Leitsatz (amtlich)
Fehlende Feststellungen zum Wirkstoffgehalt der Betäubungsmittel stehen bei einer Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln nach § 29a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG der Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung auch dann nicht entgegen, wenn die Bruttomenge der Betäubungsmittel die Grenze zur nicht geringen Menge i.S.d. § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG übersteigt.
Normenkette
StPO § 318 S. 1; BtMG § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Entscheidung vom 20.06.2023; Aktenzeichen 11 NBs 44/23) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 11. Kleine Strafkammer - vom 20. Juni 2023 wird kostenpflichtig (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO) als offensichtlich unbegründet
v e r w o r f e n,
da die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf die Revisionsbegründung hin keinen Rechtsfehler ergeben hat, der sich zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.
Gründe
Der Erörterung bedarf insoweit nur Folgendes:
1. Entgegen der Annahme der Generalstaatsanwaltschaft hat der Angeklagte seine Berufung ausweislich der Hauptverhandlungsprotokolls vom 20. Juni 2023 nicht auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung, sondern auf den Strafausspruch insgesamt beschränkt.
2. Das Landgericht ist auch in Ansehung dessen zutreffend von einer wirksamen Beschränkung der Berufung ausgegangen, dass das Amtsgericht keine Feststellungen zum Wirkstoffgehalt der Betäubungsmittel getroffen hat, in deren Besitz der Angeklagte war.
a) Grundsätzlich kann eine Berufung nach § 318 StPO auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt werden (vgl. nur BGH, Beschluss vom 27. April 2017 - 4 StR 547/16 -; Senatsurteil vom 29. November 2021 - Ss 60/2021 (57/21) -; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 318 Rn. 16). Dies setzt jedoch voraus, dass die im vorangegangenen Urteil getroffenen Feststellungen zum Schuldspruch eine ausreichende Grundlage für die von dem Berufungsgericht zu treffende Rechtsfolgenentscheidung bilden (BGH a.a.O.; Senatsurteil a.a.O.). Sind die Schuldfeststellungen des Amtsgerichts derart knapp, unvollständig, unklar oder widersprüchlich, dass sie den Unrechts- und Schuldumfang nicht einmal in groben Zügen erkennen lassen und es dem Berufungsgericht nicht gestatten, seine Entscheidung hieran anzuknüpfen, ist eine Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch unwirksam (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2015 - 2 StR 258/15 -; Senatsurteile vom 29. Juni 2020 - Ss 29/2020 (23/20) - und vom 29. November 2021 - Ss 60/2021 (57/21) -; Senatsbeschluss vom 14. April 2021 - Ss 27/2021 (29/21) -). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn schon unklar bleibt, ob sich der Angeklagte überhaupt strafbar gemacht hat (BGH, Beschluss vom 27. April 2017 - 4 StR 547/16 -, vgl. auch BGH, Urteil vom 5. Mai 2022 - 3 StR 412/21 -, juris; Senatsentscheidungen wie vor).
b) Für den Fall einer Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz hat der Senat bereits entschieden, dass das Fehlen von Feststellungen zum Wirkstoffgehalt der Betäubungsmittel den Bestand des Schuldspruchs dann nicht gefährdet, wenn festgestellt ist, dass es sich tatsächlich um Betäubungsmittel handelt und nach dem Bruttogewicht der Betäubungsmittel ausgeschlossen werden kann, dass die Grenze zur nicht geringen Menge i.S.d. § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG überschritten ist (Senatsbeschlüsse vom 23. Mai 2014 - Ss 36/2014 (21/14) -, 26. Juni 2014 - Ss 20/2014 (14/14) - und vom 29. Januar 2019 - Ss 114/2018 (64/18) -, vgl. auch KG Berlin, Beschluss vom 12. Januar 2017 - (5) 121 Ss 197/16 (56/18) -, juris; OLG Celle NStZ-RR 2012, 59; KG Berlin, Beschluss vom 4. Januar 2012 - 1 Ss 466/11 (322/11) -, juris; OLG Frankfurt NStZ-RR 2003, 23), die Berufung demnach trotz der fehlenden Feststellungen wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt werden kann.
c) Nichts anderes kann gelten, wenn - wie vorliegend aufgrund einer Menge von 10,9 Gramm Marihuana und einem Grenzwert zur nicht geringen Menge von 7,5 Gramm THC (vgl. BGH StV 2013, 703 f. und Senatsbeschlüsse vom 23. Mai 2014 - Ss 36/2014 (21/14) - und vom 29. Januar 2019 - Ss 114/2018 (64/18)) - wegen fehlender Feststellungen zum Wirkstoffgehalt das Überschreiten der Grenze zur nicht geringen Menge nicht ausgeschlossen werden kann.
(1) Im Fall einer Revisionsbeschränkung kann und darf das Rechtsmittelgericht nach höchstrichterlicher Rechtsprechung grundsätzlich diejenigen Entscheidungsteile nicht nachprüfen, deren Nachprüfung von keiner Seite begehrt wird (BGH, Beschluss vom 26. September 2019 - 5 StR 206/19 -, juris). Etwaige Subsumtionsfehler des erkennenden Gerichts und daraus resultierende Mängel des Schuldspruchs berühren die Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung, die den Schuldspruch von einer Beanstandung ausnimmt, deshalb nicht (BGH, Urteil vom 5. Mai 2022 - 3 StR 412/21 -, juris). Vielmehr hat das Rechtsmittelgericht im Fall eines auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Rechtsmittels die Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung auf der Basis des Schuldspruchs des angefochtenen...