Leitsatz (amtlich)

Die Säumung des beklagten Versicherers ist nicht unverschuldet, wenn sein ordnungsgemäß geladener Prozessbevollmächtigter den als Terminsvertreter angefragten Rechtsanwalt in dieser Sache nicht wirksam bevollmächtigt hatte; das gilt auch dann, wenn dieser am Terminstag in anderer Angelegenheit vor dem Sitzungssaal gewartet haben und auch mangels erneuten Aufrufes der Sache vor Erlass des Versäumnisurteils von dem Termin keine Kenntnis erlangt haben sollte.

 

Normenkette

VVG § 172; ZPO § 514 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 23.02.2021; Aktenzeichen 14 O 274/20)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 23.02.2021 verkündete Zweite Versäumnisurteil des Landgerichts Saarbrücken - 14 O 274/20 - wird als unzulässig verworfen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 22.335,60 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Mit seiner am 08.10.2019 beim Amtsgericht St. Wendel eingereichten Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass der mit der Beklagten unter der Versicherungsnummer geschlossene Grundfähigkeitsabsicherungsvertrag nicht durch das Schreiben der Beklagten vom 19.02.2019 beendet wurde, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht, sowie hilfsweise festzustellen, dass die vorbestehende Berufsunfähigkeitsversicherung zur Vertragsnummer fortbesteht. Mit Beschluss vom 12.12.2019 (Bl. 31 d.A.) verwies das Amtsgericht Sankt Wendel den Rechtsstreit auf Antrag des Klägers an das örtlich zuständige Amtsgericht Neunkirchen. Dieses erließ gegen die Beklagte unter dem 09.01.2020 ein Versäumnisurteil mit folgendem Sachtenor (Bl. 35, 36 d.A.):

1. Es wird festgestellt, dass der zwischen dem Kläger und der Beklagten geschlossene Grundfähigkeitsabsicherungsvertrag, Versicherungsnr., nicht durch das Schreiben der Beklagten vom 18.02.2019 beendet wurde, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 334,75 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.11.2019 zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass der Vertrag zwischen Kläger und Beklagter zur Vertragsnr. zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

Hiergegen legte die Beklagte mit Schriftsatz vom 19.05.2020 Einspruch ein (Bl. 40 d.A.). Auf Antrag des Klägers vom 23.09.2020 verwies das Amtsgericht Neunkirchen den Rechtsstreit am 29.09.2020 im Beschlusswege (Bl. 114 d.A.) an das sachlich zuständige Landgericht Saarbrücken. Dieses lud mit Verfügung vom 07.10.2020 zum Termin zur Güteverhandlung und mündlichen Verhandlung am 23.02.2020. Dabei ordnete es ausweislich der Verfügung das persönliche Erscheinen des Klägers an und lud den Zeugen G. gemäß § 273 Abs. 2 ZPO zum Termin. Die Ladung wurde den Beklagtenvertretern ausweislich Empfangsbekenntnis (Bl. 125 d.A.) am 27.10.2020 zugestellt. In der öffentlichen Sitzung des Landgerichts am 23.02.2021 erschien für die Beklagtenseite niemand. Auf Antrag des Klägervertreters verwarf das Landgericht Saarbrücken in der mündlichen Verhandlung den Einspruch der Beklagten durch ein Zweites Versäumnisurteil.

Hiergegen richtet sich die am 31.03.2021 eingelegte und am 04.06.2021 begründete Berufung der Beklagten. Sie ist der Ansicht, bereits das Erste Versäumnisurteil hätte nicht ergehen dürfen. Es fehle an einem Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Sankt Wendel an das Amtsgericht Neunkirchen, durch den eine Zuständigkeit des Amtsgerichts Neunkirchen hätte begründet werden können. Ungeachtet dessen sei auch das Amtsgericht Neunkirchen aufgrund des die Streitwertgrenze von 5.000,00 EUR weit übersteigenden Gegenstandswerts sachlich nicht zuständig gewesen.

Auch das Zweite Versäumnisurteil hätte nicht ergehen dürfen, da es an einer schuldhaften Säumnis der Beklagten gefehlt habe. Die Beklagte müsse sich insoweit das Verschulden eines Büromitarbeiters der Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht zurechnen lassen. Nach Eingang der Terminsladung vom 07.10.2020 bei den Hauptbevollmächtigten der Beklagten habe die dortige Sekretariatsmitarbeiterin, Frau B., den Termin in der elektronischen Akte als Gerichtstermin mit dem Zusatz "TV-Termin" notiert, wobei "TV" für Terminsvertreter stehe. Außerdem sei entsprechend der Weisungslage bei den Prozessbevollmächtigten der Beklagten eine Frist von 2 Wochen vor dem Termin eingetragen worden, die der Prüfung diene, ob ein Fachvertreter beauftragt worden sei und dieser nach der Beauftragung zwischenzeitlich eingegangene Schriftstücke erhalten habe. Zudem habe Frau B. per E-Mail am 02.11.2020 (Bl. 285 d.A.) bei Herrn Rechtsanwalt Sch. angefragt, ob dieser den Termin am 23.02.2021 als Terminsvertreter wahrnehmen könne. Dies habe die Mitarbeiterin von Herrn Rechtsanwalt Sch., Frau H., mit E- Mail vom 03.11.2020 bestätigt (Bl. 201 d.A.). Herr Rechtsanwalt Sch. habe allen seinen Mitarbeitern die Weisung erteilt, dass eine derartige Bestätigung erst dann herausgehen dürfe, wenn der Termin auch im Kalender ordnungsgemäß not...

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