Leitsatz (amtlich)

Ein privatschriftliches Testament, in dem die Erblasserin zunächst die frühere Erbeinsetzung ihrer Abkömmlinge für "ungültig" erklärt, ihnen sodann ihre beiden Hausanwesen (anteilig) zuweist und abschließend anordnet, das "Bargeld" solle auf "meine drei Kinder" verteilt werden, kann im Einzelfall dahin auszulegen sein, dass es jenseits dieser auf einzelne Gegenstände beschränkten Aufteilung, die den Nachlass nicht erschöpfte und auch sonst keinen Willen zur Bestimmung eines anderen Rechtsnachfolgers erkennen lässt, bei der gesetzlichen Erbfolge verbleiben soll.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 2084, 2087; FamFG § 352e Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Saarbrücken (Beschluss vom 18.11.2022; Aktenzeichen 18 VI 771/21)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 25. Dezember 2022 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Saarbrücken vom 18. November 2022 in Verbindung mit dem Nichtabhilfebeschluss vom 17. April 2023 - 18 VI 771/21 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 65.166,- Euro.

 

Gründe

I. Mit Schriftsatz vom 18. März 2022 beantragte die Beteiligte zu 2) unter Bezugnahme auf eine notarielle Urkunde vom 21. Januar 2022 (UR Nr. 0070/2022 der Notarin XXX = Bl. 13 ff. d.A.) die Erteilung eines Erbscheines, wonach sie neben den weiteren Beteiligten zu 1) und zu 3) zu jeweils 1/3 Erbin nach der am ... 2021 verstorbenen Erblasserin, der gemeinsamen Mutter der drei Beteiligten, geworden sei. Demgegenüber bat der Beteiligte zu 1) mit notarieller Urkunde vom 5. August 2022 (UR Nr. 1349/2022 R des Notars XXX) um die Erteilung eines Erbscheines, wonach die Erblasserin von ihm zu 1/2 und von den Beteiligten zu 2) und zu 3) zu je 1/4 beerbt worden sei.

Die Erblasserin war zum Zeitpunkt ihres Todes geschieden; sie hinterließ als ihre Abkömmlinge die Beteiligten zu 1) bis 3), die sie mit notariellem Testament vom 30. September 1988 (UR Nr. 1157/1988 des Notars XXX) zu gleichen Teilen zu ihren Erben berufen hatte (Bl. 9 f. d.A. 18 IV 538/88). In einem späteren - privatschriftlichen - Testament vom 28. Oktober 2017 (Bl. 14 d.A. 18 IV 538/88) verfügte die Erblasserin sodann Folgendes:

"Alle vorherigen Testamente sind ungültig und nach meinem Tode soll mein Besitz wie folgt aufgeteilt werden

Mein Sohn M. B. geb. am...1974 soll das Haus an der ... 9 zum alleinigen Besitz bekommen.

Das Haus an der ... 7a geht zu gleichen Teilen an meine Töchter K. B. F. geb. am...1974 und C. H. ...1966 in Saarbrücken geboren

das Bargeld wird auf meine 3 Kinder

aufgeteilt"

Zur Begründung ihres Erbscheinsantrages hat sich die Beteiligte zu 2) in erster Linie auf die gesetzliche Erbfolge gestützt, die hier maßgeblich sei, weil die Erblasserin in ihrer privatschriftlichen Verfügung das notarielle Testament aufgehoben und ihr Vermögen aufgeteilt habe, ohne eine ausdrückliche Erbeinsetzung vorzunehmen; hilfsweise hat sie auch in dem privatschriftlichen Testament eine Erbeinsetzung zu gleichen Teilen erblickt (Bl. 24 ff. d.A.). Der Beteiligte zu 1) hat die dem Antrag zugrunde gelegte Erbquote von 1/3 für nicht korrekt gehalten. Nach dem privatschriftlichen Testament sei es der Wunsch seiner Mutter gewesen, ihm als Kompensation für erbrachte Mehrleistungen nach ihrem Tode durch Zuwendung des Hausanwesens ein Dach über dem Kopf zu verschaffen (Bl. 34 ff. d.A.). Unter Berücksichtigung der Wertverhältnisse am Todestag (ca. 176.000,- Euro für das Haus An der ... 9, ca. 137.000,- Euro für das Haus An der ... 7a, vorhandenes Bargeld in Höhe von 54.282,60 Euro) und des übrigen Nachlasses, der neben dem Hausrat im Wesentlichen ein Kraftfahrzeug sowie den Anteil der Erblasserin an einer Erbengemeinschaft im Werte von ca. 24.000,- Euro beinhalte, sei von einer Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1) zu 1/2 und der Beteiligten zu 2) und zu 3) von jeweils 1/4 auszugehen (Bl. 34 ff., 48 ff. d.A.).

Mit dem angefochtenen Beschluss (Bl. 73 ff. d.A.) hat das Amtsgericht die zur Erteilung eines dem (Haupt-)Antrag der Beteiligten zu 2) entsprechenden Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet, wobei es davon ausgegangen ist, dass der Antrag von den Beteiligten zu 2) und 3) gestellt worden sei; zugleich hat es die Wirksamkeit dieses Beschlusses bis zu dessen Rechtskraft ausgesetzt. Es hat angenommen, dass die Erblasserin, weil sie das notarielle Testament aufgehoben, jedoch in dem privatschriftlichen Testament keine ausdrückliche Erbeinsetzung vorgenommen, sondern lediglich Teilungsanordnungen getroffen habe und auch keine Hinweise auf einen Willen zur Abänderung der Erbquoten vorhanden seien, kraft gesetzlicher Erbfolge von den drei Beteiligten zu gleichen Teilen beerbt worden sei.

Gegen diese ihm am 30. November 2022 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 25. Dezember 2022 eingelegte Beschwerde des Beteiligten zu 1), der sich mit dem Hinweis auf die fehlende Antragstellung der Beteiligten zu 3) und deren verfahrensfehlerhaft unterlassene Beteiligung im Ausgangsverfahren gegen die Erteilung des von der Bet...

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