Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung in eine versäumte Beschwerdebegründungsfrist nach Einreichung der Rechtsmittelschrift bei dem falschen Gericht

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, wann ein an das falsche Gericht übermittelter, fristgebundener Schriftsatz als im ordentlichen Geschäftsgang an das richtige Gericht weitergeleitet anzusehen ist.

 

Normenkette

ZPO § 85 Abs. 2, § 233 Abs. 1 a.F.

 

Verfahrensgang

AG St. Wendel (Beschluss vom 08.03.2010; Aktenzeichen 6b F 213/09 RI)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den am 8.3.2010 verkündeten Beschluss des AG - Familiengericht - in St. Wendel - 6b F 213/09 RI - wird als unzulässig verworfen.

2. Der Antrag der Antragsgegnerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist wird zurückgewiesen.

3. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

4. Beschwerdewert: 12.810,25 EUR.

5. Der Antragsgegnerin wird die für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe verweigert.

 

Gründe

I. Durch den angefochtenen Beschluss hat das Familiengericht der Antragsgegnerin aufgegeben, an den Antragsteller 12.810,25 EUR - nebst Zinsen - zu zahlen. Der Beschluss ist dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin am 15.3.2010 zugestellt worden. Mit am 31.3.2010 beim Familiengericht eingereichten Schriftsatz hat die Antragsgegnerin gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt. Mit Schriftsatz vom 10.5.2010, der dem Familiengericht vorab per Fax übermittelt worden und dort ausweislich des aufgedruckten Empfangsvermerks am Mittwoch, dem 12.5.2010 um 15.33 Uhr eingegangen ist, hat die Antragsgegnerin die Beschwerde begründet. Das Familiengericht leitete am Montag dem 17.5.2010 die Beschwerdebegründung an das Saarländische OLG weiter, wo sie am 18.5.2010 eingegangen ist.

Auf den der Antragsgegnerin am 25.5.2010 zugestellten Hinweis des Senats vom 19.5.2010 auf die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist hat die Antragsgegnerin mit am 7.6.2010 eingereichtem Schriftsatz die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt mit der Begründung, die Beschwerdebegründung sei dem Familiengericht bereits am 10.5.2010 per Fax vorab übermittelt worden, so dass damit habe gerechnet werden können, dass der Schriftsatz bei einem normalen Geschäftsablauf rechtzeitig an das Saarländische OLG weitergeleitet werde und dort spätestens am 17.5.2010 eingegangen wäre.

Der Antragsteller beantragt, den Wiedereinsetzungsantrag abzuweisen und die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist gem. §§ 266 Abs. 1 Nr. 3, 111 Nr. 10, 117 Abs. 1 FamFG, § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der zweimonatigen Frist des § 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG begründet worden ist. Die Frist begann gemäß dieser Vorschrift mit der Zustellung des Beschlusses am 15.3.2010 und lief am Montag dem 17.5.2010 ab. Eingegangen ist die Berufungsbegründung beim OLG als Beschwerdegericht erst am 18.5.2010.

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. §§ 113 Abs. 1, 117 Abs. 5 FamFG i.V.m. §§ 233 ff. ZPO wegen der Versäumung der Frist zur Einreichung einer Beschwerdebegründung kommt nicht in Betracht. Die Antragsgegnerin war nicht ohne Verschulden ihres Verfahrensbevollmächtigten, das ihr gem. §§ 113 Abs. 1 FamFG, 85 Abs. 2 ZPO zugerechnet wird, gehindert, die Beschwerdebegründungsfrist durch rechtzeitige Einreichung einer Begründungsschrift zu wahren.

Die Beschwerdebegründung gelangte deshalb nicht rechtzeitig an das zuständige Beschwerdegericht, weil sie entgegen § 117 Abs. 1 S. 2 FamFG nicht dort eingereicht wurde, sondern beim erstinstanzlichen Familiengericht. Die fehlerhafte Einlegung der Beschwerdebegründung hat der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin zu vertreten, hiergegen werden von dieser auch keine Einwände erhoben.

Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist die Ursächlichkeit dieses Verschuldens ihres Verfahrensbevollmächtigten für die Fristversäumung auch nicht deshalb zu verneinen, weil das Familiengericht die fehlerhaft an es adressierte Beschwerdebegründung pflichtwidrig nur verzögert weitergeleitet hätte. Geht ein fristgebundener Rechtsmittelschriftsatz statt beim Rechtsmittelgericht bei dem in erster Instanz befasst gewesenen Gericht ein, ist dieses allerdings verpflichtet, den Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten. Geht der Schriftsatz so zeitig bei dem mit der Sache befasst gewesenen Gericht ein, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, darf der Beteiligte darauf vertrauen, dass der Schriftsatz noch rechtzeitig beim Rechtsmittelgericht eingeht. Geschieht dies tatsächlich nicht, wirkt sich das Verschulden der Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten nicht mehr aus, so dass ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist (BGH NJW-RR 2009, 408; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.6.2009 - I - 20 U 24/09; Zöl...

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