Leitsatz (amtlich)
a. Im Wege einstweiliger Anordnung erlassene Gewaltschutzanordnungen müssen wegen des Hauptsachevorwegnahmeverbots und des Verhältnismäßigkeitsprinzips grundsätzlich befristet werden, zumal die vorläufigen Schutzmaßnahmen aus Gründen des gebotenen effektiven Opferschutzes in ihrer persönlichen, örtlichen und gegenständlichen Reichweite meist den in einer deckungsgleichen Hauptsache zu erlassenden zumindest sehr nahe -, wenn nicht gleich kommen, weshalb das Übermaßverbot zumeist nur noch im Wege der Befristung der vorläufigen Maßnahmen überhaupt Wirkkraft entfalten kann.
b. Bei der Bestimmung der Frist ist zu berücksichtigen, ob der Täter schon wiederholt die Rechtsgüter des Opfers verletzt oder dieses über einen längeren Zeitraum unzumutbar belästigt hat. In diesen Fällen kann eine längere Dauer der Schutzmaßnahmen angeordnet werden als bei einer einmaligen Rechtsgutsverletzung, deren Schwere ebenfalls eine längere Dauer der Verbote rechtfertigen kann.
Verfahrensgang
AG St. Ingbert (Beschluss vom 23.02.2010; Aktenzeichen 4 F 13/10 EAGS) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG - Familiengericht - in St. Ingbert vom 23.2.2010 - 4 F 13/10 EAGS - abgeändert und dahingehend ergänzt, dass die einstweilige Anordnung bis zum 23.11.2010 befristet wird.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
3. Der Verfahrenswert für die Beschwerdeinstanz wird auf bis 600 EUR festgesetzt.
4. Beiden Beteiligten wird - der Antragstellerin mit Wirkung vom 6.5.2010 unter Beiordnung der Rechtsanwaltssozietät, dem Antragsgegner mit Wirkung vom 25.3.2010 unter Beiordnung von Rechtsanwalt -Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt. Der Antragsgegner hat keine Raten, die Antragstellerin ab 1.6.2010 monatlich solche von 30 EUR an die Landeskasse zu leisten.
Gründe
I. Der Antragsgegner wendet sich gegen eine auf der Grundlage des Gewaltschutz-gesetzes erlassene einstweilige Anordnung.
Der Antragsgegner hatte bis Februar 2008 eine Beziehung zu seiner damaligen Freundin J. V. unterhalten. Das AG Saarbrücken hatte auf deren Antrag gegen den Antragsgegner am 1.8.2008 eine auf das Gewaltschutzgesetz gestützte einstweilige Verfügung erlassen, weil dieser ihr nach der Trennung - auch per Telefon und SMS - nachgestellt hatte. Ein aus demselben Grund gegen den Antragsgegner geführtes Strafverfahren wegen Verstoßes gegen § 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB war am 20.2.2009 vorläufig und am 16.6.2009 endgültig nach § 153a Abs. 1 StPO eingestellt worden, nachdem der Antragsgegner eine Geldauflage i.H.v. 200 EUR erfüllt hatte.
Die Beteiligten lebten von September 2009 bis zum 16.12.2009 in nichtehelicher Lebensgemeinschaft in der Wohnung der Antragstellerin zusammen. Sie trennten sich erstmals am 16.12.2009 und - nach einem kurzfristigen Versöhnungsversuch über den Jahreswechsel - endgültig am 6.1.2010.
In dem vorliegenden, durch Antrag der Antragstellerin vom 20.1.2010 eingeleiteten einstweiligen Anordnungsverfahren hat die Antragstellerin am selben Tage eine - ohne mündliche Verhandlung erlassene - einstweilige Anordnung erwirkt, in der folgendes angeordnet wurde:
Dem Antragsgegner wird untersagt,
- sich der Wohnung der Antragstellerin bis auf eine Entfernung von 20 Metern zu nähern;
- folgende Orte aufzusuchen, an denen sich die Antragstellerin regelmäßig aufhält: den Arbeitsplatz im [Str., Nr. PLZ. Ort, Arbeitgeber]
- Verbindung zur Antragstellerin, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, aufzunehmen;
- ein Zusammentreffen mit der Antragstellerin herbeizuführen; sollte es zu einem zufälligen Zusammentreffen kommen, hat der Antragsgegner einen Abstand von 20 Metern herzustellen.
Für den Fall der Zuwiderhandlung wird dem Antragsgegner ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.
Auf den Antrag des Antragsgegners, aufgrund mündlicher Verhandlung neu zu entscheiden - und in diesem Rahmen erklärten Einverständnisses mit einer vergleichsweisen, unbefristeten gegenseitigen Regelung des Inhalts, dass jeglicher Kontakt zwischen den Beteiligten abgebrochen werde - hat das Familiengericht nach mündlicher Verhandlung vom 12.2.2010 mit der angefochtenen einstweiligen Anordnung vom 23.2.2010, auf die Bezug genommen wird, im Wege neuer Beschlussfassung Folgendes angeordnet:
Dem Antragsgegner wird untersagt,
- die Wohnung der Antragstellerin zu betreten;
- sich ihrer Wohnung bis auf eine Entfernung von 20 Metern zu nähern;
- folgende Orte aufzusuchen, an denen sich die Antragstellerin regelmäßig aufhält: den Arbeitsplatz im [Str., Nr. PLZ. Ort, Arbeitgeber]
- Verbindung zur Antragstellerin, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, aufzunehmen;
- ein Zusammentreffen mit der Antragstellerin herbeizuführen; sollte es zu einem zufälligen Zusammentreffen kommen, hat der Antragsgegner einen Abstand von 20 Metern herzustellen.
Für den Fall der Zuwiderhandlung wird dem Antragsgegner ein Ordnungsgel...