Verfahrensgang
AG St. Wendel (Aktenzeichen 6 F 68/20 EASO) |
Nachgehend
Tenor
Im Wege einstweiliger Anordnung werden die Beschlüsse des Amtsgerichts - Familiengericht - in St. Wendel vom 10. September 2020 und 20. Oktober 2020 - 6 F 68/20 EASO - dahin abgeändert, dass bei Beibehaltung der gemeinsamen Sorge der Eltern im Übrigen das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Gesundheitsfürsorge für das beteiligte Kind C. M. B. vorläufig der Antragsgegnerin übertragen.
Gründe
Die einstweilige Anordnung beruht auf § 64 Abs. 3 FamFG.
Das nach §§ 57 S. 2 Nr. 1 FamFG zulässige Rechtmittel der Antragsgegnerin (fortan: Mutter) wird bei dem sich dem Senat derzeit darbietenden Erkenntnisstand aller Voraussicht nach Erfolg haben.
Zwar hat das Familiengericht seine vorläufige Sorgerechtsregelung im Ausgangspunkt zutreffend auf § 1671 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 2 BGB gegründet. Die Beurteilung des Familiengerichts aber, es entspreche derzeit dem Kindeswohl am besten, wenn die Gesamtsorge auf den Vater übertragen werde, diesem gleichzeitig - im Wege einer ersichtlich zum Schutze des Kindeswohls nach § 1671 Abs. 4 i.V.m. §§ 1666, 1666a BGB ausgesprochenen - Auflage aufzugeben, den Aufenthalt des Kindes im Haushalt der Großeltern väterlicherseits (fortan: Großeltern) in H. sicherzustellen, entspricht jedenfalls nicht der derzeitigen Sach- und Rechtslage und findet daher nicht die Billigung des Senats. Das Familiengericht hat dabei fehlerhaft zum einen eine Kindeswohlgefährdung im Haushalt der Mutter für wahrscheinlich gehalten und zum anderen gemeint, eine mögliche Kindeswohlgefährdung im Haushalt des Vaters wegen des noch ungeklärten Missbrauchsvorwurfs durch die Erteilung einer sorgerechtlichen Auflage abmildern zu können, damit die Übertragung der Sorge auf diesen dem Kindeswohl am besten entspreche. Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung am Maßstab der im einstweiligen Anordnungsverfahren zu Gebote stehenden eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten nicht stand.
Soweit das Familiengericht das Kindeswohl von C. M. im Haushalt der Kindesmutter dadurch als gefährdet gesehen hat, dass dem Kind während der mütterlichen Obhut Methadonprodukte verabreicht worden seien, so ist zum einen bereits diese Annahme - jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt - fehlerhaft, da nicht belegt; erst Recht erweist sich aber der diesbezügliche Schluss des Familiengerichts, es komme praktisch nur die Mutter als Täterin dafür in Frage, C. M. giftige Substanzen verabreicht zu haben, auch im vorliegenden summarischen Verfahren der einstweiligen Anordnung als unzutreffend.
Zu Recht rügt die Beschwerde, dass aus den vom Vater vorgelegten Laborberichten (Bl. 122, 123, 258 d.A.) bereits nicht die sichere Erkenntnis dahingehend abgeleitet werden kann, dass C. M. EDDP - als Abbauprodukt von Methadon - und damit ein Methadonprodukt verabreicht worden seien. Soweit sich aus den Testergebnissen des Labors in 2 Fällen geringe Spuren des Abbauproduktes EDDP unterhalb (!) der Nachweisgrenze im Urin des Kindes befunden hätten, können diese geringen Spuren, soweit das Testergebnis als solches nicht ohnehin auf Grund formaler Mängel (fehlende Unterschrift des Arztes, welches Labor, Zertifizierung des Labors und Einhaltung der Teststandards?) in Zweifel zu ziehen ist, keinen sicheren Nachweis über eine Einnahme der Substanz durch das Kind erbringen, da die Konzentration der Substanz jeweils unterhalb der Nachweisgrenze lag. Dies gilt insbesondere auch, nachdem die einzige, im Labor der Erstuntersucher noch vorhandene Probe bei einer von dem ermittelnden Polizeipräsidium M. in Auftrag gegebenen Überprüfung durch das Rechtsmedizinische Institut der Universitätsklinik H. (Probenentnahme vom 21. August 2020) negativ war und keinerlei Spuren von EDDT - auch nicht unterhalb der Nachweisgrenze - enthielt (Laborbefund vom 15. Oktober 2020) und damit den Erstbefund widerlegt. Gerade vor diesem Hintergrund ist der Schluss des Familiengerichts, die Kindesgefährdung gehe von der Mutter dadurch aus, dass während ihrer Obhut Substanzen verabreicht worden seien, fehl, denn es liegen keine validen Nachweise darüber vor, ob überhaupt Substanzen verabreicht worden sind. Letzteres wird nicht zuletzt dadurch gestützt, dass zwei am 30. März 2020 (Bl. 265ff d.A.) und am 14. August 2020 veranlasste Haaranalysen von C. M., die eher geeignet wären, eine Zuführung der Substanz über einen längeren Zeitraum nachzuweisen, negativ ausgefallen sind. Vor diesem Hintergrund bedarf es daher keiner weiteren Erörterung, woher sich die Mutter - zudem während der angeblichen Verabreichung in einer Klinik befindlich - die Substanzen, die nicht frei erhältlich sind, beschafft haben soll.
Auch soweit das Familiengericht die Gabe des Methadonproduktes ersichtlich für ein Indiz dafür gehalten hat, dass die Mutter an dem Münchhausen Stellvertreter Syndrom leide - wie vom Vater im Verfahren eingebracht - und daraus den Schluss gezogen hat, das Kind sei auch desha...