Verfahrensgang

AG Saarlouis (Beschluss vom 11.12.2000; Aktenzeichen 23 F 71/00)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – in Saarlouis vom 11. Dezember 2000 – 23 F 71/00 – aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung – auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens – an das Amtsgericht – Familiengericht – in Saarlouis zurückverwiesen.

II. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben.

III. Beschwerdewert: 3.000 DM.

 

Tatbestand

I.

Die … 1990 geborene M. ist das nichtehelich geborene Kind der Antragstellerin und des Kindesvaters (Beteiligter zu 2). Mit Beschluss des Amtsgerichts – Vormundschaftsgericht – in Saarlouis vom 4. Oktober 1995 – 2 VII 587/95 – wurde der Antragstellerin die elterliche Sorge für M. entzogen und der … Kreisjugendamt – (Beteiligter zu 3) zum Vormund bestellt.

Seit März 1995 lebt M. im Haushalt des Kindesvaters in F.

Die Antragstellerin hatte erstinstanzlich die Regelung ihres Umgangsrecht mit M. erstrebt.

Durch den angefochtenen Beschluss, auf den ergänzend Bezug genommen wird, hat das Familiengericht das Umgangsrecht der Antragstellerin mit M. bis zum 30. Juni 2002 ausgeschlossen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Die Antragstellerin ist der Auffassung, der Beschluss sei „nicht gerecht gefällt worden”.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die gemäß §§ 621 e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zulässige Beschwerde der Antragstellerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Familiengericht. Der angefochtene Beschluss leidet an einem Verfahrensfehler, weil das Familiengericht seine internationale Zuständigkeit bejaht hat, ohne die hierin liegende Ermessensentscheidung zu begründen.

Zwar wären nach §§ 621 a Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, 64 Abs. 3 und 35 b Abs. 1 FGG die deutschen Gerichte an sich international zuständig, weil das betroffene Kind die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Die Zuständigkeitsregeln des Haager Übereinkommens über die Zuständigkeiten von Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes Minderjähriger vom 5. Oktober 1961 – MSA – (BGBl. 1971 II, Seite 217) gehen jedoch diesen allgemeinen Regeln des deutschen Prozessrechts vor und verdrängen diese (BGH, FamRZ 1997, 1070, m.w.N.). Sowohl die Bundesrepublik als auch Frankreich sind Vertragsstaaten dieses Abkommens. Nach Art. 1 MSA richtet sich die internationale Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Minderjährigen. Da M. seit 1995 im Haushalt ihres Vaters in Frankreich lebt, liegt der gewöhnliche Aufenthalt im Sinne des Art. 1 MSA in Frankreich. Somit sind vorliegend zunächst die französischen Behörden und Gerichte zuständig.

Zwar ist durch Art. 1 MSA die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bezüglich eines deutschen Minderjährigen mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem anderen Vertragsstaat nicht ausgeschlossen. Nach Art. 4 MSA kann in diesen Fällen auch das deutsche Familiengericht zum Schutz des Minderjährigen Maßnahmen treffen, wenn es der Auffassung ist, dass das Wohl des Minderjährigen es erfordert. Die Auffassung des deutschen Familiengerichts, dass das Wohl des Minderjährigen sein Tätigwerden erfordert, ist nach Art. 4 Abs. 1 MSA Verfahrensvoraussetzung. Ein Eingreifen ist in das pflichtgebundene, von der Rechtsmittelinstanz zu prüfende Ermessen des Familiengerichts gestellt (vgl. Staudinger/Kropholler, BGB, 1994, Vorbem. zu Art. 19 EGBGB, Rz. 364; Soergel/Kegel, BGB, 12. Aufl., Vor Art. 19 EGBGB, Rz. 46). Dann bedarf die Auffassung des Familiengerichts aber einer Begründung. Andernfalls wäre das Rechtsmittelgericht nicht in der Lage, die Entscheidung des Familiengerichts über seine internationale Zuständigkeit sachlich nachzuprüfen.

Das Familiengericht hat vorliegend die (bejahende) Entscheidung über seine Zuständigkeit in dem angefochtenen Beschluss nicht begründet, so dass eine sachliche Nachprüfung nicht möglich ist. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung – auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens – an das Familiengericht zurückzuverweisen.

Das Familiengericht wird dann auch Gelegenheit haben, gegebenenfalls die französischen Behörden gemäß Art. 4 Abs. 1 MSA zu verständigen.

Der die Gerichtskosten betreffende Kostenausspruch beruht auf § 16 KostO.

 

Unterschriften

gez.: Jochum, Dr. Kockler, Cronberger

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1550661

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