie bittet um Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren.
Der Antragsgegner sucht um Zurückweisung der Beschwerde nach und beantragt ebenfalls, ihm Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen.
II. Die gem. §§ 11 Abs. 1 RPflG, 567 Abs. 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellerin führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das FamG.
Die Begründung des FamG trägt die Zurückweisung des Antrags der Antragstellerin auf Erteilung der Rechtsnachfolgeklausel nicht.
Der auf eine Entscheidung des 9. Senats für Familiensachen des OLG Hamm vom 31.5.2005 (OLG Hamm v. 31.5.2005 - 9 WF 67/05, FamRZ 2006, 48) gestützten Auffassung des FamG, eine Klauselumschreibung sei deshalb nicht vorzunehmen, weil statische Unterhaltstitel anders als dynamische Unterhaltstitel nicht über das 18. Lebensjahr des Kindes hinauswirkten, vielmehr sich der Unterhaltsberechtigte für Leistungen nach Eintritt der Volljährigkeit einen neuen Titel (ver-)schaffen müsse, vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
Diese steht im Widerspruch zu der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. etwa: BGH v. 26.10.2005 - XII ZR 34/03, MDR 2006, 518 = BGHReport 2006, 93 m. Anm. Bißmaier = FamRZ 2006, 99; BGH v. 2.3.1994 - XII ZR 215/92, MDR 1994, 1013 = FamRZ 1994, 696; BGH v. 13.4.1988 - IVb ZR 49/87, FamRZ 1988, 1039; BGH v. 21.3.1984 - IVb ZR 72/82, MDR 1984, 1012 = FamRZ 1984, 682, FamRZ 1983, 582), der der Senat folgt. Danach besteht nämlich Identität des Unterhaltsanspruchs volljähriger Kinder mit dem Minderjährigenunterhalt. Die Unterhaltspflicht beruht weiterhin auf § 1601 BGB, die für den Unterhalt Minderjähriger bestehenden Besonderheiten rechtfertigen es nicht, den Anspruch auf Volljährigenunterhalt als eigenständigen Anspruch aufzufassen. Dies hat aber zur Folge, dass Unterhaltsurteile und Vergleiche, die aus der Zeit der Minderjährigkeit des Kindes stammen, über den Zeitpunkt der Vollendung der Volljährigkeit hinaus weiter gelten und nur im Wege der Abänderungsklage (§ 323 ZPO) nach Eintritt der Volljährigkeit abgeändert werden können (BGH, a.a.O.; so auch: Wendl/Scholz, Unterhaltsrecht, 6. Aufl., § 2, Rzn. 17, 193, 339; Hoppenz/Hülsmann, Familiensachen, 8. Aufl., § 1601 BGB, Rz. 2; OLG Hamm, 2. Senat für Familiensachen, Beschl. v. 7.11.2006 - 2 WF 204/06 - zit. nach juris).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der durch das Kindesunterhaltsgesetz vom 6.4.1998 neu eingefügten Vorschrift des § 798a ZPO. Weder lässt diese einen Umkehrschluss auf statische Unterhaltstitel zu, noch stellt sich die Frage...