Leitsatz (amtlich)

Wird im Rahmen der Nennung und Erörterung eines der Täteridentifizierung dienenden Lichtbildes in den Urteilsgründen ein Klammerzusatz mit einer genauen Fundstelle in den Akten angefügt, genügt dies regelmäßig den Anforderungen an eine wirksame Verweisung nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO (i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG).

 

Normenkette

StPO § 267 Abs. 1 S. 3; OWiG § 71 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG St. Ingbert (Entscheidung vom 16.09.2022; Aktenzeichen 25 OWi 2633/22)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts St. Ingbert vom 16. September 2022 wird kostenpflichtig (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO) als unbegründet

v e r w o r f e n .

 

Gründe

I.

Durch Urteil vom 16. September 2022 verurteilte das Amtsgericht St. Ingbert den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb einer geschlossenen Ortschaft von 80 km/h um 32 km/h zu einer Geldbuße von 400 Euro.

Gegen dieses Urteil legte der Verteidiger des Betroffenen am 20. September 2022 Rechtsbeschwerde ein, die er nach der am 13. Oktober 2022 erfolgten Zustellung des schriftlichen Urteils mit weiterem am 28. Oktober 2022 eingegangenem Schriftsatz mit der näher ausgeführten Sachrüge begründete. Der Verteidiger beanstandet insbesondere die Beweiswürdigung des Amtsgerichts. Das Gericht habe den Betroffenen in unzulässiger Weise anhand eines durch die bloße Angabe der Blattzahl der Akte bezeichneten Lichtbildes als Fahrer identifiziert. Es fehle an einer wirksamen Verweisung nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG. Das Bild sei im Übrigen zu einer Identifizierung des Betroffenen ungeeignet, da es kontrastarm sei und Wangen und Kinnpartie des Fahrers aufgrund des von ihm getragenen Vollbarts nicht erkennbar seien. Schließlich habe das Amtsgericht in rechtsfehlerhafter Weise nicht mitgeteilt, aufgrund welcher auf dem Foto erkennbarer Identifizierungsmerkmale es seine Überzeugung von der Fahrereigenschaft des Betroffenen gewonnen habe.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen. Sie meint, das Amtsgericht habe bei seinen Ausführungen zur Identifizierung des Betroffenen als Fahrer in einer den Anforderungen des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO genügenden Weise auf das Messfoto Bezug genommen, das im Übrigen auch zur Identifizierung geeignet sei.

Der Verteidiger hat zu dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft eine Gegenerklärung abgegeben, in dem er im Wesentlichen auf seinen bisherigen Sachvortrag Bezug genommen hat.

Die Einzelrichterin hat die Sache dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern zur Entscheidung übertragen.

II.

Die zulässige, insbesondere statthafte (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG) und form- und fristgerecht eingelegte und begründete (§§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 341, 345 StPO) Rechtsbeschwerde ist unbegründet, da sie auf die allein erhobene Sachrüge hin keinen Rechtsfehler aufdeckt, der sich zum Nachteil des Betroffenen ausgewirkt hat. Insbesondere ist die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils hinsichtlich der Identifizierung des Betroffenen als Fahrer nicht zu beanstanden.

1. Erfolgt eine Täteridentifizierung anhand eines Lichtbildes, müssen die Urteilsgründe so gefasst sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht prüfen kann, ob das Lichtbild überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen (vgl. nur Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 19. Dezember 2022 - 1 OLG 53 Ss-OWi 582/22 -, juris; Senatsbeschluss vom 27. Januar 2023 - SsBs 36/22 (43/22) - m.w.N.; Göhler/Seitz/Bauer, OWiG, 18. Aufl., § 71 Rdnr. 47a). Diese Anforderung kann der Tatrichter dadurch erfüllen, dass er in den Urteilsgründen auf das in der Akte befindliche Messfoto gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG Bezug nimmt. Durch eine solche Bezugnahme wird die Abbildung mit der Folge zum Bestandteil der Urteilsgründe, dass das Rechtsbeschwerdegericht sie aus eigener Anschauung würdigen kann und daher auch in der Lage ist, zu beurteilen, ob sie als Grundlage einer Identifizierung tauglich ist (vgl. nur BGH, Beschluss vom 19. Dezember 1995 - 4 StR 170/95 -, juris und Urteil vom 28. Januar 2016 - 3 StR 425/15 -, juris; Senatsbeschluss a.a.O.; Göhler/Seitz/Bauer, a.a.O.). Wird im Urteil nicht auf ein für eine Identitätsfeststellung generell geeignetes Foto nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG verwiesen, muss das Urteil Ausführungen zur Bildqualität (insbesondere zur Bildschärfe) enthalten und die abgelichtete Person oder jedenfalls mehrere charakteristische Identifizierungsmerkmale so präzise beschreiben, dass dem Rechtsbeschwerdegericht an Hand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei der Betrachtung der Fotos die Prüfung ermöglicht wird, ob dieses zur Identifizierung abstrakt geeignet ist (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 1995 - 4 StR 170/95 -, juris; Göhler/Seitz/Bauer, a.a.O.). Bestehen nach Inhalt oder Qualität des Lichtbilds Zweifel an seiner...

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