Verfahrensgang

AG Ottweiler/Saar (Beschluss vom 10.03.2003; Aktenzeichen 12 F 373/01)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG – FamG – in Ottweiler vom 10.3.2003 – 12 F 373/01 – aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung – auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens – an das FamG in Ottweiler zurückverwiesen.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

II. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 Euro festgesetzt.

III. Dem Antragsteller wird mit Wirkung vom 21.8.2003 unter gleichzeitiger Beiordnung von Rechtsanwältin, Prozesskostenhilfe für den zweiten Rechtszug bewilligt. Der Antragsteller hat keine Raten auf die Prozesskosten zu zahlen.

IV. Der Antragsgegnerin wird mit Wirkung vom 31.3.2003 unter gleichzeitiger Beiordnung von Rechtsanwältin, Prozesskostenhilfe für den zweiten Rechtszug bewilligt. Die Antragsgegnerin hat keine Raten auf die Prozesskosten zu zahlen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 1) und 2) sind geschiedene Eheleute. Aus ihrer Ehe ist die am September 1992 geborene Tochter hervorgegangen, die seit der im November 1994 erfolgten Trennung ihrer Eltern im Haushalt der Kindesmutter lebt. Dieser wurde durch Beschluss des FamG in Ottweiler vom 16.1.1995 – 12 F 345/94 – die alleinige elterliche Sorge für übertragen.

Mit seinem am 12.11.2001 eingereichten Antrag hat der Kindesvater, der zunächst auf Einräumung eines Umgangsrechts mit der Tochter angetragen hatte, zuletzt die Einrichtung einer Umgangspflegschaft begehrt.

Durch den angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, hat das FamG nach Einholung eines psychologischen Gutachtens u.a. zwecks Vorbereitung und Durchführung der Besuche des Kindes mit dem Kindesvater eine Ergänzungspflegschaft gem. § 1909 Abs. 1 BGB angeordnet (Ziff. 1.) und für die Dauer der Durchführung des Umgangsrechts der Kindesmutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen und dem Ergänzungspfleger übertragen (Ziff. 2.).

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kindesmutter. Sie beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Antrag des Kindesvaters auf Einräumung eines Besuchsrechts für das Kind zurückzuweisen.

Der Kindesvater bittet unter Verteidigung des erstinstanzlichen Beschlusses um Zurückweisung der Beschwerde.

II. Die gem. §§ 621e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 1 bzw. 2, 517, 520 ZPO zulässige Beschwerde der Kindesmutter führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FamG in Ottweiler.

Das FamG hat – wie die Kindesmutter zu Recht rügt – verfahrensfehlerhaft ohne die gem. § 50b FGG gebotene persönliche Anhörung des Kindes entschieden. Die angefochtene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben.

Nach der st. Rspr. der Familiensenate des Saarländischen OLG besteht die sich aus § 50b Abs. 1 FGG ergebende Pflicht zur Anhörung von Kindern grundsätzlich bereits dann, wenn ein Kind nach seinem Alter in der Lage ist, bestimmte Vorstellungen und Empfindungen zu entwickeln und diese in verständlicher Weise zu äußern (vgl. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 6.9.2002 – 9 UF 102/02, m.w.N.; Beschl. v. 23.3.2001 – 6 UF 11/01, m.w.N.). Nach Maßgabe der höchstrichterlichen Rspr. (vgl. BGH DAVorm 1992, 499 [507]) ist im Rahmen von § 50b Abs. 1 FGG die Anhörung des Kindes jedenfalls ab dessen 3. Lebensjahr veranlasst, so dass vorliegend von der Anhörung des heute nahezu elfjährigen Kindes nur aus schwerwiegenden Gründen hätte abgesehen werden dürfen (vgl. BGH v. 12.7.1984 – IVb ZB 95/83, FamRZ 1984, 1084 [1086]). Derartige schwerwiegende Gründe sind vom FamG nicht aufgezeigt und auch nicht erkennbar, zumal das FamG selbst – wie aus der Ladungsverfügung vom 13.11.2001 ersichtlich – von der Notwendigkeit der persönlichen Anhörung des Kindes – jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt – ausgegangen ist.

Da es der Senat nicht für sachgerecht erachtet, die erforderliche Anhörung des Kindes in der Beschwerdeinstanz durchzuführen, war die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das FamG zurückzuverweisen.

Die erneute Behandlung der Sache gibt dem FamG die Gelegenheit, zu überprüfen, ob die im angefochtenen Beschluss getroffene Entscheidung, bei der es sich nicht um eine konkrete Regelung des Umgangsrechts des Kindesvaters mit der Tochter, sondern um einen Eingriff in das der Kindesmutter alleine zustehende Sorgerecht gem. § 1666 BGB handelt, gerade auch im Hinblick auf die – auch im Sachverständigengutachten aufgezeigte – abweisende Haltung des Kindes ggü. dem Vater den strengen Anforderungen des § 1666 Abs. 1 BGB gerecht wird oder ob ggf. mildere Maßnahmen in Betracht zu ziehen sind, zumal sich die Kindesmutter in der Vergangenheit einer Umgangsanbahnung nicht versperrt hatte. Darüber hinaus wird sich das FamG auch mit den gegen das Sachverständigengutachten gerichteten, substantiierten Angriffen der Kindesmutter auseinander zu setzen haben.

Der die Gerichtskosten betreffende Kostenausspruch beruht auf § 16 KostO. Die Entscheidung über ...

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