Entscheidungsstichwort (Thema)
Prüfungsmaßstab des FamG nach Erhebung einer Gefährdungsmittelung gem. § 8a Abs. 3 SGB VIII durch das Jugendamt
Leitsatz (amtlich)
Zeigt das Jungendamt unter Bezugnahme auf § 8a Abs. 3 SGB VIII Umstände an, die eine Gefährdung des Kindeswohls nahelegen, so ist das FamG ohne Bindung an den Antrag des Jugendamts gehalten, nach Amtsermittlung aller relevanten Tatsachen die erforderlichen Maßnahmen anzuordnen, um das Kind vor der erkannten Gefährdung zu schützen.
Normenkette
BGB § 1666; SGB VIII § 8a Abs. 3
Verfahrensgang
AG Saarbrücken (Beschluss vom 23.11.2006; Aktenzeichen 41 F 111/06 UG) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Stadtverbandes Saarbrücken, Jugendamt, wird der Beschluss des AG - FamG - in Saarbrücken vom 23.11.2006 - 41 F 111/06 UG - aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das FamG in Saarbrücken zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
II. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die am. Oktober 1998 geborene J. R. ist - offensichtlich - die Tochter der Beteiligten zu 1) und 2). Die Kindesmutter war und ist mit dem Kindesvater nicht verheiratet. Das Kind lebt im Haushalt der Kindesmutter.
Im vorliegenden, auf Grund einer Gefährdungsmitteilung des beteiligten Jugendamtes nach § 8a Abs. 3 SGB VIII vom 21.2.2006 eingeleiteten Verfahren hat das Jugendamt "beantragt", die Befugnis des Kindesvaters zum Umgang mit seiner Tochter J. auszuschließen.
Der Kindesvater hat auf Zurückweisung des "Antrags" angetragen und einen Vorschlag zur Regelung seines Umgangsrechts mit J. unterbreitet.
Durch Beschluss vom 7.4.2006 hat das FamG im Wege vorläufiger Anordnung das Umgangsrecht des Kindesvaters mit J. vorübergehend ausgesetzt.
Durch den angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, hat das FamG den "Antrag" des Jugendamtes den Umgang des Kindesvaters mit J. auszuschließen, zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Jugendamtes, mit der dieses nach wie vor den Ausschluss des Umgangs des Kindesvaters mit J. erstrebt.
Die Kindeseltern haben sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
II. Die Beschwerde des Jugendamtes ist gem. §§ 621e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 1, 517, 520 ZPO zulässig. Bedenken hinsichtlich der Beschwerdeberechtigung (§§ 20, 64 Abs. 3 S. 3, 57 Abs. 1 Nr. 9 FGG) bestehen nicht. Die Beschwerde ist auch begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das FamG zur erneuten Behandlung und Entscheidung.
Die angefochtene Entscheidung kann keinen Bestand haben, weil das Verfahren vor dem FamG an wesentlichen Verfahrensmängeln leidet.
Verfahrensfehlerhaft hat sich das FamG darauf beschränkt, den "Antrag" des Jugendamtes, die Befugnis des Kindesvaters zum Umgang mit seiner Tochter J. auszuschließen, zurückzuweisen, statt die gebotenen Anordnungen zur Abwehr von Gefährdungen des Kindeswohls zu treffen (vgl. hierzu: BGH v. 11.5.2005 - XII ZB 120/04, BGHReport 2005, 1327 = MDR 2005, 1415 = FamRZ 2005, 1471, FamRZ 1994, 158).
Insoweit hat das FamG ersichtlich die Mitteilung des Jugendamtes nach § 8a Abs. 3 SGB VIII als Antrag auf Regelung des Umgangsrechts des Kindes mit dem Kindesvater nach § 1684 BGB gewertet. Hierbei hat es verkannt, dass es sich - wie aus der Bezugnahme von § 8a Abs. 3 SGB VIII eindeutig erkennbar - um eine Gefährdungsmitteilung handelte, die voraussetzt, dass das Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls des Kindes bekannt geworden sind und es deshalb das Tätigwerden des FamG für erforderlich hält. Die vom FamG zu treffenden Maßnahmen bestimmen sich dann aber nach § 1666 BGB.
Auch hat das FamG nicht beachtet, dass es im vorliegenden Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht an einen Antrag gebunden ist und dass einem gleichwohl formulierten Antrag nicht die Bedeutung zukommt, die die Zivilprozessordnung einem Sachantrag zumisst.
Vielmehr hätte das FamG, wenn es die vom Jugendamt als geeignet und geboten angesehene Anordnung zur Gefahrenabwehr nicht treffen wollte, eine andere Regelung nicht außer Betracht lassen dürfen, weil sie nicht förmlich beantragt worden war. Dies gilt umso mehr, als das FamG selbst eine Gefährdung des Kindes bei unbegleiteten Umgangskontakten mit dem Kindesvater bejaht hat. In diesem Fall war es aber gehalten, die erforderlichen Maßnahmen anzuordnen, um das Kind vor der erkannten Gefährdung zu schützen. Denn durch die bloße Zurückweisung des Antrags ist die Gefährdung nicht beseitigt. Vielmehr ist es alleine der Primärverantwortung des bzw. der Sorgeberechtigten überlassen, den Umgang des Kindes zu gestalten. Sollte die Kindesmutter die allein Sorgeberechtigte sein - wovon das FamG offensichtlich ausgeht - bietet diese aber nach Einschätzung des FamG mangels hinreichenden Problembewusstseins gerade nicht die erforderliche Gewähr dafür, dass eine eventuelle Gefährdung J. au...