Leitsatz (amtlich)
Erstattungsfähigkeit von Parteireisekosten und Reisekosten des Prozessbevollmächtigten.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Beschluss vom 22.12.2011; Aktenzeichen 8 O 54/10) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des LG Saarbrücken vom 22.12.2011 - 8 O 54/10 - teilweise dahingehend abgeändert, dass die von der Antragstellerin an die Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten auf 1.690,83 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 18.8.2010 festgesetzt werden.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Beschwerdewert: bis 600 EUR.
Gründe
I. In dem Verfahren 8 O 54/10 des LG Saarbrücken nahm die Antragstellerin die Antragsgegnerin, ein Versicherungsunternehmen, mit dem sie durch einen Hauptagenturvertrag verbunden war, im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung von (näher bezeichneten) Behauptungen in Anspruch. Nachdem das LG durch Beschluss vom 27.4.2010 wegen besonderer Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung die einstweilige Verfügung erlassen und die Antragsgegnerin gegen diesen Beschluss Widerspruch eingelegt hatte, hat es nach mündlicher Verhandlung vom 27.7.2010, an der neben dem Prozessbevollmächtigten ein Vertreter der Rechtsabteilung der Antragsgegnerin teilgenommen hatte, durch Urteil vom 10.8.2010, berichtigt durch Beschluss vom 13.8.2010, unter Zurückweisung des Antrages die einstweilige Verfügung aufgehoben und der Antragstellerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
Mit Schriftsatz vom 16.8.2010, berichtigt durch Schriftsatz vom 30.8.2010, beantragte die Antragsgegnerin unter Anmeldung von Parteireisekosten sowie Reisekosten des Anwalts nebst Abwesenheitsgeld die Festsetzung ihr entstandener Kosten i.H.v. insgesamt 1.690,83 EUR. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17.2.2011 setzte das LG - Rechtspflegerin - die von der Antragstellerin an die Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten auf 1.144,78 EUR fest, weil die Parteireisekosten und die Reisekosten des Anwalts sowie das Abwesenheitsgeld nicht erstattungsfähig seien. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin, mit der diese die Erstattung der angemeldeten Kosten vollumfänglich weiterverfolgte, hat der Senat durch Beschl. v. 14.10.2011 - 9 W 130/11-19 - den Kostenfestsetzungsbeschluss aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen. Durch den angefochtenen Beschluss vom 22.12.2011, "ergänzt" durch Beschluss vom 2.3.2012, hat das LG - Rechtspflegerin - die von der Antragstellerin an die Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten mit im Wesentlichen gleicher Begründung wiederum auf 1.144,78 EUR festgesetzt. Gegen den ihr am 6.1.2012 zugestellten Beschluss vom 22.12.2011 hat die Antragsgegnerin mit am 11.1.2012 eingegangenem Faxschreiben sofortige Beschwerde eingelegt, der das LG gemäß Beschluss vom 11.4.2012 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat. Die Parteien hatten Gelegenheit, im Beschwerdeverfahren Stellung zu nehmen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist gemäß §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 2, 569 ZPO zulässig und auch begründet. Die von der Antragsgegnerin angemeldeten Parteireisekosten und die Reisekosten ihres Prozessbevollmächtigten nebst Abwesenheitsgeld für die Teilnahme an dem Termin über den Widerspruch im einstweiligen Verfügungsverfahren sind im Rahmen der gerichtlichen Kostenausgleichung zu berücksichtigen. Diese Kosten sind erstattungsfähig.
Anerkanntermaßen sind die durch die Teilnahme an einem gerichtlichen Termin veranlassten Reisekosten einer Partei grundsätzlich erstattungsfähig, gleichgültig ob sie anwaltlich vertreten oder ihr persönliches Erscheinen angeordnet ist, es sich um einen Verhandlungstermin oder um einen Beweisaufnahmetermin handelt. Da der Grundsatz der Mündlichkeit in der mündlichen Verhandlung seine ureigenste Ausprägung findet und der Partei dort auch im Anwaltsprozess auf Antrag das Wort zu erteilen ist (§ 137 Abs. 4 ZPO), sind der Partei Reisekosten zu erstatten, die ihr die Anwesenheit in einem gerichtlichen Verhandlungstermin ermöglichen. Die persönliche Anwesenheit der Partei ist vor dem Hintergrund der Verpflichtung des Gerichts, über die Güteverhandlung (§ 278 Abs. 2 ZPO) hinaus in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits hinzuwirken (§ 278 Abs. 1 ZPO), und der durch die ZPO-Reform verstärkten materiellen Prozessleitungspflicht des Gerichts, die sich insbesondere durch die Ausübung des Fragerechts in der mündlichen Verhandlung verwirklicht (§ 279 Abs. 3, § 139 ZPO), aus Gründen der Prozessökonomie vielfach sachgerecht und zielführend. Den von dem Gesetz verfolgten Zwecken der Stärkung des Schlichtungsgedankens und der Betonung der richterlichen Aufklärungs- und Hinweispflicht (BT-Drucks. 14/4722, 60) entspricht es häufig am ehesten, mit...