Leitsatz (amtlich)
1. Im Rahmen des Verfahrens auf Vollstreckbarerklärung nach dem EuGVVO können hinsichtlich der materiell-rechtlichen Verurteilung nur liquide (unstreitige oder rechtskräftig festgestellte) Einwendungen berücksichtigt werden.
2. zum ordre public.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Beschluss vom 02.01.2009; Aktenzeichen 13 O 66/08) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des LG Saarbrücken vom 2.1.2009 (13 O 66/08) dahingehend abgeändert, dass das Urteil des Berufungsgerichts in Paris/Frankreich (Cour d'Appel de Paris) vom 31.3.2008 (Az. 04/00935) gem. § 8 AVAG mit der Vollstreckungsklausel zu versehen ist unter Berücksichtigung von auf die seit dem 12.11.2003 bis zum 26.4.2005 angefallenen Zinsen aus der Forderung i.H.v. 23.398.180 EUR verrechneten 792.305 EUR, und von auf die aus der Forderung i.H.v. 1.000.000 EUR angefallenen Zinsen verrechneten insgesamt weiteren 655.960,66 EUR und dass der Antrag der Antragstellerin im Übrigen zurückgewiesen wird.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens erster Instanz und des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.
III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
IV. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 24.906.344 EUR festgesetzt.
Gründe
A.I. Mit Berufungsurteil vom 31.3.2005 (Bl. d.A.) hat das Berufungsgericht Paris, 9. Berufungsstrafkammer, Sektion B. (Cour d'Appel de Paris, 9ème chambre des appels correctionnels, section B.) den Antragsgegner im Rahmen eines Adhäsionsverfahrens ("action civile") zur Zahlung eines Betrages von 23.398.180 EUR nebst Zinsen, eines Betrages von weiteren 1.000.000 EUR nebst Zinsen sowie zur Zahlung weiterer 20.000 EUR an die Antragstellerin verurteilt (Bl. 2 d.A.).
Die Verurteilung erfolgte als Gesamtschuldner neben den Herren ...
Mit Beschluss vom 2.1.2009 (Bl. 7 d.A.) hat das LG Saarbrücken - Vorsitzender der 13. Zivilkammer - auf den Antrag der Antragstellerin angeordnet, diesen Beschluss mit der deutschen Vollstreckungsklausel zu versehen. Am selben Tag ist die Klausel erteilt worden (Bl. 10 d.A.).
Der Beschluss konnte dem Antragsgegner zunächst unter der nicht zugestellt werden (Bl. 12f d.A.). Dasselbe gilt für einen weiteren Zustellungsversuch unter der Adresse (Bl. 15f d.A.).
Die Zustellung des Anordnungsbeschlusses nebst Titel ist schließlich am 9.3.2009 in der JVA Neunkirchen erfolgt (Bl. 17 d.A.). Versehentlich wurde dem Antragsgegner jedoch der Titel im Original und nicht in Kopie zugestellt. Dessen Rückgabe verweigert der Antragsgegner zunächst, da er die vollstreckbare Ausfertigung nach weitergeleitet und keinen Zugriff mehr auf diese habe (Bl. 18 d.A.). Im Verlauf des Verfahrens hat der Antragsgegner die Unterlagen wieder an das Gericht zurückgereicht (Bl. 244 ff. d.A.).
Mit Schriftsatz vom 1.4.2009 (Bl. 22 d.A.) - eingegangen beim Saarländischen OLG am selben Tage - hat der Antragsgegner Beschwerde gegen den Beschluss des LG eingelegt und beantragt, unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung den Antrag der Antragstellerin auf Vollstreckbarerklärung zurückzuweisen, hilfsweise die Sache zur erneuten Entscheidung an das LG Saarbrücken zurück zu verweisen (Bl. 23 d.A.).
II. Der Antragsgegner vertritt folgende Ansichten und stellt folgende Behauptungen auf:
1. Die titulierte Forderung sei erloschen. Dies sei durch die Vereinnahmung von 1.448.256,66 EUR Kaution des Antragsgegners durch die Antragstellerin und durch Zahlungen seitens weiterer Gesamtschuldner an die Antragstellerin bzw. durch erfolgreiche Vollstreckungsmaßnahmen i.H.v. insgesamt 15.748.962,11 EUR geschehen. Der verbliebene Restbetrag sei gem. Art. 1285 Code civil in Folge Erlasses der Restforderung gegenüber weiteren Gesamtschuldnern erloschen. Soweit dies bestritten werde, stehe dem Antragsgegner ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung gegen die Antragstellerin zu, in welcher Höhe und mit welchen Vereinbarungen diese durch weitere Gesamtschuldner befriedigt worden sei, welche Vereinbarungen den Schuldtilgungen zugrunde lägen und welche erfolgreichen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen die anderen Gesamtschuldner erfolgt seien (Bl. 69 d.A.).
Die Antragstellerin habe das Urteil auch in Luxemburg für vollstreckbar erklären lassen (Bl. 177 d.A.). Gemäß Art. 43 EuGVVO sei dort geltend gemacht worden, dass die Vollstreckbarerklärung nicht erfolgen dürfe, da Zahlungen auf die Forderung erfolgt seien (Bl. 177f d.A.). Die Antragstellerin habe in einem Schriftsatz vom 23.4.2009 bestätigt, dass am 26.4.2005 auf Grund einer Verrechnung mit einer Kaution des Antragsgegners i.H.v. 1.448.265,66 EUR die Forderung in entsprechender Höhe vermindert worden sei und dass ferner Herr ... mit Datum vom 25.11.2005 13.171.214,45 EUR gezahlt habe und mit Datum vom 28.11.2005 weitere 500.000 EUR, insgesamt also 15.119.480,11 EUR (Bl. 178 u. 183 d.A. und Anlage 66). Mit Herrn ... sei danach vereinbart worden, dass ihm der Rest der titulierten Forderung erlassen werde. Der Erlass sei nicht unter dem Vorbe...