Leitsatz (amtlich)
1. Nach Inkrafttreten der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 über die Zuständigkeit,
das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von
Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in
Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses
(EuErbVO) in ihrer Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH,
Urteil vom 12. Oktober 2017 - C-218/16, NJW 2017, 3767) ist das
Grundbuchamt nicht mehr berechtigt, einem nachgewiesenen
Vindikationslegat nach französischem Recht seine dingliche Wirkung
abzusprechen.
2. Ein vom Legatar vorgelegtes Europäisches Nachlasszeugnis stellt
grundsätzlich einen ausreichenden Unrichtigkeitsnachweis im Sinne des § 22
GBO dar, mit dem die Rechtsstellung belegt werden kann. Wie auch sonst bei
nationalen Erbscheinen steht dem Grundbuchamt aber ein Prüfungsrecht zu,
soweit Zweifel dies gebieten.
Tenor
Auf die Beschwerde vom 12.04.2019 wird der angefochtene Beschluss vom 06.03.2019 aufgehoben und das Amtsgericht Saarbrücken - Saarländisches Grundbuchamt - angewiesen, über den Eintragungsantrag vom 05.12.2018 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.
Gründe
I. Im Grundbuch von St. Johann Blatt XXXXX ist Herr K. S. als Eigentümer einer Wohnung eingetragen. Dieser hatte seinen letzten Wohnsitz in Frankreich und ist am 22.01.2016 verstorben.
Die Notarin M.-M. mit Amtssitz in Paris erstellte am 18.10.2018 ein Europäisches Nachlasszeugnis. Darin sind für Herrn C. S. und für Herrn A. S. je 1/8 Miteigentumsanteil an der Einzimmerwohnung in der ...pp. XX, in S. als gesetzliche Erben, für Frau Y. S. und für Herrn C. Sch. je 1/16 Miteigentumsanteil an der Einzimmerwohnung in der ...pp. XX, in S. als gesetzliche Erben ausgewiesen und für die Antragstellerin als Ehefrau des Erblassers ist ausgeführt: "5/8 zum Volleigentum und 3/8 zum Nießbrauch der im Immobiliargüter und -rechte in S. (Deutschland), ...pp. XX, bestehend aus einer Einzimmerwohnung mit Bad und Kochecke. Im Rahmen der Regelung des Nachlasses von Herrn K. S. übernimmt Frau G. K. S. ihre 4/8 zum Volleigentum und erhält 1/8 zum Volleigentum und 3/8 zum Nießbrauch".
Mit Schreiben vom 5.12.2018 beantragte die Antragstellerin unter Vorlage des oben genannten Europäischen Nachlasszeugnisses in beglaubigter Abschrift Grundbuchberichtigung entsprechend der Erbfolge französischen Rechts und die Eintragung ihres Nießbrauchsrechts.
Durch Beschluss vom 6.3.2019 wies das Grundbuchamt den Antrag vom 5.12.2018 zurück, weil dem Nießbrauchsrecht der Antragstellerin im deutschen Grundbuchverfahrensrecht keine Wirkung zukomme. Die Eintragung des Nießbrauchs sei folglich von den Erben zu bewilligen. Mit Schriftsatz vom 12.4.2019 legte die Antragstellerin gegen den Beschluss vom 6.3.2019 Beschwerde ein.
II. Die Beschwerde ist zulässig und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.
(1.) Vindikationslegaten, gesetzlichen Nießbrauchsrechten und dinglichen Teilungsanordnungen, die durch ein Europäisches Nachlasszeugnis nachgewiesen werden können, kamen im deutschen Grundbuchverfahren keine Wirkungen zu. Allein unter Vorlage des Europäischen Nachlasszeugnisses konnte der Legatar keine Grundbuchberichtigung herbeiführen, eine Unrichtigkeit lag nicht vor. Verantwortlich hierfür zeichneten der 18. Erwägungsgrund EuErbVO und die Regelung in Art. 1 Abs. 2 lit. k, lit. l EuErbVO. Die bislang herrschende Meinung ging davon aus, dass die Art und die Eintragung der dinglichen Rechte vom Anwendungsbereich der EuErbVO ausgenommen sind. Deutsches Sachenrecht sollte gelten, ebenso die lex rei sitae. Die bislang herrschende Meinung bejahte keine Grundbuchunrichtigkeit und ging davon aus, dass dem Grundbuchamt der Erfüllungsakt vorzulegen sei, bei Vindikationslegaten an Immobilien demnach die Auflassung vor einem deutschen Notar (siehe zu dem Vorstehenden Wilsch in: BeckOK, GBO, § 35 Rn. 40). Dieser Ansicht ist das Grundbuchamt mit seiner Entscheidung vom 6.3.2019 gefolgt.
Durch die Entscheidung des EuGH (NJW 2017, 3767 - Kubicka; vgl. auch Weber DNotZ 2018, 16; Dorth ZEV 2018, 11; Wilsch ZfIR 2018, 253; Leitzen ZEV 2018, 311) steht demgegenüber fest, dass die EuErbVO so zu verstehen ist, dass das Vindikationslegat volle Wirksamkeit nach dem Erbstatut auch in denjenigen Rechtsordnungen entfaltet, die nur das schuldrechtlich wirkende Vermächtnis kennen. Der EuGH begründet dies mit Art. 23 Abs. 1 EuErbVO, mit der Einheitlichkeit des auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Rechts, sowie mit dem 37. Erwägungsgrund der EuErbVO. Verhindert werden soll eine Nachlassspaltung, womit dem Erbstatut Vorrang vor dem Sachenrechtsstatut eingeräumt wird. Der Anwendungsbereich des Art. 1 Abs. 2 lit. K EuErbVO beschränke sich, so der EuGH, auf die Existenz und die Anzahl der dinglichen Rechte. Übergangsmodalitäten werden aber von Art. 1 Abs. 2 lit. K EuErbVO nicht erfasst. Die Vorschrift gibt nach Ansicht des EuGH keine Handhabe dafür, das Vindikationslegat abzuerkennen. Dem Erbstatut ist der Vorzug ...