Leitsatz (amtlich)

1. Die Anwendung der Ausgleichssperre des § 19 Abs. 3 VersAusglG Bedarf insbesondere dann der Prüfung, wenn ein Ehegatte nur ausgleichsreife inländischer Anrechte erworben hat und durch die Teilung dieser Anrechte die Hälfte seiner ehezeitlichen Versorgungsanwartschaften verlöre, gleichzeitig aber hinsichtlich der Teilhabe an etwaigen ausländischen Anrechten des anderen Ehegatten auf die schwächeren schuldrechtlichen Ausgleichsansprüche nach der Scheidung verwiesen wäre.

2. Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe in solchen Fällen von der Ausgleichssperre Gebrauch zu machen ist, kann - abgesehen von offensichtlichen Bagatellfällen - nur geprüft werden, wenn das Vorhandensein eines ausländischen Anrechts dem Grunde nach und - zumindest annähernd - der Höhe nach geklärt ist. Deswegen entbindet § 19 Abs. 2 Nr. 4 VersAusglG das Gericht nicht von seiner grundsätzlichen Pflicht zur Ermittlung dieser Anrechte.

3. Anrechte, die nach dem Wertausgleich bei der Scheidung für Ausgleichsansprüche nach der Scheidung verbleiben, sind in den Gründen der Ausgleichsentscheidung bei der Scheidung zu benennen (§ 244 Abs. 4 FamFG).

 

Verfahrensgang

AG St. Ingbert (Beschluss vom 02.03.2011; Aktenzeichen 4 F 52/10 VA)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - in St. Ingbert vom 2.3.2011 - 4 F 52/10 VA - aufgehoben und zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das AG - Familiengericht - in St. Ingbert zurückverwiesen.

2. Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben.

3. Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens: 4.320 EUR.

 

Gründe

I. Die im Jahre 1962 geborene Antragstellerin (Ehefrau) und der im Jahr 1961 geborene Antragsgegner (Ehemann), beide Deutsche, hatten am 11.7.1986 die Ehe geschlossen. Der am 26.2.2010 beim Familiengericht eingegangene Scheidungsantrag der Ehefrau wurde dem Ehemann am 26.3.2010 zugestellt. Durch am 11.8.2010 verkündeten und rechtskräftig gewordenen Beschluss wurde die Ehe der Ehegatten geschieden und die Folgesache Versorgungsausgleich vom Scheidungsverbund abgetrennt.

In dieser Folgesache hat das Familiengericht durch den angefochtenen Beschluss vom 2.3.2011, auf den Bezug genommen wird, den Versorgungsausgleich dahingehend geregelt, dass es zu Lasten des Anrechts des Ehemannes bei der D. Saarland zugunsten der Ehefrau ein Anrecht von 9,2055 Entgeltpunkten und zu Lasten des Anrechts der Ehefrau bei der D. Bund zugunsten des Ehemannes ein Anrecht von 10,8795 Entgeltpunkten, jeweils bezogen auf den 28.2.2010, begründet und erkannt hat, dass ein Wertausgleich der von der Ehefrau in der Ehezeit bei der M. D. erworbenen Anrechte nicht stattfindet.

Gegen diesen der Ehefrau am 15.3.2011 zugestellten Beschluss richtet sich deren am 30.3.2011 beim Familiengericht eingegangene Beschwerde, mit der sie rügt, dass das Familiengericht Anwartschaften, die der Ehemann in Luxemburg erworben und im Fragebogen zum Versorgungsausgleich angegeben habe, weder aufgeklärt noch ausgeglichen habe. Es sei jedenfalls unbillig, dass der Versorgungsausgleich im Ergebnis zu ihren Lasten durchgeführt worden sei, ohne die bekannten ausländischen Anrechte des Ehemannes zu berücksichtigen.

Die Ehefrau beantragt vorsorglich, das Verfahren nach § 69 Abs. 1 S. 3 FamFG an das Familiengericht zurückzuverweisen.

Während sich die anderen Beteiligten im Beschwerdeverfahren nicht geäußert haben, ist die D. Saarland der Auffassung, dass es sich bei diesen luxemburgischen Anwartschaften um nicht ausgleichsreife Anrechte nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 VersAusglG handle und daher ein Wertausgleich in Bezug auf diese Anrechte nach § 19 Abs. 3 VersAusglG nicht stattfinde.

II. Die nach §§ 58 ff., 228 FamFG zulässige Beschwerde der Ehefrau ist begründet und führt nach Maßgabe der Entscheidungsformel zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Familiengericht zur erneuten Behandlung und Entscheidung.

Zwar hat das Familiengericht zutreffend - stillschweigend - seine internationale Zuständigkeit angenommen (§ 102 Nr. 1 bis 3 FamFG) und seine Versorgungsausgleichsentscheidung nach Art. 17 Abs. 3 S. 1, Abs. 1 S. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 EGBGB deutschem Sachrecht unterworfen.

Der angefochtene Beschluss kann indes keinen Bestand haben, weil das Verfahren des Familiengerichts an einem wesentlichen Mangel leidet, für eine Entscheidung des Senats aufwendige Ermittlungen notwendig wären und die Ehefrau die Zurückverweisung beantragt hat (§ 69 Abs. 1 S. 3 FamFG).

Zu Recht beanstandet die Ehefrau, dass das Familiengericht verfahrensfehlerhaft nicht ermittelt hat, ob und ggf. in welcher Höhe der Ehemann in der vom Familiengericht zutreffend festgestellten Ehezeit vom 1.7.1986 bis zum 28.2.2010 (§ 3 Abs. 1 VersAusglG) luxemburgische Anrechte i.S.d. § 2 VersAusglG erworben hat.

Im Verfahren zur Regelung des Versorgungsausgleichs hat das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheb...

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